Hamburg. Im Neubauprojekt Pergolenviertel in Winterhude laden mehrere Parzellen die neuen Mieter ein, selbst aktiv zu werden.
Loki Schmidt hätte ihre Freude an Parzelle 132. Die Naturschützerin mochte keine geschniegelten Gärten, und deshalb wäre das 300 Quadratmeter große Grundstück wohl ganz in ihrem Sinne. Das Gras wird hier nur unregelmäßig gemäht, mittendrin sprießen junge Himbeertriebe. Eine große Magnolie breitet sich aus, und der alte Apfelbaum ist schon lange nicht mehr beschnitten worden. Die Pflanzen dürfen wuchern und werden nicht dauernd zurechtgestutzt – manchem Kleingärtner dürfte der Wildwuchs vielleicht sogar ein Dorn im Auge sein. Aber was Bernd Tißler im Pergolenviertel plant, ist keine der üblichen Parzellen. Der frühere Schulleiter der Schule Fraenkelstraße möchte das Grundstück als barrierefreien Rückzugsort für die künftigen Anwohner gestalten – mit ihnen zusammen. Tißler wohnt selbst gar mal nicht in der Gegend, sondern in Langenhorn, aber bedingt durch die Nähe seiner damaligen Schule zum Bauprojekt, das zwischen Hebebrandstraße und Alte Wöhr entsteht, begann er sich zu engagieren, als der Prozess der Bürgerbeteiligung begann.
Beim Pergolenviertel handelt es sich um das größte Stadtentwicklungsprojekt im Bezirk Nord – vor dem Baubeginn hatten lebhafte Proteste die Planungen begleitet. Vor allem die Kleingärtner beklagten den Verlust ihrer Flächen in dem 27 Hektar großen Gebiet, auf dem zu Planungsbeginn auf 21 Hektar Parzellen verteilt waren.. Ein langer Diskussionsprozess begann. „Wir wollten nicht warten, bis alles fertig ist, sondern in den Prozess der Entwicklung eingebunden werden“, sagt Tißler.
Auf dem Platz sollen sich Leute treffen können
Aus der Initiative entstand auch die Idee, etwas für die Anwohner zu schaffen, was über die üblichen öffentlichen Grünflächen hinausgeht. Wenn man hierher zieht und so dicht an den Nachbarn lebt, ohne Balkon, und für einen eigenen Garten reichen weder die Zeit noch die Mittel, warum ganz darauf verzichten. Wir möchten einen Platz schaffen, wo sich Leute treffen können“, sagt der Pädagoge. Teil des sogenannten Projektes „Südlinie“ mit insgesamt drei Parzellen sind auch die Stadtteilschule Winterhude und der Kita-Träger Kinderwelt e. V., der gleich angrenzend eine Kita eröffnen wird. An der Südlinie soll es für alle Altersgruppen Angebote zum Mitmachen geben.
Zu dritt stellten sie den Antrag auf drei nebeneinander gelegene Flächen im neu parzellierten Kleingarten „Heimat“. Alle drei Teilprojekte wollen eng zusammenarbeiten. Ihre Laube haben die Stadtteilschüler im vergangenen Jahr selbst errichtet. Aktuell bauen die Schüler der Jahrgänge 8 bis 10 ein erstes Hochbeet für Tißlers Grundstück, in dem die aktuelle „Blume des Jahres“, die jedes Jahr von der Loki Schmidt Stiftung gekürt wird, wachsen soll. „Hier war ein völlig verwildertes Grundstück“, sagt Christian Schubert.
Der Sonderpädagoge ist an diesem Vormittag mit seinen Schülern im Garten aktiv. Der Anzuchtgarten Nord habe viele Pflanzen zur Verfügung gestellt, sagt Schubert, und neben der Kräuterspirale gibt es bereits mehrere Sitzecken – mit dem rauen Charme des Selbstgezimmerten.
Eigeninitiative stärken
„Unsere Aufgabe ist es, Eigeninitiative zu stärken“, sagt Tobias Holtz vom Quartiersmanagement des Pergolenviertels. „Wir begrüßen das Projekt sehr.“ Man versuche, das Angebot zu ergänzen. So sollen die Pergolen aus Metall, die im gesamten Quartier die Wege überspannen, möglichst durch Pflanzpatenschaften aus dem Viertel begrünt werden.
Tißlers Anliegen ist, dass jede der Pflanzen des Jahres, die seit 1985 gewählt wurden, eines Tages auf der Parzelle wächst. In diesem Jahr ist es die Moorpflanze Fieberklee. Die Wachstumsbedingungen sollen wissenschaftlich untersucht und begleitet werden. Auch Bienenstöcke sind geplant, ein Imker habe schon seine Bereitschaft erklärt, sich zu engagieren, sagt der frühere Biologie- und Sportlehrer.
Derzeit ist es noch ein wenig zu laut in der „Südlinie“, um hier wirklich idyllisch zu sein. Ein großer Bagger ebnet die benachbarte Fläche ein, auf der das nächste große Wohnhaus gebaut werden soll. Und der Lärm von der Saarlandstraße weht ebenfalls mit dem Wind herüber. Vereinzelt sind sogar Flugzeuge zu hören. Und wenn es wieder Stadtparkkonzerte gibt, werden auch die gut wahrnehmbar sein.
Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle
Auf dem Gelände der Kita steht bislang nur ein Gartenhäuschen, viel mehr ist noch nicht passiert, aber noch ist ja auch Zeit. Der Einzug der Kita in ein Gebäude der Saga sei für März 2021 geplant, sagt Jochel Blauel vom Kinderwelt Hamburg e. V., der 23 Kitas in Hamburg betreibt. Blauel moderierte nach eigenen Angaben etliche Jahre die AG Leben im Pergolenviertel und kennt die Planungen daher sehr genau. Die Kleingartenparzelle sei eine Erweiterung des Kita-Außengeländes, in dem es um spielerische Bildung gehen soll. Auch im Nordteil des Neubauprojekts wird es eine Kinderwelt-Kita geben und daneben eine Bio-Produktionsküche. „Nachhaltigkeit ist ein konzeptioneller Schwerpunkt“, sagt Blauel. Und weil das Quartier auch „eine Durchwegung zum Stadtpark sein wird“, sagt er, wolle man den Bezirk animieren, eine öffentliche Toilette zu bauen.
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Nach Angaben von Daniel Gritz, Sprecher des Bezirksamtes Nord, sind, während im Süden des Quartiers noch die Bagger rollen, die ersten Bewohner am Winterlindenweg und am Loki-Schmidt-Platz (Baufelder 2 und 3b) bereits eingezogen, etwa 250 Wohnungen sind nun bewohnt. „Der Bezug der Saga-Wohnungen im Norden am Winderlindenweg ist für den Herbst 2020 geplant. Ebenfalls im Norden erfolgt der Baustart der 120 Wohnungen plus Schwimmbad, Kita und Tagespflege der Hansa Baugenossenschaft auf den Baufeldern 5 und 6. Das Gebäude auf Baufeld 7 (Saga), im südlichen Teil des Pergolenviertels am Feldahornweg wird voraussichtlich auch 2020 fertiggestellt. Für die Wohngebäude auf den Baufelder 8, 9, 10 (im Süden) und 4 (an der Hebebrandstraße mit 200 Studierendenwohnungen und Supermarkt) liegen die Bauanträge vor und stehen teilweise kurz vor der Baugenehmigung“, so Gritz.