Hamburg. 40 Krebspatienten und Mitarbeiter wurden mit dem Coronavirus angesteckt. Erster Positiv-Test am 5. April. Das Klinikum wehrt sich.

Die Lage im Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) sei „kontrolliert und ruhig“ – das betonten leitende Mediziner des Krankenhauses wie die Infektiologin Marylyn Addo immer wieder, zuletzt erst in der vergangenen Woche. Nun steht die Frage im Raum, warum das UKE gleichzeitig offenbar der Öffentlichkeit eine Welle von Corona­infektionen auf den sensiblen Krebsstationen verschwiegen hat.

Am Mittwoch verteidigte das Klinikum sein Vorgehen: Um Patienten zu schützen, habe das UKE „erst einmal nach innen gewirkt“, sagte Joachim Prölß, Direktor für Patienten- und Pflegemanagement und Mitglied des Vorstands. Über die Frage, welche Informationen zu welcher Zeit für die Öffentlichkeit wichtig seien, könne man aber „sicherlich diskutieren“. Die Angaben des UKE stehen teilweise im Widerspruch zu denen der Gesundheitsbehörde.

Pfleger bereits am 5. April positiv auf Coronavirus getestet

Bereits am 5. April sei ein Pfleger aus der Onkologie positiv auf das neuartige Coronavirus getestet worden. Ob diese Person das Virus einschleppte oder ein Krebspatient es mitbrachte, sei unklar. Am 6. April sei bei sieben Leukämiekranken Sars-CoV-2 nachgewiesen worden. Diese wurden vorsorglich auf die Intensivstation verlegt, wie Prölß sagte.

In der vergangenen Woche seien dann weitere Krebspatienten sowie 20 UKE-Mitarbeiter positiv getestet worden, unter ihnen Pfleger, eine Putzhilfe, Ärzte und Physiotherapeuten. Aktuell sind noch 18 Krebspatienten an Covid-19 erkrankt. 15 von ihnen befinden sich auf einer Isolierstation, drei auf der Intensivstation, wie der Krebsarzt Prof. Carsten Bokemeyer, Direktor der II. Medizinischen Klinik und Poliklinik, sagte.

Angst bei den Patienten

Bokemeyer betonte, seit dem ersten Covid-Fall im Zentrum für Onkologie seien dort etwa 350 andere Krebspatienten ohne Covid-19 versorgt worden. Bei den Coronapatienten handele es sich also um einen „kleinen Teil“. Mit zunehmenden Infektionen werde die Kombination aus Krebs und Covid-19 aber „etwas sein, was wir häufig sehen werden“. Eine adäquate Behandlung sei am UKE „gut sichergestellt“. Krebspatienten gelten als besonders gefährdet, durch eine Infektion mit respiratorischen Viren eine Lungenentzündung zu erleiden.

Leiter der Krankenhaushygiene informiert über Vorgehen am UKE
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    Bis zu der Häufung von Covid-19-Fällen am Zentrum für Onkologie hielt das UKE allerdings regelhafte Testungen von Mitarbeitern und Patienten nicht für notwendig. Ein Krebspatient, der bereits nach Beginn der Einschränkungen des öffentlichen Lebens im UKE stationär behandelt wurde, sagte dem Abendblatt, sein Wunsch nach einem Test sei von Pflegerinnen unwirsch abgelehnt worden. „Es hieß, wenn jemand Symptome zeige, dann werde man sich schon darum kümmern“. Der Aufenthalt im UKE sei von der Angst geprägt gewesen, sich bei anderen Patienten anzustecken. „Für mich ist das grob fahrlässig“, so der Patient, der anonym bleiben möchte.

    Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts

    Das UKE erklärt, es habe sich in der „hochdynamischen Lage“ auch an den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts orientiert. Neu aufgenommene Patienten hätten bereits vor der Infektionswelle einen Fragebogen dazu ausfüllen müssen, ob sie in Risikogebieten waren oder mit Infizierten Kontakt hatten.

    Bereits bei zwei der ersten vier Coronainfizierten in Hamburg handelte es sich um UKE-Mitarbeiter. Bis heute haben sich dem Klinikum zufolge 47 Mitarbeiter mit dem Virus angesteckt. Die Infektionen in der Onkologie seien bisher gut bewältigt worden. „Aus unserer Sicht war die Lage zu jeder Zeit kontrolliert. Mitte letzter Woche war die Anzahl der Patientinnen und Patienten gering“, sagte UKE-Sprecherin Saskia Lemm.

    Gesundheitsamt: UKE hat erste Infektionen „verspätet“ gemeldet

    Obwohl nach Darstellung des UKE bereits vom 6. April an alle Covid-19-Fälle in der Onkologie „unmittelbar“ an das Gesundheitsamt Nord und die zuständigen Wohnsitzämter der Betroffenen weitergeleitet wurden, erfuhr die Öffentlichkeit noch am Dienstag bei der Landespressekonferenz von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) nichts darüber. Von der Gesundheitsbehörde (BGV) heißt es, die Behördenleitung sei erst am Dienstagabend vom UKE über das Ausmaß der Fälle informiert worden, als der „Spiegel“ die Infektionswelle öffentlich machte.

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      Nach Angaben des Gesundheitsamts habe das UKE die ersten Infektionen auf den Krebsstationen „verspätet“ gemeldet. Allerdings machten sich Mitarbeiter des Gesundheitsamts am Karfreitag im UKE ein Bild von der Lage – und es gibt eine tägliche Schaltkonferenz der Gesundheitsämter mit der BGV. Kann dem Senat das Ausmaß also erst am Dienstagabend klar geworden sein? Von der BGV hieß es, man habe vom Gesundheitsamt Nord einen „chronologischen Bericht“ angefordert. Man gehe den „öffentlich aufgeworfenen Fragen“ nach, sagte ein Senatssprecher.

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