Hamburg. Unbekannte stahlen 2014 die imposante Figur vom Grab der Tierparkfamilie. Nun wird das beliebte Fotomotiv teuer ersetzt.

Ein gestohlenes, traditionsreiches Stück Hamburg nimmt erneut Gestalt an. Der große, fast ein Jahrhundert alte Bronzelöwe auf dem Familiengrab der Hagenbecks, früher eines der meistbesuchten Denkmäler des Ohlsdorfer Friedhofs, wird mit enormem Aufwand reproduziert.

Die 250 bis 300 Kilogramm schwere Skulptur des liegenden Raubtiers war im Januar 2014 von der Grabstätte abmontiert und wegtransportiert worden. Der Fall ist nach wie vor ein Rätsel. Wahrscheinlich ging es den Dieben um den Materialwert des in Bronze enthaltenen Kupfers. Trotz der ausgesetzten Belohnung von 10.000 Euro konnten die Täter nicht überführt werden.

Mehr als 100.000 Euro für die Neu-Anschaffung?

"Unser Familiengrab soll sich so präsentieren, wie es die Hamburger viele Jahrzehnte kannten", sagte Dr. Claus Hagenbeck bei einem Ortstermin an der Grabstelle abseits des Nordteichs. Von der Kapelle 7 aus sind es drei Minuten Spaziergang. Der 78 Jahre alte Senior der namhaften Dynastie ist gut zu Fuß.

Er versteht die Aktion als Privatangelegenheit, sprich er zahlt. Ein Hanseat seines Formats spricht nicht über Geld. Kenner indes wissen, dass die Herstellung eines solchen Kunstwerks durch einen professionellen Bildgießer nicht unter 100.000 Euro umsetzbar ist. Dabei handelt es sich um einen aufwendigen Prozess. Beauftragt wurde die Berliner Bildgießerei Hermann Noack. Der Materialwert ist der geringere Kostenteil.

Eine kleine Gipsvorlage des ursprünglichen Löwenmodells blieb erhalten. Es befindet sich im Naturkundemuseum in Düsseldorf-Benrath, stammt ungefähr aus dem Jahr 1920 und ist somit ein paar Jahre älter als die Hagenbeck’sche Grabstätte von 1913. Zuvor waren die Familienmitglieder auf dem Friedhof „St. Pauli vor dem Dammtor“ beerdigt worden. Die Grabplatten der Verstorbenen sind heute vor dem gewaltigen Felsbrocken des Familiengrabs ins Erdreich eingelassen. Die seinerzeit behördlich ausgestellten Grabbriefe und Urkunden befinden sich in Hagenbecks Archiv. Sie sind eine Hamburgensie für sich.

Die Geschichte ist eine Familien-Anekdote

Nach dem Tod des Tierparkgründers Carl Hagenbeck 1913 gaben wahrscheinlich seine Kinder den 101 Jahre später gestohlenen Bronzelöwen in Auftrag. Ebenso wie die Dinosaurier im Tierpark und die Riesentiere am Eingang stammt die bronzene Figur vom Künstler und Tierplastiker Josef Pallenberg.

Dr. Claus Hagenbeck vor dem großen Grabstein, auf dem sich der historische Bronzelöwe befand, der im Januar 2014 gestohlen wurde.
Dr. Claus Hagenbeck vor dem großen Grabstein, auf dem sich der historische Bronzelöwe befand, der im Januar 2014 gestohlen wurde. © HA | Andreas Laible

"Es handelte sich um ein Abbild des schlafenden Löwen Triest“, weiß Claus Hagenbeck. "Er war das Lieblingstier meines Urgroßvaters." In der Familie wird die Geschichte von Generation zu Generation weitergereicht. Sie ist vielfach beschrieben. Demnach stolperte und stürzte Carl Hagenbeck um 1900 in der Löwenschlucht seines Tierparks in Stellingen. Dieses lag ihm besonders am Herzen. Als sich ein Tiger auf den am Boden liegenden Menschen stürzen wollte, habe sich Triest schützend vor Hagenbeck gestellt und sein Leben gerettet.

