Kiel. Die Jamaika-Koalition will an zwei Sonntagen Geschäfte öffnen. Opposition und Gewerkschaften laufen Sturm. Sie fürchten, die offenen Läden könnten als Ersatz für andere Freizeitaktivitäten dienen.
Die Kieler Landesregierung hat dem Einzelhandel in Schleswig-Holstein erlaubt, an den nächsten beiden Sonntagen zu öffnen. Nach der wochenlangen Schließung der Geschäfte wegen der Corona-Pandemie dürfen sie am 26. April und am 3. Mai in der Zeit von 11.00 bis 17.00 Uhr ausnahmsweise öffnen, wie das Wirtschaftsministerium am Donnerstag mitteilte. Das sei ein Beitrag zur Entzerrung der Kundenströme, kein Aufruf zum Shopping, betonte Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP). Für den 1. Mai selbst gelte die Ausnahmeregelung nicht.
Der Erlass des Wirtschaftsministeriums muss noch von den Kreisen und kreisfreien Städte umgesetzt werden. Danach dürfen unter Einhaltung der geltenden Hygiene- und Abstandsregelungen geöffnet sein: Lebens- und Futtermittelgeschäfte, Wochenmärkte, Abhol- und Lieferdienste, Getränkemärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Tankstellen, Poststellen, Zeitungs- und Zeitschriftenläden, Bau-, Gartenbau- und Tierbedarfsmärkte, Lebensmittelausgabestellen (Tafeln), der Großhandel, Kraftfahrzeughändler, Fahrradhändler und Buchhandlungen.
"Ich verbinde damit die Hoffnung und den Appell, dass sich die Kunden nicht alle an den beiden Sonnabenden in die Geschäfte bewegen, sondern sich überlegen, was man auch genauso gut und in Ruhe im Verlauf des Sonntags noch besorgen oder erledigen kann", sagte Buchholz.
Scharfe Ablehnung kam von den Gewerkschaften. "Mit der Ladenöffnung an zwei Sonntagen bestraft der Wirtschaftsminister gerade die Menschen, die zuletzt für die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger da waren, mit weiteren Arbeitszeiten", kritisierte Uwe Polkaehn, Vorsitzender DGB Nord. "Arbeitsschutz und Gesundheit der Beschäftigten müssen oberste Priorität haben. Die Beschäftigten brauchen einen Tag Ruhepause in der Woche. Kundinnen und Kunden können ihren Bedarf auch an anderen Tagen decken", sagte er. Die Ausweitung der Einkaufszeiten sei auf dem Weg in die Normalität wenig hilfreich. Vielmehr sei zu befürchten, dass offene Läden als Ersatz für andere Freizeitaktivitäten dienen könnten, sagte der DGB-Vorsitzende.
Verdi Nord übte ähnliche Kritik. "Es ist zu befürchten, dass mit der Einführung von Sonntagsöffnungen diese als Ersatz für anderweitige weggefallene Freizeitaktivitäten dienen werden", sagte Matthias Baumgart, Fachbereichsleiter für den Handel.
Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Ralf Stegner teilte die Kritik der Gewerkschaften Die geplante Sonntagsöffnung ergebe "wenig Sinn, sendet die falschen Signale und belastet die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch noch zusätzlich. Zweifellos gehören die Beschäftigten im Einzelhandel zu denjenigen, die eine große Belastung zu tragen haben. Viele schuften für uns alle, setzen sich insbesondere bei viel Kundenkontakt einem höheren Infektionsrisiko aus und müssen immer noch mit der fehlenden Kinderbetreuung kämpfen. Da bräuchte es schon sehr gute Gründe, den Beschäftigten auch noch zwei arbeitsfreie Sonntage zu nehmen", sagte er.
"Dass den sich wund arbeitenden Beschäftigten, gerade in den Supermärkten jetzt auch noch zwei Familiensonntage entzogen werden sollen, finde ich unvermittelbar", kritisierte der Vorsitzende des SSW im Landtag, Lars Harms. Unverständlich sei außerdem, dass der Wirtschaftsminister einen verkaufsoffenen Sonntag ausruft, noch bevor die Maskenpflicht greift.
Die Partei Die Linke nannte die Entscheidung der Landesregierung, verkaufsoffene Sonntage durchzuführen, "nicht nur gesundheitsgefährdend am Rande der fahrlässigen Körperverletzung". Sie seien vor allem auch ein Schlag ins Gesicht aller Werktätigen, sagt Lorenz Gösta Beutin, Bundestagsabgeordneter der Linken Schleswig-Holstein.