Hamburg. Frau soll K.-o.-Tropfen bekommen haben – das konnte den Angeklagten nicht nachgewiesen werden. Sie erhalten eine Haftentschädigung.
In einer Shisha-Bar mischen zwei Männer einer jungen Frau K.O.-Tropfen ins Getränk. Sie verschleppen die Bewusstlose in eine Wohnung. Die beiden und ein dritter Mann haben dort ungeschützt Sex mit ihr – während ein Vierter nichts dagegen unternimmt.
So lautet, grob zusammengefasst, der Vorwurf gegen vier Angeklagte, den die Staatsanwaltschaft als gemeinschaftliche Vergewaltigung und unterlassene Hilfeleistung vor das Landgericht gebracht hat. Die Staatsanwaltschaft hatte sieben Jahre Haft für Morteza M. sowie sechs Jahre und zehn Monate Haft für Ali I. gefordert. Wegen unterlassener Hilfeleistung hatte sie für die beiden anderen Angeklagten eine Geldstrafe von jeweils 3750 Euro beantragt. Am Donnerstag das Urteil: Das Gericht sprach alle vier jungen Männer von sämtlichen Anklagepunkten frei.
Für die teils monatelange Untersuchungshaft muss der Staat sie jetzt entschädigen. Es spreche viel dafür, dass die Trunkenheit der 25-jährigen Nebenklägerin ausgenutzt worden sei, so die Vorsitzende Richterin, dies sei aber nur eine "begründete Vermutung". Für einen sicheren Tatnachweis brauche es objektive Feststellungen – und die waren in diesem Prozess Mangelware.
Auch Freundin der 25-Jährigen hatte einen Filmriss
Soweit das Gericht die Nacht rekonstruieren konnte, traf die 25-Jährige, begleitet von einer Freundin, den Angeklagten Morteza M. am 7. November 2018 in einer Shisha-Bar an der Hammer Straße. Beide hatten schon zwei Jahre zuvor ein sexuelles Verhältnis. Mit dabei auch Mortezas Freund Ali I. Gemeinsam tranken sie mit Wodka und Säften gemischte Getränke und landeten schließlich auf der Großen Freiheit, nachdem sie an der Tür eines Nachtclubs in Eilbek abgeblitzt waren.
Wie die Freundin der Nebenklägerin aussagte, hatte auch sie in jener Nacht einen Filmriss. Sie sei „an einer Säule stehend“ in einem Kiez-Club wieder zu sich gekommen. Die 25-Jährige war da bereits mit den Männern zur Wohnung eines der Angeklagten in der Jarrestraße gefahren. Ob sie ihr zuvor K.O.-Tropfen verabreicht hatten, ließ sich nicht sicher feststellen.
Angeklagte: Sex war "einvernehmlich"
Weitgehend verborgen blieb der mit drei Richterinnen besetzten Strafkammer auch, was sich in der Wohnung abgespielt hat. Eine wie auch immer geartete strafrechtliche Handlung ließ sich den Angeklagten jedenfalls nicht nachweisen. Vor Gericht sagten Morteza M. und Ali I. aus, sie hätten mit der 25-Jährigen "einvernehmlichen Geschlechtsverkehr" gehabt.
Amir B. und Javad O., die in jener Nacht auf Einladung von Morteza M. etwas später dazugestoßen waren, schwiegen zu den Vorwürfen. Ebenfalls nicht aufgeklärt werden konnte, ob auch Amir B. mit der 25-Jährigen Geschlechtsverkehr hatte.
Akt-Selfies als Trophäen für die Tat?
Fest steht aber, dass die Angeklagten sich nach den Akten bis auf die Unterhose auszogen und selbst fotografierten. Möglicherweise, so das Gericht, sollten diese "unsäglichen Selfies" als "Trophäen des Stolzes" firmieren. Dass es sich, wie von den Angeklagten angedeutet, bei der kollektiven Entblößung um eine "afghanische Tradition" handeln könnte, bezeichnete das Gericht indes als völlig abwegig.
Ohne jede Erinnerung an das, was in der Nacht passierte, mit einer Beule am Kopf und Schmerzen am Körper wachte die 25-Jährige am nächsten Tag auf. Einen Monat später erfuhr sie von ihrer Schwangerschaft – offenbar eine Folge der Geschehnisse des 7. November 2018. Erst da erstattete sie Anzeige. Dann trieb sie ab.