Hamburg. Schüler aus der Hansestadt berichten, was das Lernen zu Hause attraktiv macht – und was daran nicht so gut ist.

Die Pandemie fordert alle Hamburger, auch die jüngeren haben die Auswirkungen der Corona-Krise drastisch zu spüren bekommen. Besonders betroffen von den Einschränkungen waren und sind noch immer die rund 200.000 Schüler. Wie fühlt es sich an, die Mitschüler wochenlang nicht sehen zu dürfen und zu Hause die Schulbank zu drücken? Funktioniert das digitale Lernen? Im Abendblatt berichten vier Schüler, wie sie diese neue Art des Unterrichts, neudeutsch Homeschooling, erleben.

Ylva Immelmann geht in die 11. Klasse des Gymnasiums Ohmoor

Mein Schulalltag hat sich in den vergangenen Wochen gravierend verändert. Seit der Schulschließung bekommen wir von unseren Lehrern Aufgaben über das Schulportal IServ. Nachdem wir sie bearbeitet haben, laden wir sie in den entsprechenden Ordner hoch. Der Schulalltag, der normalerweise zu einem großen Teil mündlich stattfindet, wird so komplett ins Schriftliche verlagert. Die vielschichtige Bewertung, die normalerweise aus mündlicher Leistung, abgegebenen Hausaufgaben, schriftlichen Ausarbeitungen, Gruppenarbeiten, Präsentationen, Tests und Klausuren besteht, wird dadurch stark begrenzt.

Trotzdem bemühen sich die Lehrer um Abwechslung im Homeschooling. In einigen Fächern finden regelmäßige Zoom-Videokonferenzen statt, in denen Aufgaben besprochen und teilweise auch bearbeitet werden. In anderen Fächern werden über Zoom Gruppenarbeiten durchgeführt oder Präsentationen gehalten. Zur schriftlichen Kommunikation dienen zusätzlich Plattformen wie Slack oder ein Messenger auf IServ, sodass auch ohne Videokonferenz Fragen im gesamten Kurs geklärt werden können.

Ylva Immelmann Nachwuchsredakteurin aus der Redaktion
Ylva Immelmann Nachwuchsredakteurin aus der Redaktion "Schüler machen Zeitung" Hamburger Abendblatt zum Thema Homeschooling

Das digitale Arbeiten funktioniert mittlerweile aus technischer Sicht nahezu reibungslos – der Präsenzunterricht fehlt aber sehr. Der persönliche Austausch und die Debatte zum Thema im Kurs nehmen einen sehr zentralen Teil des Unterrichts ein. Hinzu kommt, dass die von außen gegebenen Strukturen im Schulalltag dem Lernen einen festen Rahmen geben. Im normalen Unterricht geht es darum, sich zu beteiligen, also am Unterrichtsgeschehen zu partizipieren. Das Homeschooling verschiebt diese Anforderungen. Vom Lehrer erhaltene Aufgaben zu Hause allein zu bearbeiten, setzt das eigene Vorgeben dieses Unterrichtsgeschehens voraus. Die Schüler nehmen nicht länger bloß an etwas teil, sondern sind dafür verantwortlich, den Rahmen, den die Schule normalerweise schafft, selbst zu kreieren. Gerade die fehlende Gruppenstruktur erschwert das eigenständige Arbeiten. Quatschen mit Freunden, gemeinsames Mittagessen, Unterrichtsgespräche mit der ganzen Klasse – all das fehlt nicht nur in der Schule. Aber da fällt es besonders auf.

Ohne angemessene Lernumgebung, ohne wachendes Lehrerauge und – so banal das klingt – ohne die normalerweise gegebene Selbstverständlichkeit, morgens früh aufzustehen und anschließend für einige Stunden an einem Tisch zu sitzen und zu lernen, ist die Etablierung einer Routine für viele sehr schwer. Dazu kommt, dass das Ausmaß der Aufgaben sehr unterschiedlich ist. Möchte man sie adäquat bearbeiten, dauert die Bearbeitung teilweise mehrere Stunden. Für Schüler, denen das Pensum in der Schule schon vorher Probleme bereitet hat, ist eine eigenständige Erarbeitung gerade in Fächern wie Mathe oder Englisch eine große Herausforderung. Zeitgleich sorgt die Tatsache, dass alles abgegeben werden muss und bewertet wird, für eine enorme Steigerung des Leistungsdrucks. Eine Unterrichtsstunde ohne viel Beteiligung ist im normalen Schulalltag nicht unbedingt auffällig – eine nicht abgegebene Ausarbeitung hingegen schon. Der Druck, das Leistungsniveau zu halten – schließlich sind unsere Unterrichtsnoten Teil unserer Abiturnote – sorgt auch bei meinen Mitschülern für enormen Stress.

