Hamburg. Nach der Corona-Pause droht eine Hochbahn-Großbaustelle Kunden abzuschrecken. Was die Betroffenen fordern.
Wer ein Geschäft im Levantehaus durch den Vordereingang besuchen möchte, muss bald noch mehr Lärm, Staub und enge Wege erdulden – schuld ist ein Großprojekt der Hochbahn, eine riesige Baustelle an beiden Seiten der Mönckebergstraße.
Hochbahn will U-Bahn-Haltestelle ausbauen
Hier soll der barrierefreie Umbau und die Modernisierung der U-3-Haltestelle Mönckebergstraße starten. So richtig los geht es erst im Juli mit den Tiefbauarbeiten. Die Geschäftsleute befürchten dadurch weiter Umsatzeinbußen.
Erst die Pandemie-Pause, jetzt die Baustelle: Durch sie, so die krisengebeutelten Einzelhändler und Gastronomen im und am Levantehaus, verstärke sich der aktuelle Kundenschwund nur noch. Die Zuwegungen zu den Geschäften seien schmal, Staus vor den Läden programmiert – für Händler und Kunden eine Zumutung.
Keine Terrasse wegen Bauzaun
Im Sommer soll dann noch ein Bauzaun drei Meter an die Fassade heranrücken, auch deshalb werde es dieses Jahr keine Terrasse vor dem Levantehaus geben, sagt Dietmar Hamm, Geschäftsführer der Kontorhausverwaltung Bach.
Er fordert: Die Hochbahn soll die ab Juli geplanten Tiefbauarbeiten „auf einen wirtschaftlich sinnvollen Zeitraum“ verschieben, beispielsweise Oktober, damit der geschundene Handel wieder „heilen“ könne.
Lokale können keine Außengastronomie anbieten
Besonders betroffen seien fünf Lokale mit Außengastronomie. Während die Gastronomie andernorts draußen wieder durchstartet, werden – baustellenbedingt – die fünf Lokale wohl komplett leer ausgehen.
Und während sich auf der Spitalerstraße der Publikumsverkehr langsam normalisiere, sei die Kundenfrequenz im und am Levantehaus um rund 60 Prozent geringer als üblich. „Wir haben mehrere Gespräche geführt, doch die Hochbahn schaltet auf stur“, so Hamm.
Düsteres Szenario und "dramatische Situation"
Bevor die Mönckebergstraße großflächig aufgerissen wird, werden Elektro- und Wasserleitungen verlegt. Schon diese im Februar begonnenen vorbereitenden Arbeiten wirkten „wie ein Brandbeschleuniger“ in Krisenzeiten, so Hamm.
Auch Citymanagerin Brigitte Engler zeichnet ein düsteres Szenario: Die Situation nach Öffnung der Geschäfte sei für die Unternehmen „nicht nur schwierig, sondern absolut dramatisch“, so Engler. „Wir befürchten, dass ein nennenswerter Teil der Händler in der Innenstadt im Laufe des Jahres in die Insolvenz gehen wird.“ Umso wichtiger sei es, dass Politik und Hochbahn die Baustellenplanung „ergebnisoffen“ betrieben.
Levantehaus erlässt Geschäften die Miete
Als geradezu empörend empfindet Mathias Bach, Miteigentümer des Levantehauses, die „starre Position“ der Hochbahn. Um die rund 35 kleinen inhabergeführten Geschäfte vor der drohenden Insolvenz zu bewahren, haben er und seine Partner ihnen für April, Mai und Juni die Miete nicht bloß gestundet, sondern komplett erlassen. Der GbR Levantehaus seien dadurch 300.000 Euro Mieteinnahmen entgangen, so Bach.
Zeitpunkt der Bauarbeiten sei ein Unding
Grundsätzlich habe er nichts gegen die Baumaßnahme vor dem Levantehaus und der Barkhof-Passage, der Umbau der U-3-Haltestelle sei notwendig, keine Frage. „Mir geht es allein um den Zeitpunkt“, sagt Bach.
Es sei ein Unding, dass der Staat die Vermieter auffordere, dem Einzelhandel etwa durch Mietstundungen auf die Beine zu helfen, während sich ein quasi städtisches Unternehmen „kein Stück“ bewege, um eben diese Existenzen zu retten.
Politik an Gesprächen mit Anrainern beteiligt
So möchte es die Hochbahn jedoch nicht verstanden wissen. Man sei sich der schwierigen Situation, in der sich die Anrainer befinden, bewusst und habe Verständnis für deren Sorgen. Um eine Lösung zu finden, gebe es seit Monaten Gespräche, an denen auch die Politik beteiligt sei.
„Ziel der Gespräche ist von unserer Seite, die Baustellensituation gemeinsam mit den Anliegern so zu optimieren, dass die Auswirkungen auf die Besucher der Innenstadt möglichst minimiert werden“, sagt Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum.
Eine Idee: Verlagerung des Busverkehrs
Aus Sicht von Citymanagerin Engler wäre eine Lösung die komplette Verlagerung des Busverkehrs von der Mönckeberg- auf die Steinstraße. „Dieses würde dazu führen, dass die Baustelleneinrichtung vor den Türen der Geschäfts wesentlich verträglicher gestaltet werden kann“, so Engler. Die Baugrube könnte dann in Richtung Straßenmitte rücken.
Eine Verschiebung der Bauarbeiten, wie von den Händlern gefordert, steht für die Hochbahn nicht zur Debatte. „Wir haben einen sehr engen Zeitplan, denn die Baumaßnahmen müssen so weit fortgeschritten sein, dass wir mit der 14-monatigen U-3-Sperrung ab Januar 2021 direkt mit den Baumaßnahmen starten können, die wir nicht im laufenden Betrieb durchführen können. Die U-3-Sperrung von Hauptbahnhof bis Baumwall ist zwingend, weil wir das Mönkedammfleet dringend sanieren müssen, um den sicheren U-Bahn-Betrieb auf dieser Strecke garantieren zu können“, so Kreienbaum.
„Wir haben hier gleichzeitig die Chance, den notwendigen barrierefreien Ausbau von Mö und Rathaus im „Windschatten“ der großen Baumaßnahme umsetzen zu können.“
Erneute Streckensperrung nicht zumutbar
Begännen die Arbeiten an der Mönckebergstraße nicht jetzt, müsse die Strecke „Jahre später“ noch einmal für zwölf Monate gesperrt werden – das sei auch den Fahrgästen nicht zuzumuten. „Aus unserer Sicht sollten wir mit den Anliegern Maßnahmen ins Auge fassen, um Besucher in die Mönckebergstraße zu locken, anstatt den Standort schlechtzureden.“