Hamburg. Insektenhotels, Bienenvölker und Themengärten hauchen der alten Bestattungskultur in Hamburg neues Leben ein.

Die Eröffnungsfeier ist coronabedingt ausgefallen. Und doch führten Hunderte Besucher gegenüber vom Volksparkstadion ihren Tanz auf. Dafür verantwortlich war Imkermeister Christoph Antholz (54). Er siedelte am Dienstagvormittag zwei Bienenvölker neben den Erinnerungsgärten am Friedhof Altona an. „Ich finde es toll, dass wir hier Bienen aufstellen dürfen. Das ist großartig“, sagt Antholz. Der Hamburger Sommer sei für Bienen „traumhaft feucht“, die Friedhofslinden und die jungen Gärten eine gute Nahrungsquelle.

Die Friedhofsgärtnerei Rehder betreut die Grünfläche. Deren Inhaber haben sich den Bienenstock für die Anlage gewünscht. „Ich freue mich über jede Biene, die ich in den Erinnerungsgärten höre und sehe“, sagt Kirsten Rehder (57), die die Friedhofsgärtnerei gemeinsam mit Ehemann Lars Rehder (48) führt. Die beiden setzen bei ihrem Konzept der Erinnerungsgärten auf Artenvielfalt, buddeln dafür insektenfreundliche Pflanzen in die Beete. Oberirdisch erkennt ein Ortsunkundiger kaum, was sich unterirdisch befindet. Nur ein paar Grabsteine und Mustergrabmale weisen auf die eigentliche Nutzung der Gartenanlage hin: Sie dient als letzte Ruhestätte, bietet unterirdisch Platz für bis zu 130 Urnen- und Sarggräber.

Frischer Wind in Altonaer Bestattungskultur

Die Gartenanlage vereint sechs Themengärten: Im „Garten der Lichter“ stehen Laternen für Grabkerzen, Seegräser wachsen im „Küstengarten“ um einen Leuchtturm aus Holz, und Spalierobst reift im „Bauerngarten“. Die restlichen Abschnitte sind den Themen „Naturgarten“, „Pfade der Erinnerung“ und „Spuren des Lebens“ gewidmet. Die eingebuddelten Pflanzen werden für Beisetzungen aus der Erde gehoben und später wieder eingesetzt.

Einer der sechs Erinnerungsgärten erinnert an norddeutsche Küstenregionen.
Einer der sechs Erinnerungsgärten erinnert an norddeutsche Küstenregionen. © Michael Rauhe

Um die blühende Gartenanlage summen Imkermeister Antholz’ Bienenvölker, wilde Hummeln und andere Tierchen, die in drei Insektenhotels Platz finden. Das bunte Gartenleben soll der Bestattungskultur neues Leben einhauchen. Gerade rechtzeitig, meinen die Rehders, die besorgt den Trend hin zu verwaisten Friedhofsgräbern und anonymen Bestattungen beobachtet haben. Sie sind der Meinung, Menschen hätten heutzutage keine Lust mehr auf Grabpflege, weshalb sie ein anonymes, pflegeleichtes Sammelgrab unter der Wiese vorzögen – möglicherweise auch, weil ihnen ein professioneller Grabgärtner zu teuer ist. Die Rehders stemmen sich mit ihrem Gartenkonzept gegen den Trend.

Menschen lächeln, wenn sie die Gärten sehen

„Es ist uns wichtig, dass wir die Bestattungskultur erhalten. Jeder sollte seinen Namen am Grabstein tragen“, sagt Kerstin Rehder. Seit Ende Mai bietet die Friedhofsgärtnerei ein „Rund-um-sorglos-Paket“ an: Bepflanzung, Pflege und natürlich ein Grabmal inklusive Inschrift. Nach 25 Jahren ist Schluss. Gegen Gebühr können Kunden die Nutzungsdauer verlängern oder sich vorab ein Grab reservieren. Die Friedhofsgärtner Genossenschaft Hamburg verwaltet das Geld treuhänderisch. Das kostet. Doch der gleiche Service am konventionellen Friedhofsgrab sei teurer, sagt Lars Rehder. „Wenn Sie Äpfel mit Äpfeln vergleichen, ist die Bestattung in den Erinnerungsgärten günstiger. Wenn sie Äpfel mit Birnen vergleichen, nicht.“