Eine Freundin erzählte mir, sie arbeite zehn Stunden am Tag und habe mit Mathe noch nicht einmal angefangen, da sie dafür zu lange brauche und in der Folge andere Deadlines nicht einhalten könne. Für viele stellt das Homeschooling vor allem wegen der Abiturrelevanz der Themen und der Noten eine große Stresssituation dar. Erleichternd ist für uns die Tatsache, dass nahezu alle Klausuren abgesagt wurden. Bis zu den Sommerferien werden wir in Deutsch, Mathe, unserer Fremdsprache und unseren Profilfächern ab jetzt wieder Präsenzunterricht haben, wenn auch nur eingeschränkt. Die Kurse wurden in zwei Gruppen aufgeteilt, alle Tische stehen in großem Abstand zueinander, die Klassenzimmer werden nacheinander betreten und wieder verlassen. Den Großteil der Zeit kommen wir lediglich für eine Doppelstunde am Tag in die Schule. Und alle übrigen Fächer werden für den Rest des Schuljahres weiter zu Hause unterrichtet. Die Zeit im Homeschooling ist anstrengend, sowohl für Lehrer als auch für Schüler. Wir bekommen von unseren Lehrern viel Unterstützung, trotzdem ist der Leistungsdruck stark angestiegen. Wir bemühen uns, die Aufgaben so gut wie möglich zu erledigen und mit der Situation zurechtzukommen – und der Präsenzunterricht, der jetzt wieder hinzukommt, hilft dabei sehr.

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    Tom Hartung besucht die 11. Klasse der Bugenhagenschule

    Seit ich weiß nicht genau wie vielen Tagen ist meine Schule geschlossen – wie alle in Deutschland – und ich lerne von zu Hause aus. Zu Beginn möchte ich sagen, dass das bei mir vergleichsweise gut funktioniert. Dieser Tage wird sehr kritisch über das andauernde Homeschooling diskutiert, weil Schülerinnen und Schüler, die etwa keinen eigenen Laptop haben, signifikant benachteiligt sind und die Gefahr besteht, dass sie dem Lernstoff aus technischen Gründen nicht folgen können. Bei mir ist das anders. Wir leben in einem großen Haus, mit ausreichend Laptops und der Möglichkeit, in Ruhe zu lernen. Meine Eltern sind beide Akademiker. Und – am wichtigsten für mein Sicherheitsgefühl – wir haben keinerlei finanzielle Sorgen.

    Google Drive habe ich schon häufig genutzt – seit Corona täglich, denn meine Schule nutzt diesen Dienst, um uns unsere Aufgaben zu übermitteln. Ich greife auf einen Schulordner zu, über einen Link, den wir zu Beginn des Homeschoolings erhalten haben. Meine bearbeiteten Aufgaben sende ich dann per E-Mail an meine jeweiligen Lehrer.

    tom hartung Nachwuchsredakteur aus der Redaktion
    tom hartung Nachwuchsredakteur aus der Redaktion "Schüler machen Zeitung" Hamburger Abendblatt zum Thema Homeschooling

    Anfangs mussten wir uns alle natürlich erst einmal in die neuen Gegebenheiten einfinden. Ich muss aber sagen, dass die ganzen Abläufe schnell automatisiert waren und sich somit auch mein Arbeitstempo stetig erhöht hat. Das Homeschooling wurde zur Routine. Und Routine war und ist wichtig: Ich stehe unter der Woche zur selben Zeit auf, esse etwas und mache dann Schulaufgaben – so lange, bis ich fertig bin. In Ausnahmefällen setzte ich mich abends noch einmal an den PC. Das kam bisher aber erst zweimal vor. Montags erhalten wir immer die Aufgaben für die ganze Woche. Die Bearbeitung dauert nicht besonders lange. Heißt, ich bin schneller fertig, als wenn ich zur Schule gehen würde. Freitags habe ich oft nichts mehr zu tun. Trotzdem bleibt man so zumindest am Stoff dran, was mir ein gutes Gefühl gibt.

