Hamburg. 5000 junge Hamburger auf Antikörper getestet. Zwischenergebnisse zu Vorerkrankungen, Infektionsketten und den Auswirkungen Corona-Maßnahmen.

Seit sechs Wochen werden am Universitätsklinikum Eppendorf jeden Tag im Schnitt mehr als 100 Kinder und Jugendliche für eine große Studie auf Corona getestet: „Mein Team arbeitet bis zu 14 Stunden pro Tag, die Kinder kommen mit ihren Eltern bei Wind und Wetter“, sagt Ania C. Muntau, Leiterin des Kinder-UKE und der C-19-Child-Studie.

Studie im UKE: Bisher 5000 Kinder auf Corona getestet

Bei 5000 von geplanten 6000 jungen Hamburgern zwischen null und 18 Jahren ist bisher ein Nasen-Rachen-Abstrich und/oder ein Antikörpertest auf eine Covid-19-Erkrankung gemacht werden, rund 3000 sind bereits ausgewertet. Das verblüffende Zwischenergebnis: „Wir konnten bei keinem der Teilnehmer eine akute Infektion nachweisen“, so Muntau. Und nur bei 36 Kindern oder 1,5 Prozent wurden Antikörper gefunden, sie sind bereits, mehr oder weniger unbemerkt, mit dem Coronavirus in Berührung gekommen.

Sieht man sich diese Fälle genauer an, stellt man fest, dass die Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu erkranken, offenbar mit dem Alter steigt: Von den 0- bis 6-Jährigen waren nur 0,47 Prozent betroffen, von den 12- bis 18-Jährigen dagegen 1,9 Prozent. „Die Chance auf einen positiven Antikörpertest wächst von Jahr zu Jahr um acht Prozent“, sagt Muntau.

Kinder mit chronischen Vorerkrankungen weniger betroffen

Für Eltern von Kindern mit chronischen Vorerkrankungen, die in der Studie mit rund 30 Prozent deutlich überrepräsentiert waren, hat sie zudem eine beruhigende Entdeckung gemacht: „Diese sind von einer Covid-19-Erkrankung weniger betroffen als andere.“ Während bei 1,7 Prozent der Kinder ohne Vorerkrankungen der Antikörpertest positiv ausfiel, traf das bei den Kindern mit Vorerkrankungen nur auf ein Prozent zu.

Nichts aussagen kann die Studie über Infektionsketten in den Haushalten. Die Wissenschaftler haben bei den Kindern mit einem positiven Antikörpertest sowohl Familien gefunden, in denen Erwachsene an Covid-19 erkrankt waren, als auch solche, in denen das nicht der Fall war, „das Virus also von außen gekommen sein muss“.

Sind Kinder weniger ansteckend als Erwachsene?

Die Frage, ob Kinder ein niedrigeres Infektionsrisiko haben und weniger ansteckend sind als Erwachsene, könne man anhand der gewonnenen Ergebnisse auch nicht beantworten, so Muntau: „Dafür hätten wir die Studie in der Infektionswelle Anfang April machen müssen, aber das hat ja leider aus verschiedenen Gründen nicht funktioniert.“

Was sie eindeutig sagen könnte, sei, dass die in der Lockdown-Phase vorgenommenen Maßnahmen erfolgreich gewesen sind und eine Ausbreitung des Virus bei Kindern verhindert hätten. Und: „Ich glaube, dass wir in den nächsten Monaten feststellen werden, dass die These, Kinder seien für Covid-19 weniger empfänglich als Erwachsene, so nicht haltbar ist.“

Hamburg: Lockdown verhinderte Ausbreitung bei Kindern

Die Ärztin hält es für möglich, dass das, was die Hamburger und viele andere Studien ergeben haben, nur „ein Ausdruck der geringeren sozialen Kontakte ist, die die Kinder in der Lockdown-Phase hatten. Die Infektiosität unterscheidet sich voraussichtlich nicht von der bei Erwachsenen.“ Das hatte zuletzt auch immer wieder der Berliner Virologe Christian Drosten gesagt.

Fest stehe allerdings auch, so Muntau, dass die Krankheit bei Kindern und Jugendlichen in der Regel milde verläuft, selbst wenn schwere chronische Erkrankungen vorliegen. Wie milde, zeigt, dass das Kinder-UKE noch nicht einen (!) Patienten mit Covid-19 stationär aufnehmen musste.

Konsequenzen aus Studie für Öffnung von Kitas und Schulen

Was heißen diese Zwischenergebnisse nun für die Kitas und Schulen, die in Hamburg nach und nach wieder geöffnet werden? „Wir sollten dort aufmerksam sein und kontinuierliche Testungen vornehmen“, sagt Muntau. Das könnte man angesichts der Erkenntnis, dass jüngere Kinder weniger häufig erkranken als ältere, entsprechend gestaffelt tun. Und: „Man sollte vor allem die Lehrer und Betreuern im Blick haben.“

Die Studie, die von verschiedenen Stiftungen mit hohen Geldbeträgen unterstützt worden war,  soll in den nächsten Wochen abgeschlossen werden. Ursprünglich hatte Muntau mit anderen Wissenschaftlern im April 10.000 Kinder auf dem Heiligengeistfeld testen wollen. Das war am Widerspruch von Seiten der Stadt gescheitert.

Neue Corona-Zahlen aus der Intensivmedizin

Von den Kindern zu den Erwachsenen: Stefan Kluge, Leiter der Intensivmedizin am UKE, stellte am Freitag noch neue Zahlen aus seinem Bereich vor. Und die waren erfreulich niedrig: Aktuell würden im UKE nur noch sieben Covid-19-Patienten intensivmedizinisch betreut, in ganz Deutschland seien es exakt 400.

In Hamburg lag das Durchschnittsalter der Patienten, die im Verlauf der Pandemie mit dem Virus auf eine Intensivstation mussten, bei 69 Jahren, „also 20 Jahre über dem Durchschnittsalter aller Erkrankten“. Männer waren in Hamburg in 73 Prozent der Fälle betroffen, Frauen nur in 27 Prozent. Von den Mitarbeitern des UKE hätten sich weniger als zwei Prozent bei der Behandlung von Covid-19-Kranken selbst infiziert, „nicht einer davon musste bei uns stationär aufgenommen werden“, so Kluge.

Kluge: „Abstand halten, Masken tragen“

Er rät dazu, weiter vorsichtig zu sein und bei den Schutzmaßnamen, „Abstand halten, Masken tragen“, im normalen Leben nicht nachlässig zu werden. „Wir sind in Deutschland bisher sehr gut durch die Krise gekommen, das soll so bleiben.“ Und das zeigt auch noch eine letzte Zahl: In der Infektionswelle im März und April waren in der Spitze 14.000 Intensivbetten in Deutschland mit Covid-19-Patienten belegt - und damit weit weniger als die mindestens 30.000 Betten, die zur Verfügung gestanden  hätten.