Ohne Gärtner und teuren Grabstein könne das Grab auf dem Friedhof günstiger sein. Rechne man aber die Kosten von Friedhofsgebühren, professioneller Grabpflege und Stein zusammen, sei die Beisetzung im Erinnerungsgarten kostengünstiger als auf dem Friedhof. Zwischen 5500 und 12.000 Euro verlangen die Inhaber für ein Einzelgrab auf der Gartenanlage.

Imkermeister Christoph Antholz siedelt zwei Bienenvölker an den Erinnerungsgärten auf dem Friedhof Altona an.
Imkermeister Christoph Antholz siedelt zwei Bienenvölker an den Erinnerungsgärten auf dem Friedhof Altona an. © Michael Rauhe

„Gepflegte Nachbarschaft ist vielen wichtig, die sich ein Grab sichern wollen. Es bringt nichts, wenn ich mein Grab schön habe und das andere sieht aus wie Hulle“, sagt Chefgärtner Rehder und spielt damit auf die fehlende Grabpflege mancher Friedhofsabschnitte an. Seine Kunden wüssten das zu schätzen. Er berichtet von den Reaktionen der Friedhofsbesucher. Die Menschen lächeln, wenn sie die Gärten sehen. Die At­mosphäre ist eine andere. Er und seine Ehefrau beobachten, dass viele Interessenten an Wochenenden einen Ausflug in die Gärten machen. Sie erzählen von Kunden, die sich ursprünglich anonym, im Wald oder auf der See bestatten lassen wollten und dann ihre Pläne eingerissen haben. „Ich habe das Gefühl, die Leute haben auf so eine zündende Bestattungsidee gewartet. Kaum haben sie davon gehört, wussten sie, dass sie darauf gewartet haben“, sagt Kisten Rehder.

Hamburger reservieren Gräber Jahre vorher

Seit der Eröffnung vor einem Monat sei jeden Tag ein Vertrag dazugekommen, fast immer mit Reservierung. Das Doppelgrab unter dem Olivenbaum habe sich ein Ehepaar reserviert, das sich auf Kreta kennengelernt habe. „Sprichwörtlich unter der Olive“, erklärt Kirsten Rehder. Bisher haben erst zwei Beisetzungen stattgefunden, und eine friedhofsinterne Umsetzung ist geplant. Die Eltern des Verstorbenen haben sich ein Familiengrab gesichert, damit ihre Namen auf einem Grabstein stehen können. Sie nutzen einen Sargabschnitt für drei Urnen.

Mit der hohen Nachfrage haben die Gärtnereiinhaber nicht gerechnet. „Wenn die Zeit reif ist, werden wir die Gärten erweitern“, sagt Lars Rehder. Auf der Fläche blühen aber gerade die Wildblumen namens Phacelia, besser bekannt als Bienenweide oder Bienenfreund. Sie locken Wildbienen und Hummeln an.

Die Bienen profitieren von der Umgebung. Von den Friedhofslinden und bunten Phacelia sammeln sie ihren Nektar.
Die Bienen profitieren von der Umgebung. Von den Friedhofslinden und bunten Phacelia sammeln sie ihren Nektar. © Michael Rauhe

Auch dahinter befindet sich noch Erweiterungsfläche, aber da steht seit Dienstagvormittag der Bienenstock mit den zwei jungen Bienenvölkern, von denen die Rehders noch nicht wissen, wie lange Imkermeister Antholz sie auf der Friedhofswiese ansiedelt.