Hamburg. Passagierlisten werden geprüft, bis zu 10.000 Euro Bußgeld bei Quarantäne-Verstoß. Drive-in: Corona-Tests an neuen Stationen.
Während die USA und Israel mit massiven Anstiegen der Corona-Infektionszahlen zu kämpfen haben und auch Österreich seine Maßnahmen wieder verschärft hat, sieht sich Hamburg gut für eine mögliche zweite Welle gerüstet.
„In Hamburg gibt es derzeit ein sehr gut eingrenzbares und nachvollziehbares Infektionsgeschehen“, sagte Sozial- und Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard (SPD) dem Abendblatt. „Es war unser Ziel, dass wir in jedem Covid-19-Fall nachverfolgen können, wer mit infizierten Personen in Kontakt gekommen ist. Das ist derzeit gut leistbar und der wichtigste Beitrag, um sicher durch die nächste Zeit zu kommen.“
Corona in Hamburg: "Alle Erkrankten finden"
Entscheidend sei, so die Senatorin, „dass wir alle Erkrankten finden, isolieren und adäquat behandeln können, um zu verhindern, dass die Infektion unbemerkt weitergegeben wird“.
Hamburg gehe „sehr vorsichtig mit Lockerungen um“, sagte Leonhards Sprecher Martin Helfrich. „Wir fahren einen Kurs, der von großer Zurückhaltung geprägt ist – weitreichende Lockerungen, die in vielen Politikfeldern gefordert wurden, sind nur sukzessive und immer unter Beobachtung der aktuellen Lage umgesetzt worden.“ Ereignisse in anderen Bundesländern hätten gezeigt, „dass man jederzeit mit einem höheren Infektionsgeschehen rechnen muss“.
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Insbesondere die Regelungen zum Tragen einer Mund-und-Nasen-Maske hätten sich als wirksam erwiesen, so Helfrich – auch mit Verweis auf neue Entscheidungen zur Maskenpflicht in Nachbarstaaten.
Zweite Welle: Tests am Drive-in
Im Falle einer zweiten Welle wäre die Stadt in der Lage, zügig „Drive-in-Testzentren“ in allen sieben Bezirken einzurichten. Das Konzept sei mit der Kassenärztlichen Vereinigung abgestimmt, schreibt der Senat in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bürgerschaftsabgeordneten Anna von Treuenfels-Frowein. Insgesamt hat die Stadt demnach bereits rund 288 Millionen Euro zur Bewältigung der Corona-Pandemie ausgegeben.
Seit März wurden in Hamburg 335 Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeit neu eingerichtet oder befänden sich in Planung, hieß es.
Damit die zuletzt sehr niedrigen Infektionszahlen in Hamburg nach den Sommerferien nicht wieder in die Höhe schnellen, hat die Sozial- und Gesundheitsbehörde am Dienstag ihre Warnung an Reiserückkehrer erneuert. Wer aus Risikogebieten zurück nach Hamburg komme, müsse sich für 14 Tage in Quarantäne begeben, wenn kein negativer, gültiger Test vorliege, sagte Behördensprecher Helfrich.
Quarantäne und Bußgeld-Androhung
Zudem sei eine Meldung beim Gesundheitsamt erforderlich. Die Stadt überprüfe anhand der Angaben der Fluggesellschaften, wer aus Risikogebieten komme. Wer gegen die Auflagen verstoße, dem drohe ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro.
In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Abgeordneten Anna von Treuenfels-Frowein hat der Senat jetzt dargelegt, wie er sich auf eine mögliche zweite Welle vorbereitet hat. Demnach wurden nach einem Mangel an Schutzkleidung zu Beginn der Pandemie mittlerweile zehn Millionen Einmalhandschuhe und insgesamt fast 15 Millionen Schutzmasken der unterschiedlichen Qualitätsklassen beschafft (FFP2 und 3, OP- und Stoffmasken).
Vom Bund sind laut Senat 80 Beatmungsgeräte geliefert worden, zudem hätten die Kliniken Geräte in Eigenregie beschafft, sodass 335 zusätzliche Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeiten entweder aufgebaut worden oder in Planung seien.
