Hamburg. In Hamburg sind bis zu 10.000 Kinder betroffen. Was die Absage der Ferienreisen für Eltern und Kinder bedeuten würde.

Die Organisatoren von Kinder- und Jugendfreizeiten schlagen Alarm: Weil es aufgrund der Corona-Auflagen wohl in diesem Sommer kaum möglich sein wird, Feriencamps durchzuführen, trifft es besonders Kinder aus sozial schwachen Familien. „Das ist eine Katastrophe, wir sind sehr verzweifelt und deprimiert“, sagt Uwe Gutwasser, ehrenamtlicher Vorsitzender der Deutschen Hilfsgemeinschaft. Seit 1945 richtet die spendenfinanzierte Organisation Ferienfreizeiten für Kinder aus finanz- und sozial schwachen Familien aus. „Wir dürfen mit unseren Gruppen in keine Unterkünfte reisen, Stand jetzt“, so Gutwasser. Auf dem Sommerprogramm standen Reisen ins Landschulheim Puan Klent auf Sylt, nach Torfhaus im Harz oder nach Peenemünde und nach Zingst für jeweils zwei Wochen.

„Die Herberge in Peenemünde hat bereits Insolvenz angemeldet“, sagt Gutwasser. Das andere Problem sind die behördlichen Auflagen, vor allem der Mindestabstand von 1,50 Metern sei bei einer Freizeit mit Kindern nicht einzuhalten. „Unsere Kinder sind lebhaft, die toben und spielen. Die auseinanderzuhalten geht nicht.“ Rund 230 Kinder fahren jedes Jahr mit der Deutschen Hilfsgemeinschaft ans Meer oder in den Harz.

Suche nach Alternativen

Das hat auch einen pädagogischen Wert: „Es geht nicht allein um Spaß und Sonne auf Sylt, sondern um das Gruppenerlebnis. Bei uns gilt ein Handyverbot und die Kinder und Jugendlichen lernen gruppendynamische Prozesse und eine liebevolle Betreuung. Viele kommen aus schwierigen Verhältnissen“, so Gutwasser. Auch seien vor allem alleinerziehende Mütter betroffen, die sich während der Ferienfreizeit ihrer Kinder auf andere Dinge konzentrieren könnten. Denn es gehe auch darum, Eltern und Familien zu entlasten.

In Hamburg sind mehr als 5000 bis 10.000 Kinder und Jugendliche von der Absage von Ferien- oder Sprachreisen betroffen, schätzt Annika Woydack, Landesjugendpastorin bei der Nordkirche. Bei der Kirche trifft es mehr als 3000 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen zwölf und 20 Jahren. Zeltlager wurden abgesagt. „Wir schauen jetzt nach Alternativen, denn die Kinder im Sommer zu Hause zu lassen geht gar nicht“, so Woydack. Sinn und Zweck solcher Reisen sei es auch, die Familien zu entlasten.

Bischöfin Kirsten Fehrs wendet sich an Jugend­betreuer

„Die Eltern haben sich darauf eingestellt, dass ihre Kinder betreut werden.“ Dass nun voraussichtlich keine Reise stattfindet, sorgt für große Enttäuschung. „Die Freizeiten sind das Herzstück unserer Arbeit.“ Die Landespastorin hofft nun auf finanzielle Hilfen von der Stadt, um Alternativprogramme auf die Beine stellen zu können. „Jetzt ist die Politik gefragt.“

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    Bischöfin Kirsten Fehrs hat sich in einem Schreiben an die Jugend­betreuer gewandt. „Der Ausfall der Freizeiten reißt eine bedeutende Lücke in die Kinder- und Jugendarbeit. Haltet durch! Dass die Freizeiten und Sommercamps abgesagt werden mussten, ist bitter“, schreibt sie und appelliert: „Aber vielleicht ist es auch eine Chance für neue, erfinderische Kreativität, wie Kinder- und Jugendarbeit gestaltet werden kann. Plant und gestaltet weiter, wenn auch anders als bisher! Gestaltet Angebote an Euren Heimatorten.“

    Sozialbehörde signalisiert Flexibilität

    Auch beim Jugenderholungswerk können die Reisen voraussichtlich nicht stattfinden. Carsten Wode vom Jugenderholungswerk: „Der Mindestabstand ist schon an den Schulen kaum zu realisieren. Wie sollen wir das auf einer Freizeit hinbekommen?“ Auch die Herbergen hingen in der Luft, für sie sei die wirtschaftliche Lage schlimm, es drohten Insolvenzen. Je nach Bundesland sind Gruppenreisen nicht erlaubt. „Wir fahren auf Sicht“, so Wode. Jede Woche gebe es neue Erkenntnisse.

    Solche Touren, wie hier auf der Mildenitz bei Dabel, wird es vorerst nicht  geben.
    Solche Touren, wie hier auf der Mildenitz bei Dabel, wird es vorerst nicht geben. © dpa

    „Und dass die derzeitigen Lockerungen Bestand haben, ist ja auch nicht garantiert.“ Das Jugenderholungswerk sei aber bestrebt, den Kindern aus einkommensschwachen Familien etwas anzubieten. „Plan B wäre, dass wir tageweise etwas in Hamburg machen.“ Von der zuständigen Sozialbehörde sei Flexibilität signalisiert worden. Das Jugenderholungswerk lebt nicht von Spenden, sondern wird von der Behörde finanziert. 1300 Kinder gehen mit dem Jugenderholungswerk jedes Jahr auf Reisen. Ein Hoffnungsschimmer bleibt: „Wir hoffen, dass wir dann im Herbst etwas mehr anbieten können.“

    Hamburger Sommerschule feilt an einem Plan B

    An einem Plan B feilt auch Hubertus Leo von der Hamburger Sommerschule, die den Fokus auf Zweitklässler mit Förderbedarf legt. „Wir müssen etwas machen, gerade nach den heftigen Corona-Zeiten sind die Familien besonders stark belastet.“ Vielleicht seien Camps in kleineren Gruppen möglich. „Sonst hängen unsere Kinder sechs Wochen lang in den Ferien zu Hause rum“, so Leo.

    „Nach Wochen der Isolierung wird es Zeit, die „richtigen“ Ferien zu genießen“, sagt Dagmar Richter von Kidz Playground. Immerhin: „Für unsere Feriencamps in Hamburg entwickeln wir ein Konzept, das Hygieneanforderungen beinhaltet, allgemeine Verhaltensregeln festlegt und möglichst kontaktlose Sportarten abbildet.“

    Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

    • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
    • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
    • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
    • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
    • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden