Hamburg. Mit der Verlesung der Anklage hat der Prozess gegen den 187-Strassenbande-Frontmann begonnen. Das wird ihm vorgeworfen.
Er grinst, er posiert. Er reckt in Siegergeste die Arme hoch. Zurückhaltung ist bekanntermaßen nicht die Sache von Rapper Gzuz. Kaugummi kauend, mit schlenkernder dicker Goldkette um den Hals und goldener Protzuhr am Handgelenk schlendert der Frontmann der Hip-Hop-Band 187 Strassenbande über den Flur zum Gerichtssaal, das Handy zum Filmen erhoben.
Es ist wohl die Antwort des Mannes, der mit seiner Musik und bei Auftritten mit Vorliebe das Bad-Boy-Image pflegt, auf das Blitzlichtgewitter, mit dem er empfangen wird. Aufmerksamkeit zahlt sich aus. Und in seinem Metier, dem Gangsta-Rap, sowieso.
Prozessauftakt: Gzuz zeigt sich amüsiert vor Gericht
Als Statement des Rüpel-Musikers könnte man vielleicht das T-Shirt verstehen, das er für diesen Tag im Prozess vor dem Amtsgericht ausgesucht hat: ein Stück des Edel-Herstellers Versace, das die Medusa zeigt — jene bedrohliche Figur aus der griechischen Mythologie, deren Blick jeden zu Stein erstarren ließ.
Doch zunächst einmal zeigt sich Gzuz, bürgerlich Kristoffer Klauß, nicht angriffslustig, sondern amüsiert. „Sie haben Spaß! Ich merke das“, frotzelt der 31-Jährige vor Prozessbeginn gegenüber dem zuständigen Amtsrichter Johann Krieten — und strahlt dabei selber über das ganze Gesicht. Als wäre Gzuz zum Vergnügen im Prozess und nicht, weil die Staatsanwaltschaft dem Rapper mehrere Straftaten, unter anderem Verstoß gegen das Waffengesetz und Körperverletzung, vorwirft.
TV-Verteidiger stellt Befangenheitsantrag gegen Richter
Doch Krieten, bekannt für sein entschiedenes Auftreten, ist weit davon entfernt, sich etwa auf einen kumpelhaften Dialog mit dem Angeklagten einzulassen. „Herr Klauß, Sie möchten Ihr Kaugummi loswerden“, mahnt er den 31-Jährigen. Und der Rapper spurt.
Doch noch bevor die Anklage verlesen wird, wird deutlich, dass dieses Verfahren nicht allzu harmonisch ablaufen wird. Über seinen Verteidiger Christopher Posch, bekannt aus RTL-Sendungen wie „Das Jugendgericht“ und „Alarm für Cobra 11“, stellt Gzuz einen Befangenheitsantrag gegen Krieten.
Posch stellt Strafanzeige gegen Krieten
Es bestünden Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richters, begründet der Verteidiger den Antrag. So habe Krieten, nachdem Klauß zu einem früheren geplanten Gerichtstermin im Februar nicht erschienen und eine polizeiliche Vorführung zunächst nicht gelungen war, den Angeklagten in Untersuchungshaft genommen — und das, obwohl sich Klauß noch am selben Tag um die Mittagszeit persönlich im Gericht gemeldet habe.
Der Erlass eines Haftbefehls sei unter diesen Umständen „nicht statthaft“ gewesen, argumentiert Verteidiger Posch. Weil sein Mandant bis zu einer Zahlung von 100.000 Euro Kaution nach seiner Überzeugung mehrere Stunden zu Unrecht im Gefängnis gesessen habe, habe er, so Posch, auch eine Strafanzeige gegen Richter Krieten wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung gestellt.
Gangster-Rapper vor Gericht: Drogen, Waffen und Gewalt
Über den Befangenheitsantrag wird erst später entschieden. Zunächst einmal wird an diesem ersten von mindestens drei Verhandlungstagen über die Vorwürfe verhandelt, die die Staatsanwaltschaft gegen Rapper Gzuz erhoben hat.
