Hamburg. Schädlingsbekämpfer verzeichnen mehr Aufträge. Hygieneinstitut sieht einen Zusammenhang mit Lockdown und Homeoffice.

Als Rebekka E. auf ihrer Blankeneser Terrasse kürzlich eine abendliche Zigarette rauchte, vernahm sie Rascheln und Kratzgeräusche aus einem Busch an der Hauswand. „Ich dachte zunächst, das sei ein Igel“, so die Blankeneserin, „aber dann sah ich eine große Ratte an der Wand entlanghuschen.“ Entsetzt wandte sich die Mutter einer erwachsenen Tochter an die Hausverwaltung. D

ort stellte sich heraus: Außer Rebekka E. hatten auch noch etliche andere Bewohner der weitläufigen Wohnanlage die berüchtigten Nager gesichtet – mal alleine, mal im Doppelpack. Und nicht nur das. Wie sich in anschließenden Gesprächen herausstellte, hatte so ziemlich jeder der Nachbarn Freunde oder Bekannte in Hamburg, denen es in den vergangenen Wochen ganz ähnlich ergangen war.

Schädlingsbekämpfer: Mehr Fälle als sonst

„Es ist auffällig, dass wir in der ganzen Stadt analog zu Corona eine Ratten- und Mäuseplage haben“, bestätigt Daniel Weiß, Inhaber der Firma Renotec Schädlingsbekämpfung. „Das fing im März an, und der Bezug zum Shutdown ist ganz deutlich zu sehen.“ Weiß ist sicher, dass sich die Zahl der gemeldeten Ratten-Sichtungen deutlich von der anderer Jahre unterscheidet.

„In den vergangenen Wochen haben sich immer wieder Menschen gemeldet, die drei bis vier Ratten auf einmal draußen herumlaufen sahen, und das ist schon sehr ungewöhnlich. Auffällig sei auch, dass sich mehr Anrufer als sonst aus Wohnvierteln meldeten – und hier verstärkt aus Gegenden mit Einzelhausbebauung.

Grund für die Rattenplage in Hamburg

Für Weiß ist der Fall klar: „Nach meinem Eindruck fanden die Tiere in den Straßen mit Restaurants und sonstigen Geschäften nach dem Shutdown nicht mehr so viel Nahrungsreste wie vorher.“ Dagegen kochten die Hamburger aktuell viel häufiger in den eigenen Haushalten, und damit würden auch deutlich mehr Reste weggeworfen. „Gerade Komposthaufen sind viel voller als früher“, sagt Weiß, „und dort landen viele Essensreste, die eigentlich in den Hausmüll gehören.“

Auch Tino Koch, Disponent bei der Servicefirma Elbattack, berichtet von deutlich mehr Anrufen aufgeregter Kunden, die starken Mäuse- und Rattenbefall in ihrer jeweiligen Umgebung beobachtet haben. Einen Zusammenhang zur Corona-Zeit sieht auch Koch. „Ratten und Mäuse fühlten sich auf dem Höhepunkt der Corona-Krise nach meinem Eindruck sicherer als sonst, weil so wenige Menschen auf den Straßen waren“, berichtet Koch. „Sie zeigten sich häufiger, waren nicht so scheu.“

Hinzu komme, dass offenbar viele Hamburger die Corona-Zeit zum Aufräumen und Entrümpeln ihrer Wohnungen und Häuser nutzten. „Es muss deutlich mehr abgeholt werden als in ,normalen‘ Jahren“, weiß Koch, „und die über Nacht am Straßenrand abgestellten Säcke und Kartons locken nicht selten auch zusätzlich Ratten und Mäuse an.“

Viele Meldungen von vermehrtem Rattenbefall

Thorsten Krause, Schädlings­bekämpfer am städtischen Institut für Hygiene und Umwelt, bestätigt, dass es aktuell viele Meldungen von vermehrtem Rattenbefall gebe. Die Ursachen könnten aber auch unabhängig von der Corona-Krise sein – das sei noch unklar. Dahinter könnte auch eine veränderte Wahrnehmung stecken, vermutet Krause. „Es ist wahrscheinlicher, dass die Menschen im Home­office ihre Gärten oder die angrenzenden Grünanlagen stärker im Blick haben als sonst und sich entsprechend beim Institut oder bei Schädlingsbekämpfern melden, wenn sie plötzlich Ratten entdecken“, sagt Thorsten Krause.

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    „Viele gehen auch mehr spazieren oder joggen als sonst, da fallen die Nager natürlich deutlicher auf.“ Dass Ratten auf der Futtersuche verstärkt in Wohnviertel zögen, sei eher unwahrscheinlich, so Krause, zumal die City ja auch nicht völlig ausgestorben sei. „Vereinfacht könnte man sagen, eine Ratte läuft nicht mal eben vom Hauptbahnhof nach Lurup“, so Krause.

    Mäusepopulation stark gestiegen

    Hinzu komme, dass Ratten bei längerer Trockenheit auf der Suche nach Wasser größere Strecken zurücklegen müssten und dadurch häufiger zu sehen seien. Das würde zu der langen Trockenphase im April passen. Im Übrigen würden Ratten häufiger mit Mäusen verwechselt, so Krause, weil viele Anrufer die Größe einiger Mäusearten unterschätzten. Nach zwei eher milden Winter in Folge sei die Mäusepopulation stark gestiegen, und bei einem Viertel bis einem Drittel der gemeldeten Ratten handele es sich faktisch um Mäuse, erläutert Thorsten Krause.

    Rebekka E. ist egal, ob die Ratte auf ihrer Terrasse mit Corona zu tun hat oder nicht. „Hauptsache, das Viech ist bald verschwunden.“

    Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen

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    • Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen