Hamburg. Die Schüler Lotte Sluyter und Leonie Hägele waren bei Ausbruch der Pandmie in Neuseeland. Beide entschieden sich, dort zu bleiben.

Als sich die Schiebetüren zum Ankunftsbereich öffnen, gibt es kein Halten mehr bei den sichtlich erleichterten Familienmitgliedern und Freunden. Mit bunten Plakaten und Ballons wurden zwei ganz spezielle Rückkehrer begrüßt. Leonie Hägele und Lotte Sluyter hatten sich im Rahmen eines Schüleraustausches in Neuseeland aufgehalten.

Dann kam Corona. Im April hatten beide die Chance, mithilfe des Auswärtigen Amtes Neuseeland zu verlassen, entschieden sich jedoch dagegen. Nun sind sie die ersten Austauschschülerinnen, die nach dem strengen Lockdown auf eigene Faust nach Hamburg zurückgereist sind.

Rückholaktion des Auswärtigen Amtes nutzen?

Dass die Hamburgerinnen jetzt wieder zu Hause sind, hat mit dem sinkenden Infektionsgeschehen in ihrem Gastland zu tun. Seit dem 2. Juli ist die uneingeschränkte Einreise aus Neuseeland wieder möglich. Nach dem weltweiten Ausbruch von Covid-19 hatte das Auswärtige Amt Deutsche von überall auf der Welt in einer groß angelegten Rückholaktion mithilfe von privat gecharterten Flugzeugen in ihre Heimat zurückgeholt, darunter mehr als 10.000 Urlauber und Bewohner aus Neuseeland.

Als sie die Nachricht erreichte, dass ein Platz auf einem der 26 Rückflüge nach Deutschland verfügbar war, hatten die Schülerinnen nur 48 Stunden Zeit, um sich zu entscheiden. Nach engem Austausch mit ihrer besten Freundin, die sich ebenfalls in Neuseeland befand, beschloss Leonie, bei ihrer Gastfamilie in Christchurch zu bleiben.

Die 15-jährige Lotte erzählt, dass sie sich in ihrer Entscheidung gegen die Eltern durchsetzen musste: „Meine Eltern wollten eigentlich, dass ich früher gehe, aber weil ich vor Ort viel bessere Möglichkeiten hatte, die Zeit zu verbringen, konnte ich sie überreden“.

Monate im Lockdown auf einer großen Farm mit vielen Pferden

Lotte Sluyter war ursprünglich über die in Hamburg ansässige Austausch­organisation Hausch und Partner nach Neuseeland gereist, um die Landschaft vor Ort zu erkunden und in Outdoor-Lehrgängen näher zu erforschen. Für die Eimsbüttelerin hätte das halbe Jahr in Motueka, einem kleinen Ort am Rande des Abel Tasman Nationalparks auf der Südinsel Neuseelands, keine größere Umstellung zum Leben in ihrer Heimatstadt darstellen können. Die Monate im Lockdown hat sie bei ihrer Gastfamilie auf einer großen Farm mit vielen Pferden, Kühen und Schafen ausgeharrt. Für die begeisterte Reitsportlerin war das ein Segen.

Denn so konnte sie in der Zeit, in der sie auf die Schule verzichten musste, nicht nur reiten, sondern zusätzlich dabei helfen, die Tiere zu pflegen. Auch Spaziergänge durch den nahe gelegenen Nationalpark mit ihrer Gastschwester hat sie als aufregende Erinnerungen an die einsamen Monate behalten.

Coronavirus – die Fotos zur Krise

Ihre Mitreisende Leonie Hägele berichtet von einer komplett anderen Erfahrung. Die 17-Jährige aus Winterhude hat das letzte Schuljahr in Christchurch an der zweitgrößten Highschool Neuseelands verbracht. Die musikbegeisterte Zehntklässlerin hat die weite Reise auf sich genommen, um neue Menschen kennenzulernen und ihre Englischkenntnisse zu verbessern.

Sicheres Gefühl

Für sie hätte sich eine vorzeitige Rückkehr aufgrund von Corona nicht richtig angefühlt, so sagt sie. Auch wenn Leonie Hägele im Gegensatz zu Lotte Sluyter unter strengem Hausverbot stand, haben ihr die konsequenten Kontaktbeschränkungen und die nur wenigen Infizierten vor Ort ein sicheres Gefühl gegeben.

Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern hatte bereits nach vereinzelten Corona-Fällen auf dem Inselstaat einen umfassenden Lockdown ausgerufen. Den Einwohnern blieben nur zwei Tage, um sich in Hausgemeinschaften zusammenzufinden, mit denen sie die nächsten Wochen verbringen würden. Vom 19. März an durften keine Außenstehenden mehr nach Neuseeland zurückkehren. Anfang Juni hatte die Regierung alle Beschränkungen wieder aufgehoben, da es über zwei Wochen keine Neuinfektionen gab. Neuseelands Weg aus der Corona-Krise wurde weltweit stark beachtet.

Risiko ist ihnen bewusst

Welches Risiko die beiden Schülerinnen und ihre Familien mit ihrer Entscheidung eingegangen sind, ist ihnen bewusst. „Es hätten alle Fälle eintreten können. Sie wird krank, wir werden krank oder ihre Gastfamilie. Wir wären dann einfach machtlos gewesen. Am Ende ist zum Glück alles gut gegangen“, merkt Lottes Mutter an.

In Hamburg freuen sich die beiden Mädchen erst einmal auf einen langen Sommer mit ihren Freunden und dann auf den folgenden Schulstart. Leonie möchte in zwei Jahren ihr Abitur am Margaretha-Rothe-Gymnasium machen. Lotte setzt die zehnte Klasse am Helene-Lange-Gymnasium fort.