Löwen-Grab diente als beliebtes Fotomotiv

Wie auch immer: Carl Hagenbecks Zuneigung zum Löwen Triest ist verbrieft. Nicht nur einmal ließ sich der Parkgründer an der Seite des Raubtiers fotografieren. Bis zum Diebstahl im Januar 2014 hielt Triest symbolisch Totenwache am Familiengrab.

"Die Erinnerungsstätte der Hagenbecks war ein fester Anlaufpunkt unserer Führungen", sagt Hedda Scherres im Namen der Hamburger Friedhöfe. Vor der Beisetzung von Hannelore und Helmut Schmidt sei das Familiengrab der Hagenbecks vermutlich der am häufigsten besichtigte Anlaufpunkt des Areals gewesen. Nach dem Diebstahl, von dem zuvor schon das Bronzetor vor dem Familiengrab betroffen war, trat auf Friedhofsfeld AE 15 Ruhe ein – die Station wurde vom Rundgangplan gestrichen.

Bildhauer meldet: "Volle Kraft voraus"

Wenn alles plangemäß läuft, wird sich das im Herbst dieses Jahres ändern. Im Oktober könnte der Löwe Triest seinen angestammten Platz vor dem Felsbrocken mit den Namen des Gründers Carl Hagenbeck sowie seiner Söhne Heinrich und Lorenz einnehmen – und zwar originalgetreu. Dieses Kunstwerk liegt aktuell in den Händen des Bildhauers Michael Kaul. Gemeinsam mit einem Assistenten war der 59-Jährige in der Himmelfahrtwoche drei Tage an der Ohlsdorfer Grabstelle beschäftigt, um die Form für das 1,90 Meter lange und erneut fast 300 Kilogramm schwere Raubtier abzunehmen.

Auf Basis dieses präzisen Steinabdrucks und alter Fotos will Kaul das Meisterstück vollbringen, Triest exakt so in Ton zu modellieren, wie es vor dem Diebstahl aussah. "Volle Konzentration und Liebe zum Detail sind Voraussetzung", sagte der Bildhauer dem Abendblatt. Sein Talent verschweigt er bescheiden. Wohl im August wird Dr. Claus Hagenbeck nach Berlin fahren, um die Tonvorlage abzunehmen. Als weitere Arbeitsschritte stehen eine Negativform und anschließend ein Wachspositiv auf dem Programm. Zum Finale eines aufwendigen Prozesses wird der Löwe in Teilen gegossen und zusammengeschweißt.

Auch die Grabplatten werden herausgeputzt

Bis dahin sollen auch die Grabplatten einer der prominentesten Hamburger Familien herausgeputzt werden. Auf einer sind Einzelheiten einer Umbettung vom 17. Oktober 1929 verzeichnet. Damals wurden die Gebeine einiger Hagenbecks vom Friedhof St. Pauli nach Ohlsdorf gebracht. Darunter befanden sich der zum Todeszeitpunkt fünfjährige Carl Hagenbeck sowie die damals eineinhalb Jahre alte Christiane Hagenbeck. Die Ursachen dieser fürchterlich kurzen Lebensdauer sind nicht bekannt.

Lesen Sie auch:

Akkurat notiert ist dagegen das Wirken der Verwaltung. Schon damals hatte alles seine deutsche Ordnung. Bestens erhalten sind Dokumente der Friedhofsdeputation vom 29. Mai 1884. Aufgrund eines Senats- und Bürgerschafts­beschlusses wurde eine "Begräbnisordnung" erstellt. 1913 erhielt Carl Gottfried Hagenbeck einen "Grabesbrief" mit der Nummer 69822. Er betrifft das bestehende Familiengrab in Ohlsdorf.

Um einen erneuten Diebstahl zu verhindern, wird ein technisch ausgefeiltes Sicherheitssystem entwickelt. Der Löwe Triest soll endlich seine Ruhe haben.