Hamburg. Wegen einer Sanierung braucht die August-Hermann-Francke-Schule ein Ausweichquartier – auf der Uhlenhorst war sie nicht willkommen.

Beeindruckende Gründerzeitvillen neben modernen, ansprechenden Geschosswohnungsbauten, alter Baumbestand und die Außenalster gleich um die Ecke – die Umgebung des Theresienstiegs auf der Uhlenhorst ist ein fast verschwiegenes Idyll mitten in der Stadt. Der Lärm von Schulkindern wird die Ruhe und Abgeschiedenheit des Ortes auch künftig nicht stören.

Der Plan, dass rund 300 Jungen und Mädchen für zwei Jahre in einem leer stehenden Bürogebäude am Theresienstieg unterrichtet werden, ist gescheitert – am Widerstand der Nachbarn.

August-Hermann-Francke-Schule braucht Übergangsquartier

Darum geht es: Die August-Hermann-Francke-Schule, eine christliche Bekenntnisschule, will am Standort Bachstraße (Barmbek-Süd) einen Neubau errichten, der genügend Platz für die Stadtteilschule und das Gymnasium bietet, das im Aufbau ist. Für die zweijährige Bauzeit müssen Schüler und Lehrer in ein Übergangsquartier ziehen.

Da kam das Angebot des Bauunternehmens Otto Wulff, das von der Firma nicht mehr genutzte Bürogebäude am Theresienstieg zu übernehmen, gerade recht. „Der Standort war für uns ideal. Man kann das Gebäude als Schule nutzen, und es ist nicht weit von der Bachstraße entfernt“, sagt Florian Meyerhöfer, Vorstandsvorsitzender des Trägervereins der August-Hermann-Francke-Schulen Hamburg.

Am 25. November 2019 stellte die Schule den Antrag auf Nutzungsänderung des Bürogebäudes (technisch: eine Befreiung von der bisherigen Nutzung) beim zuständigen Bezirksamt Hamburg-Nord.

Schule wollte für zwei Jahre von Barmbek auf die Uhlenhorst

„Es sah gut für uns aus, man machte uns Hoffnung“, sagt Meyerhöfer. Nachforderungen zum nötigen Umbau, die das Bezirksamt im Januar 2020 stellte, seien realistisch gewesen. Grundsätzlich sei das Areal zwar als reines Wohngebiet ausgewiesen, aber eine Ausnahme für die Nutzung des Gebäudes als Schule sei möglich, so die Aussage des Bezirksamtes, wenn die Anwohner zustimmten.

Im Februar folgte dann die Befragung der Nachbarn am Theresienstieg. „Wir hätten uns gern den Anwohnern vorgestellt und wären mit ihnen ins Gespräch gekommen. Aber das war zeitlich nicht möglich“, sagt Meyerhöfer. Die Schule schaffte es nur noch, ein Schreiben Meyerhöfers in die Briefkästen der umliegenden Häuser zu stecken.

„Wir sind eine christliche Privatschule in der Nachbarschaft … Wir freuen uns, dass wir ab August 2020 für zwei Jahre das Gebäude im Theresienstieg 11 mieten können. Uns ist daran gelegen, in der zweijährigen Interimsphase ein möglichst angenehmer Nachbar zu sein“, schrieb Meyerhöfer und hob „das kon­struktive und wertschätzende Miteinander“ der Schüler hervor. Im Übrigen handele es sich um eine Halbtagsschule, der Unterricht ende um 13.25 Uhr.

Nachbarn lehnten Barmbeker Schüler geschlossen ab

Im April erreichte die Schule dann die ernüchternde Nachricht, dass sich die Nachbarn angeblich zu 100 Prozent gegen die Schulnutzung ausgesprochen hätten. „Das war sehr enttäuschend“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Schulvereins. Ihm sei erläutert worden, dass die Gefahr bestehe, dass Anwohner gegen eine Ausnahmegenehmigung klagen könnten, wenn das Bezirksamt sie dennoch erteilte.

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Als die Elternvertreter Anja Lyngbye und Stefan Gazinski vor wenigen Tagen mit einer E-Mail an Bezirksamtsleiter Michael Werner-Boelz (Grüne) einen letzten Versuch starteten, kam die Antwort prompt. „Leider hat das Bezirksamt in dieser Angelegenheit überhaupt keine Möglichkeit, die Nutzungsänderung zu genehmigen. Das eigentlich geplante Ausweichquartier liegt in einem reinen Wohngebiet“, schreibt Dezernent Udo Franz, der Werner-Boelz während dessen Urlaub vertritt.

Für eine solche Nutzungsänderung sei „rechtlich unbedingt eine Nachbarbeteiligung erforderlich“, so Franz. „Obwohl es sich um eine temporäre Nutzung handelt, haben sich fast alle Nachbarn gegen die Nutzung als Schule ausgesprochen“, schreibt der Dezernent für Steuerung und Service und setzt hinterher: „Wir hätten gern die temporäre Nutzung als Ausweichquartier ermöglicht, sind aber an das Votum der Nachbarn gebunden. Natürlich finde ich es für die Kinder außerordentlich bedauerlich, einen so langen Schulweg hinzunehmen.“

Schüler müssen nun täglich nach Bergedorf pendeln

Denn darauf läuft es jetzt hinaus: Nach den Sommerferien müssen die 300 Schüler und Schülerinnen der August-Hermann-Francke-Schule in Barmbek-Süd mit extra angemieteten Bussen täglich nach Bergedorf gefahren und wieder zurückgebracht werden – Fahrzeit pro Strecke: bis zu einer Stunde. Die dortige August-Hermann-Francke-Schule hat einen kürzlich fertiggestellten Neubau, der noch nicht voll genutzt wird und genügend Platz bietet, weil sich das dortige Gymnasium ebenfalls im Aufbau befindet. Allein das für die Eltern kostenfreie Shuttle-Angebot mit vier Bussen auf zwei Linien (von Steilshoop über Barmbek nach Bergedorf und von Rahlstedt über Wandsbek nach Bergedorf) kostet rund 1000 Euro täglich, die der Schulträger übernimmt.

„Alle Versuche, zum Beispiel über die katholischen oder staatliche Schulen an leer stehende Räume zu kommen, führten zu keinem Erfolg“, sagt Meyerhöfer. Eine Verschiebung des Neubaus am Standort Bachstraße sei verworfen worden, weil die Baukosten dann weiter steigen würden und das Vorhaben am Ende nicht mehr finanzierbar sei.

„Wir sind frustriert. Für uns bedeutet das eine deutliche Verlängerung des Schulwegs und geschrumpfte Nachmittage“, sagt Anja Lyngbye, Elternvertreterin der privaten Stadtteilschule. „Was ist, wenn ein Kind vormittags krank wird? Und es finden weniger Freizeitaktivitäten statt, weil die Kinder später zu Hause sind“, sagt Stefan Gazinski, Elternvertreter des Gymnasiums. Schulträger-Vorstand Meyerhöfer nennt das tägliche Pendeln nach Bergedorf „unbequem und schwierig“