    Die meiste Zeit über war ich sehr motiviert! Ich wollte die Chance nutzen, für mich alleine in Ruhe arbeiten zu können. Gruppenarbeit mochte ich persönlich nie. Allerdings kommen nicht alle meiner Mitschüler mit dem isolierten Lernen klar. Nicht wenige brauchen einfach den Vortrag des Lehrers, müssen Inhalte erklärt bekommen, um sie zu verstehen. Oder sind schlicht nicht so gut darin, sich im Kinderzimmer zu organisieren und zu motivieren. Für sie ist das Homeschooling durchaus ein Problem. Wer eine gewisse Eigenständigkeit und die richtige Arbeitsmoral mitbringt, sollte eher keine Probleme haben. Für uns alle gilt aber: Die Aufgaben werden allesamt aktuell nicht bewertet.

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      Omeima Garci, Helmut-Schmidt-Gymnasium

      Corona hat uns erfinderisch gemacht. Auch Lehrer mussten kreativ werden, um uns Schüler zu erreichen – und vor allem zu unterrichten. An meiner Schule wurden dafür verschiedene Plattformen genutzt, wie beispielsweise Padlet. Auch über den altmodischen Weg der E-Mail haben uns Aufgaben unserer Lehrer erreicht, die wir dann innerhalb einer bestimmten Zeit erledigen sollten. Meistens hatten wir von der einen Schulstunde bis zur nächsten Zeit. Bei Fächern, die normalerweise nur einmal pro Woche stattfanden, also eine Woche. Auch Tests wurden bei uns „geschrieben“, beziehungsweise gab es Klausurersatzleistungen, die wie eine normale Klausur gewertet wurden. Ärgerlich, denn Unterricht, der uns auf die Prüfungen vorbereitet hätte, gab es nicht. Gerade in Fächern, für die man sich bis dato nicht sonderlich begeistert hat, fiel das Lernen nun besonders schwer. Bei mir betraf das vor allem Chemie. Ich habe die Aufgaben einfach vor mir hergeschoben, bis der Tag der Abgabe kam und ich keine andere Wahl mehr hatte, als sie zu lösen.

      Der Austausch mit den Mitschülern hat mir hier ganz besonders gefehlt. Es fehlte schlicht das Gefühl, dass wir alle gerade zusammen an einer bestimmten Aufgabe arbeiten. Ich hatte manchmal den Eindruck, ganz allein damit zu sein. Ich hatte auch keinen geregelten Tagesrhythmus, um systematisch an das Lösen der Aufgaben ranzugehen. Aufgaben für Fächer, die mir liegen, habe ich schnell bearbeitet, die anderen, so lang es ging, vertagt.

      Omeima Garci Nachwuchsredakteurin aus der Redaktion
      Omeima Garci Nachwuchsredakteurin aus der Redaktion "Schüler machen Zeitung" Hamburger Abendblatt zum Thema Homeschooling

      Es erwies sich auch als ziemlich schwierig, einen Überblick über all das zu behalten, was man zu bearbeiten hatte. Immer wieder kamen neue E-Mails an. Ich hatte das Gefühl, in E-Mails zu ertrinken. Hinzu kam der Abi-Stress. Eine ziemliche Belastung. Jahrgänge unter mir berichteten, dass sie deutlich weniger zu tun hatten. Mein Jahrgang hatte leider das Pech, gerade jetzt Abitur schreiben zu müssen. Einige meiner Mitschüler hatten zu Hause keinen eigenen Laptop. Zwei Wochen vor den schriftlichen Prüfungen wurde diese von den Behörden zur Verfügung gestellt. Vor Prüfungen hat man ohnehin Angst. Für unseren Jahrgang war es besonders schlimm. Es fehlte an Vorbereitung, es fehlte an ruhigen Lernorten, und es fehlte an Verständnis von Hamburgs Schulsenator Ties Rabe. Das schriftliche Abitur wurde trotzdem geschrieben.

      Nun sind alle schriftlichen Prüfungen geschrieben. Ich werde nur noch ein letztes Mal an meine Schule gehen – um meine mündliche Prüfung abzulegen. Das war alles ganz anders geplant.