Sie wirft Kristoffer Klauß unter anderem vor, in der Silvesternacht 2018/2019 aus einer Schreckschusspistole mehrere Schüsse mit pyrotechnischer Munition abgefeuert und davon Videoaufnahmen im Internet hochgeladen haben. Zudem ist der mehrfach vorbestrafte 187-Strassenbande-Frontmann angeklagt, auf der Reeperbahn einer Frau mit der flachen Hand in das Gesicht geschlagen zu haben.
Darüber hinaus wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor, am 23. Dezember vergangenen Jahres in seinem Haus in Halstenbek eine ungeladene Schreckschusswaffe und einen Teleskopschlagstock aufbewahrt zu haben. Zu einem anderen Zeitpunkt wurden demnach rund 15 Gramm Marihuana in seiner Wohnung gefunden.
Polizei durchsucht Wohnung und findet etliche Männerschuhe
Die Polizei habe seinerzeit die Wohnung „taktisch betreten“, also mit einer Ramme die Tür geöffnet, schildert eine Polizeibeamtin als Zeugin. Es seien neben den kleineren Mengen Marihuana unter anderem Kontoauszüge gefunden worden, die einen „sechsstelligen Kontostand“ ausgewiesen hätten.
Die Wohnung sei „sehr unordentlich“ gewesen. In Erinnerung seien ihr zudem auffällig etliche Männerschuhe, die dort aufbewahrt wurden. Auch ein anderer Beamter, der bei der Durchsuchung dabei war, erwähnt eine „unzählige Menge“ von Schuhen. „Das habe ich in der Form noch nicht gesehen. Es war ein mittlerer zweistelliger Wert.“
Das ist die 187 Strassenbande:
- Die 187 Strassenbande ist ein Kollektiv aus mehreren Hamburger Hip-Hop-Künstlern
- Die bekanntesten Rapper sind Bonez MC und Gzuz
- Gründer Bonez MC (bürgerlich: Johann Lorenz Moser) gilt als kreativer Kopf, Gzuz (bürgerlich: Kristoffer Jonas Klauß) als Gesicht der Gruppe
- Der 187 Strassenbande gehören außerdem die Rapper LX, Maxwell und SA4, der Produzent Jambeatz sowie die Sprayer Frost und Track an
- Der Musikstil der Strassenbande ist dem Genre Gangsta-Rap zuzuordnen
- Die Mitglieder der 187 Strassenbande geraten wiederholt in Konflikt mit der Polizei, vor allem wegen Drogen und Waffen
- Der Name der Gruppe leitet sich aus dem US-amerikanischen Polizeicode "187" ab
- 187 ist außerdem die Nummer des Paragraphen im kalifornischen Strafgesetzbuch, in dem Mord behandelt wird
- Keimzelle der 187 Strassenbande ist St. Pauli, dort befindet sich auch das eigene Tattoostudio 187 Ink
Gzuz feuerte wahrscheinlich Schreckschusspistole ab
Schließlich wird im Prozess ein YouTube-Video abgespielt, das der Gangsta-Rapper Silvester 2018 hochgeladen haben soll und das ihn beim Abfeuern einer Waffe und danach beim Jubeln und in Siegerpose zeigt, dazu der Schriftzug: „Kommt gut rein.“ Ein Gutachter der Innenbehörde sollte anhand des Videos herausfinden, um was für eine Waffe es sich handelte.
Es sei mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine Schreckschusspistole, also eine Gaspistole gewesen, erklärt der Sachverständige im Prozess. Aber er könne die Waffe auf dem Video nicht eindeutig erkennen. Dies ist einer der wenigen Momente, in denen der angeklagte 187-Strassenbande-Frontmann nicht seinen Verteidiger für ihn sprechen lässt, sondern selber das Wort ergreift. Als der Gutachter erklärt, die Waffe sei „zu unscharf“, lacht der Rapper: „Im wahrsten Sinne!“