Kiel. Die Corona-Pandemie hat viele Menschen um ihre Arbeit gebracht. In Schleswig-Holstein nahm die Arbeitslosigkeit völlig saisonunüblich im April kräftig zu. Hohe Zahlen bei der Kurzarbeit dämpfen die Krisenfolgen ab.
Die Corona-Krise hat erwartungsgemäß massive Folgen für den Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein. Wie die Agentur für Arbeit am Donnerstag mitteilte, stieg die Zahl der Arbeitslosen im Vergleich zum März saisonuntypisch um 12,6 Prozent auf 92 200. Normalerweise gibt es im April einen kräftigen Frühjahrsaufschwung. Zum gleichen Vorjahresmonat betrug die Zunahme 17,2 Prozent. Die Arbeitslosenquote liegt nun bei 5,8 Prozent, nach 5,0 Prozent im April des Vorjahres. Es ist die erste Monatsstatistik mit den Auswirkungen der Corona-Krise.
"Die Corona-Pandemie hinterlässt erwartungsgemäß Spuren auf dem Arbeitsmarkt in Schleswig-Holstein", sagte die Regionalchefin der Arbeitsagentur, Margit Haupt-Koopmann. "Entgegen der saisonal typischen Abnahme der Arbeitslosenzahlen müssen wir diesmal für den Monat April einen Anstieg melden - sowohl im Vormonats- als auch im Vorjahresvergleich." Diese Pandemie habe in fast allen Bereichen der Wirtschaft Folgen für die Betriebe und deren Personalpolitik. So würden auslaufende Arbeitsverträge nicht verlängert oder geplante Neueinstellungen verschoben. Die Personalnachfrage sank im April zum März um 3200 Stellen und damit um gut 57 Prozent.
Bisher haben 25 300 Betriebe für 287 000 Beschäftigte Kurzarbeit angezeigt. Mitte April waren bereits rund 24 200 Betriebe gemeldet worden. Damit zeigte fast jedes dritte Unternehmen Kurzarbeit an (31,8 Prozent). Einzelhandel, abgesehen vom Lebensmittelsektor, Gastronomie und Gesundheitswesen sind besonders stark betroffen.
Die Kurzarbeit sei ein Stabilitätsanker, sagte Haupt-Koopmann. Damit würden Jobs erhalten, Arbeitslosigkeit verhindert und der Konsum gestärkt. Wie viele Menschen tatsächlich in Kurzarbeit gegangen sind, wird Haupt-Koopmann zufolge im September feststehen. Für Mai/Juni rechne sie mit einem Abrechnungsschub.
Prognosen seien derzeit sehr schwierig, sagte Haupt-Koopmann der Deutschen Presse-Agentur. Angesichts des Einbruchs der Wirtschaft sei in diesem Jahr zeitweise wieder mit mehr als 100 000 Arbeitslosen zu rechnen, nicht aber im Jahresdurchschnitt.
"Die Zeiten sinkender Arbeitslosigkeit sind zunächst einmal vorbei", kommentierte Wirtschafts- und Arbeitsminister Bernd Buchholz. "Die weitere Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt wird entscheidend davon abhängen, wie schnell es möglich sein wird, schrittweise die Einschränkungen im täglichen Leben und in der Wirtschaft unter Berücksichtigung des notwendigen Infektionsschutzes wieder zu lockern", sagte der FDP-Politiker. "Wichtig ist dabei, Perspektiven zu geben."
Mit den Soforthilfeprogrammen des Bundes und des Landes sowie den arbeitsmarktlichen Instrumenten wie dem Kurzarbeitergeld würden alle Register gezogen, um die Unternehmen zu stabilisieren. Trotzdem sei aber zu befürchten, dass die Zahl der Insolvenzen steigt. "Unsere Wirtschaft wird sich verändern, sodass wir perspektivisch die Rahmenbedingungen festigen müssen, die unseren Unternehmen die Sicherung bestehender Arbeits- und Ausbildungsverhältnisse ermöglicht", sagte Buchholz.
Der DGB verlangte Nachschläge für Kurzarbeiter: "Für diejenigen, die bereits seit Wochen Einkommensausfälle von bis zu 40 Prozent schultern, fordern wir die sofortige Aufstockung auf mindestens 80 Prozent des Nettolohns, und nicht erst ab dem siebenten Monat", sagte der Landesvorsitzende Uwe Polkaehn. Für das Land werde angesichts der relativ geringen Löhne ein Sonderfonds Kurzarbeitergeld Plus benötigt. Es sei ungerecht, wenn Arbeitnehmer in der Corona-Krise zu Hartz-IV-Empfängern würden.
Aus Sicht der Wirtschaft sind zukunftsgerichtete Weiterbildung und Qualifizierung das richtige Mittel, wie die Vereinigung der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein (UVNord) mitteilte. Arbeitsmarktinstrumente und Fachkräftestrategien müssten auf den Prüfstand, um auf die neue Situation früh reagieren zu können, sagte UVNord-Präsident Uli Wachholtz. Die Unternehmen bräuchten gerade jetzt keine neuen Regelungen wie einen Rechtsanspruch der Mitarbeiter auf Home Office, sondern eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung.
Wenig aussagekräftig sind laut Arbeitsagentur aktuelle Zahlen vom Lehrstellenmarkt, weil sowohl Arbeitgeber als auch Jugendliche verunsichert seien. Sowohl die Zahl der Bewerber als auch die der gemeldeten Stellen liegt deutlich unter dem Vorjahresniveau.
Unter den Kreisen hat Stormarn mit 3,7 Prozent die niedrigste Arbeitslosenquote und Dithmarschen mit 6,3 Prozent die höchste. Bei den kreisfreien Städten verbuchen Kiel und Lübeck mit 8,3 Prozent den besten Wert und Flensburg mit 9,3 Prozent den schlechtesten.