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        Hanni Turton besucht die 11. Klasse des Lessing-Gymnasiums Norderstedt

        Jetzt sitze ich, wie alle anderen 2,51 Millionen deutschen Schüler und Schülerinnen, schon seit sieben Wochen zu Hause – oder liebevoll auch Einzelhaft bei den Sklaventreibern genannt. Unser Schuldirektor meinte vor einigen Wochen am Telefon, er gehe nicht davon aus, dass ich ihn vor den Sommerferien wiedersehen würde. Mit diesen Worten sorgte er bei mir fast für einen Mini-Herzinfarkt, denn auch wenn ich nie gedacht hätte, dass dies einmal mein sehnlichster Wunsch werden würde: Ich will in die Schule!

        Ich würde gerne endlich wieder vor einem echten Lehrer stehen, Fragen direkt stellen können, meiner Sitznachbarin das Radiergummi klauen und die alltäglichen Pausengespräche führen können. Ich vermisse es, durch die Flure zu gehen und an jeder Ecke jemanden zu entdecken, dem man einen guten Morgen wünschen kann. Ich muss gestehen, dass meine Klasse als sehr verfressen gilt, daher vermisse ich auch schmerzlich die mitgebrachten Kekse und Kuchen.

        Was für uns früher oft Horror war, ist jetzt sehnlich vermisste Routine. Manche Freunde sind zu kleinen Nachteulen mutiert, gehen um vier Uhr schlafen und sind vor Mittag auch nicht aus dem Schönheitsschlaf zu reißen. Bis auf Jogginghosen und Sweatshirts wurden alle Kleidungsstücke vor sieben Wochen in den Kleiderschrank verbannt. Als kleiner Erfolg ist manchmal bereits zu verbuchen, wenn die Zähne einmal am Tag geputzt werden. Das tägliche Gassigehen und gelegentliche Einkaufen wird zur einzigen Motivation, nicht vollkommen zum Zombie zu mutieren.

        Dank der sozialen Medien ist es uns möglich, in Kontakt zu bleiben und die anderen regelmäßig zu sehen und hören. Ein schwacher Trost. So habe ich mit meiner Freundesgruppe einen Abend in der Woche, an dem wir eine Gruppenkonferenz abhalten. Es ist nicht so, als ob es spannende Dinge auszutauschen gäbe, aber diese Art von Kontakt ist eben ein Stück Normalität in dieser merkwürdigen Zeit. Wir sitzen ja alle in einem Boot und müssen alle gemeinsam versuchen, uns durch diese Zeit zu helfen. Allen in unserer Gesellschaft wird Hilfe angeboten, um den Alltag irgendwie zu meistern. Das ist äußerst löblich. Ich finde aber, dass Kinder und Jugendliche im Homeschooling übersehen werden.

        In manchen Schulen ist das Online-Schulsystem bereits sehr ausgetüftelt und professionalisiert, andere Schulen sind sichtbar überfordert damit, vernünftigen Content zu produzieren. Wenn wir so weitermachen, werden wir in die Bredouille geraten. Seit Wochen ist der Aufschrei groß, Eltern seien überfordert mit der Hausaufgabenbetreuung ihrer Kinder. Aber was ist mit den Kindern? Auch diese sind überfordert von den riesigen Wogen an Hausaufgaben, die am Montagmorgen im E-Mail-Postfach auf sie warten. Spanisch, Mathe und bitte bis Mittwoch noch einen Aufsatz in Englisch.

        Natürlich ist es bereits eine Erleichterung für uns, dass keine Klausuren mehr geschrieben werden sollen. Dennoch gibt es da draußen viele Schüler, die definitiv mehr Zeit als normal in Schule investieren. Zwar haben wir momentan mehr Zeit zur Bearbeitung und Bewältigung dieser Aufgaben, dennoch fällt es oft schwer, sich in diesem Aufgaben-Meer zu motivieren.

        Bei mir sieht es momentan so aus, als würde ich vor den Sommerferien die Schule nicht noch einmal betreten, und von entspannten Sommertagen mit meinen Freunden kann leider auch keine Rede sein. Daher mein Appell: Bitte vergesst uns nicht. Teilweise geht uns aktuell über ein Vierteljahr abiturrelevanter Stoff durch die Lappen. Und dann der schöne Abiball! Ich fühle sehr stark mit allen Abiturienten, die ihre Kleider und Anzüge nächstes Jahr noch einmal rausholen müssen, um dann den Abiball der anderen zu ihrem eigenen zu machen.

        Wie sind Ihre Erfahrungen mit Homeschooling? Schreiben Sie uns an briefe@abendblatt.de

        Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

        • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
        • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
        • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
        • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
        • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden