Hamburg. Nebenkläger berichten, wie sie das KZ nur ganz knapp überlebt haben. Juristisch sind sie Opfer eines Mordversuchs.
Im Prozess gegen einen ehemaligen Wachmann im KZ Stutthof will das Landgericht Hamburg die Anklage auf die Beihilfe zum vollendeten Mord beschränken. Wie die Strafkammer am Mittwoch verkündete, soll es nur um Tötungen in dem Lager bei Danzig im angeklagten Tatzeitraum 1944/45 gehen.
Die Staatsanwaltschaft hatte diese Beschränkung angeregt, weil sie befürchtet, dass das Verfahren gegen den 93 Jahre alten Angeklagten sonst nicht zu Ende gebracht werden kann. Dem Angeklagten wird Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen vorgeworfen. Er soll durch seinen Wachdienst in dem Lager bei Danzig zwischen dem 9. August 1944 und dem 26. April 1945 „die heimtückische und grausame Tötung insbesondere jüdischer Häftlinge unterstützt“ haben.
Die Anklage habe den Vorwurf der Beihilfe zum versuchten Mord nicht ausdrücklich ausgeschlossen, erläuterte ein Gerichtssprecher. Bei der Zulassung der Nebenkläger, meist hochbetagte Überlebende, sei er aber „mitgedacht“ worden. Eine Beihilfe zum Mordversuch nach 75 Jahren nachzuweisen, wäre für das Gericht aber sehr schwierig.
Stutthof-Prozess: Was die Entscheidung bedeutet
Die Entscheidung der Strafkammer ist für viele der 40 Nebenkläger bedeutsam. Sofern sie selbst überlebt haben, können sie dem Angeklagten nur Beihilfe zu einem Mordversuch vorwerfen. Wurden jedoch ihre Angehörigen ermordet, muss belegt werden, dass diese im Tatzeitraum in Stutthof oder einem seiner Außenlager umkamen.
Der Nebenklagevertreter Mehmet Daimagüler kritisierte den Beschluss des Gerichts, die Anklage zu beschränken. Das Hamburger Verfahren biete eine der letzten Möglichkeiten, Überlebende als Erkenntnisquelle zur NS-Herrschaft heranzuziehen. Die Nebenkläger drohten nun zu Zaungästen des Verfahrens zu werden. „Das ist juristisch falsch, das ist moralisch falsch“, betonte der Anwalt. Dennoch stimmte die Mehrzahl der Nebenkläger der Beschränkung zu.
Der Gerichtssprecher wies darauf hin, dass sie im laufenden Prozess in jedem Fall ihren Status behalten. Sollte es aber zu einem Revisionsprozess kommen, könnten nur jene Nebenkläger beteiligt bleiben, deren Angehörige nach Überzeugung des Landgerichts mit Beihilfe des Angeklagten ermordet wurden. Der Prozess soll am Montag mit dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft fortgesetzt werden.