Hamburg. Infektiologe mahnt: Die Ansteckung von Kindern und jungen Erwachsenen sollte man zulassen, weil sie „quasi nicht erkranken“.
Der Infektiologe und UKE-Professor Ansgar Lohse hält es im Kampf gegen das Coronavirus für geboten, Kitas und Schulen wieder zu öffnen. „Ich bin der Meinung, dass wir Infektionen bei denen zulassen sollten, die kein hohes Gesundheitsrisiko haben“, sagte er gestern bei einer Pressekonferenz im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Kinder und Jugendliche würden „quasi nicht erkranken“, so Lohse.
Grund für diesen Vorschlag: Am UKE wächst die Befürchtung, dass es noch sehr lange dauern könnte, bis es einen Impfstoff gibt. „Es kann auch sein, dass gar kein Impfstoff kommt“, sagte Lohse. Für diesen Fall müsse man einen Plan B erarbeiten.
Hamburger Kitas und Schulen in Coronazeit wieder öffnen
Teil dieses Plans sollte es nach Ansicht des Infektiologen sein, Kitas und Schulen wieder zu öffnen. Zum einen habe die Schließung dieser Einrichtungen „eine geringe Effektivität, was die Verlangsamung des Virusgeschehens betrifft“. Manche Studien deuteten darauf hin, dass Kinder das Virus überhaupt nicht übertragen können. Zum anderen wirkten die bei Kindern und Jugendlichen stattfindenden Erkrankungen „wie eine natürliche Impfung“, so Lohse.
Der Virologe räumte ein, dass dies allerdings „ein paar Organisationsmaßnahmen“ erfordere. Welche genau, sagte er nicht. Lohse plädierte außerdem dafür, sich bei den Maßnahmen im Kampf gegen Corona nicht an der Zahl der Neuinfektionen zu orientieren oder an der Verdoppelungsziffer, sondern an der Belastung der Intensivstationen. Die sind derzeit nicht ausgelastet. Mehr Infektionen wären also, rückt man dieses Kriterium ins Zentrum, verkraftbar.
Diskussion über langfristige Strategie
Das UKE will offenbar eine Diskussion über eine langfristige Strategie entfachen, die zum Tragen kommen müsste, falls die Suche nach einem Impfstoff schwierig wird. Burkhard Göke, Ärztlicher Direktor des Klinikums, sagte: „Keiner spricht über diese Möglichkeit. Das treibt uns um.“ Göke betonte aber auch: „Es gibt keine UKE-Linie zum Plan B. Wir machen keine Politik.“
Der Ärztliche Direktor befürchtet, dass es Ende August oder im September zu einer zweiten Welle der Coronafälle mit schwerwiegenden Folgen für das Gesundheitssystem kommen könnte. „Dann könnte sich die alljährliche Influenza-A-Welle mit der Covid-19-Pandemie paaren – das macht mir große Sorgen“, sagte er.