Hamburg. SPD und Grüne haben den Versuch genehmigt – die Opposition spricht von Entscheidungen unter “Ausschluss der Öffentlichkeit“.

Der Ortskern von Volksdorf soll praktisch autofrei werden. Nur noch Anwohner- und Lieferverkehr werden zunächst in einem Modellversuch über 6-10 Wochen auf der Claus-Ferck-Straße und Im Alten Dorfe zulässig sein. Das beschloss die rot-grüne Koalition „wegen der Eilbedürftigkeit“ im Hauptausschuss der Bezirksversammlung Wandsbek.

CDU und FDP reagierten empört. Sie sprachen von Überrumpelung und einem „Ausschluss der Öffentlichkeit“, die sich im Livestream der Sitzung nicht aktiv einbringen könne. Die Eilbedürftigkeit sei bloß vorgeschützt, und das Autoverbot in der Mitte des Dorfes schade den Geschäften vor Ort. Die CDU-Fraktionschefin Franziska Hoppermann sprach von einem „Blümchenprogramm mit lustigen Schildern“, das vor rund 20 Jahren in ähnlicher Form für Rahlstedt ausbaldowert worden sei, aber den Abwärtstrend dort nicht stoppen konnte. Die Bürgerbeteiligung könne in Zeiten von Corona gar nicht seriös versprochen werden.

"Verkehrsberuhigung ist teil unseres Programms"

Rot-Grün dagegen verwies auf das vorgelegte Klimaschutzkonzept und die Wahlen vom Mai dieses Jahres. „Verkehrsberuhigung ist Teil unseres Programms“ sagte die scheidende Fraktionschefin der Grünen in Wandsbek, Maryam Blumenthal. „Dafür wurden wir gewählt und das setzen wir um.“ Sie verwies auf New York und die erfolgreiche Verwandlung des Time Square, der für Autos gesperrt und bereits 2009 zur Fußgängerzone mit Straßencafé wurde.

Das Klimakonzept der rot-grünen Koalition sieht vor, „Flanierzonen“ zu schaffen, um Verkehr in Stadtteilzentren zu vermeiden. Als Handlungsfelder wurden Bramfeld, Berne und eben Volksdorf benannt.

Modellversuch soll mit breiter Bürgerbeteiligung ausgewertet werden

Außerdem, so Blumenthal, stehe das Ergebnis des Modellversuchs noch gar nicht fest. Die anschließende Evaluation solle in breiter Bürgerbeteiligung mit allen Betroffenen besprochen und dann in einem möglichst breiten Bürgerkonsens zu Maßnahmen führen, sagte Blumenthal. Für den Modellversuch solle ein Planungsbüro verantwortlich zeichnen, das jetzt per Ausschreibung gesucht werden müsse, wenn denn nächstes Jahr etwas passieren solle.

Entweder vor oder nach den Sommerferien 2021 soll der Ortskern dann mit Schildern abgeriegelt werden, um die Kosten im Rahmen zu halten und keine vollendeten Tatsachen zu schaffen.

Volksdorf diskutiert seit 13 Jahren über seinen Ortskern

Seit spätestens 2007 diskutiert Volksdorf über die Renovierung des Ortskerns. Damals sollte vor allem dem Einzelhandel geholfen werden, der schwer zu kämpfen hat mit der Konkurrenz in Ahrensburg, Sasel und dem Alstertal-Einkaufszentrum. Das 2007 vorgelegte Konzept sieht eine Fußgängerzone in genau den Straßen vor, die jetzt autoarm werden. Mit einer Nuance: Die Claus-Ferck-Straße soll jetzt bis zur Straße Dorfwinkel befahrbar bleiben. Das kostet weniger Parkplätze.

Die Autoarmut im Stadtteilzentrum soll vor allem Identifikationspunkte schaffen und die „Aufenthaltsqualität“ erhöhen: Die Leute sollen Lust haben, sich im Dorf zu treffen. Die SPD legt Wert auf die Feststellung, dass parallel zur Beschränkung des Autoverkehrs die Taktung der Busse verbessert werden soll.

Volksdorfer Einzelhändler ignorieren Projekt bisher

Die Grünen verwiesen auf das P&R-Parkhaus um die Ecke am Volksdorfer Bahnhof, das nicht ausgelastet sei und die rund 50 abzubauenden Parkplätze billig ersetzen könne. Die FDP startete dagegen eine Online-Umfrage, in der die Volksdorfer angeben sollen, ob sie nach den bevorstehenden Umwälzungen noch im Ortskern einkaufen würden.

Die Betroffenen selbst hielten sich mit Meinungsäußerungen zurück. Der Bürgerverein steht dem Projekt eher aufgeschlossen gegenüber. Die Gewerbetreibenden haben offenbar gar keine Meinung. Der Vorsitzende der Interessengemeinschaft der Geschäftsleute in Volksdorf, Manfred Heinz, erklärte, zur fraglichen Info-Veranstaltung der Grünen sei trotz seiner ausdrücklichen Bitte um zahlreiches Erscheinen nur ein einziger Ladenbetreiber gekommen. „Sie interessieren sich einfach nicht dafür.“