Hamburg: Auch bei zweiter Welle keine Schwerpunktkliniken
Insgesamt seien bereits fast 288 Millionen Euro für die Bekämpfung und Bewältigung der Pandemie ausgegeben oder als „Ermächtigungen“ für die Fachbehörden bereitgestellt worden. Für das gesamte laufende Jahr hat die Bürgerschaft sogar schon 1,2 Milliarden Euro bewilligt.
Anders als etwa kürzlich im Abendblatt vom Herzspezialisten Prof. Karl-Heinz Kuck gefordert, will Hamburg auch im Falle einer zweiten Welle keine Corona-Schwerpunktkliniken einrichten, sondern Patienten weiter in allen Krankenhäusern behandeln lassen. Die „dezentrale Verteilung der Covid-19-Fälle auf unterschiedliche Krankenhäuser“ habe sich „bewährt“, so der Senat in seiner Antwort auf die FDP-Anfrage. Allerdings liegt demnach ein fertiges Konzept für bei Bedarf schnell einzurichtende „Drive-in-Testzentren“ in allen sieben Bezirken vor, in denen Hamburger mit dem Auto vorfahren und sich testen lassen könnten.
Eine Studie zu Langzeitfolgen bei Covid-19-Erkrankten, wie sie zuletzt häufiger beobachtet werden, plant Hamburg nicht, auch gibt es keine speziellen Hilfsangebote für Betroffene. Ihnen stünden „die vielfältigen Versorgungsangebote in Hamburg zur Verfügung“, so der Senat.
Das kritisiert FDP-Politikerin Treuenfels. „Es zeichnet sich immer deutlicher ab, dass Corona für viele Infizierte mit einer ersten Ausheilung keineswegs bewältigt ist. Stattdessen mehren sich Berichte über schwerwiegende Spätfolgen für Lunge, Niere oder Herz“, so von Treuenfels-Frowein. „Rot-Grün und die Gesundheitssenatorin tragen dieser Entwicklung überhaupt nicht Rechnung, wenn sie nur ,Angebote zur Stressbewältigung‘ oder ,Selbsthilfegruppen‘ als wirkungsvolle Hilfen für Nacherkrankte ansehen. Hier muss dringend mit breiter Analyse und einen zielgerichteten medizinischen Angebot nachgearbeitet werden, bevor Corona-Infizierte weiter zu Schaden kommen.“
FDP-Politikerin Treuenfels: Schwerpunktkliniken überfällig
Die einzige FDP-Bürgerschaftsabgeordnete übt auch Kritik am Festhalten des Senats an der dezentralen Versorgung von Covid-19-Patienten in allen Hamburger Kliniken. Die Bildung von Schwerpunktkliniken sei „überfällig, damit dort erfolgreicher behandelt werden kann und für Patienten in anderen Krankenhäusern die Ansteckungsgefahr sinkt“. CDU-Gesundheitspolitiker Stephan Gamm sagte, die Gefahr einer zweiten Welle sei „real“, daher müsse man „alles dafür tun, ein unkontrolliertes Infektionsgeschehen zu unterbinden“. Dafür könnten „kostenlose Tests für alle Hamburgerinnen und Hamburger ein probates Mittel sein“, so Gamm.
„Insbesondere mit Blick auf die baldigen Urlaubsrückkehrer sollten entsprechende niedrigschwellige Angebote am Hamburger Flughafen, den Bahnhöfen und anderen Orten gemacht werden.“ Es gebe „um uns herum wieder vereinzelt auftretende Infektionsherde und in der Folge eine Rücknahme bereits erfolgter Öffnungen mit allen negativen Folgen für die Wirtschaft und das gesellschaftliche Leben“. Das müsse „in Hamburg mit aller Kraft verhindert werden“, so Gamm.
Linken-Gesundheitspolitiker Deniz Celik kritisierte, dass in Hamburg zu wenig getestet werde. „Der Senat muss endlich dafür sorgen, dass die Testkapazitäten in Hamburg voll ausgeschöpft und erweitert werden, was zurzeit nicht der Fall ist“, so Celik. „Es ist nicht nachzuvollziehen, weshalb in Krankenhäusern oder Schulen keine Reihen- oder Poolingtests durchgeführt werden.“ Auch die Einhaltung der Quarantänepflicht für Rückkehrer aus Risikogebieten werde „sehr oft nicht kontrolliert“.