Hamburg. Ein Start von kommendem Montag an gilt als unwahrscheinlich. Auch Kitaträger  fordern mehr  Vorbereitungszeit .

Bis Ende der Woche sind Hamburgs Kitas und Schulen noch geschlossen, so viel ist sicher. Doch wie geht es danach weiter? Diese Frage beschäftigt alle Eltern und Kinder, Lehrer und Erzieher. Doch die Antworten der Wissenschaftler und Politiker fallen derzeit noch sehr unterschiedlich aus. Ebenso wie die für die Kitas zuständige Sozialbehörde will sich Schulsenator Ties Rabe (SPD) zu Überlegungen, wann und wie an Schulen der Unterricht wieder aufgenommen werden kann, noch nicht äußern. „Wir warten ab, was bei den Gesprächen zwischen den Ministerpräsidenten der Länder und der Bundeskanzlerin herauskommt“, sagte Sprecher Peter Albrecht.

Eine zentrale Rolle werden aber wohl die Empfehlungen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina spielen, wonach eine stufenweise Öffnung der Schulen angeregt wird, zunächst für die Klassen, in denen Abschlussprüfungen anstehen oder deren Schüler sich auf einen Schulwechsel vorbereiten. Dabei sollten die Lerngruppen nicht mehr als 15 Schüler umfassen und sich der Unterricht auf Kernfächer konzentrieren.

Generelles Infektionsrisiko könnte Eltern abschrecken

Nach Abendblatt-Informationen gilt es als wahrscheinlich, dass der Schulstart zunächst nur auf freiwilliger Basis erfolgen kann, weil befürchtet wird, dass sich Eltern andernfalls in größerer Zahl weigern könnten, ihre Kinder wegen des generellen Infektionsrisikos in die Schule zu schicken. Vermutlich wird auch das Prinzip der Freiwilligkeit anfangs für die Lehrer gelten. Eine weitere Frage ist, ob Pädagogen, die einer Risikogruppe angehören, zum eigenen Schutz zunächst von der Rückkehr an die Schule ausgeschlossen werden sollen. Denkbar ist, dass der Unterricht in Teilgruppen so organisiert wird, dass die eine Hälfte einer Klasse in einer Woche drei Unterrichtstage und in der darauffolgenden zwei Tage hat, beziehungsweise umgekehrt.

Insider rechnen nicht damit, dass der erste Schritt zur Öffnung der Schulen schon am Montag der kommenden Woche erfolgen wird. Begründung: Die Zeit zur Umsetzung und Organisation der dann vorgesehenen Maßnahmen sei für die Schulen zu kurz.

Gewerkschaft fordert klare Rahmenbedingungen

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) stellte am Dienstag klar, dass die Schulen nur wieder geöffnet werden könnten, wenn der Gesundheits- und Infektionsschutz für alle Schüler und Beschäftigten gewährleistet werden könne. „Dafür brauchen wir klare Rahmenbedingungen, für die die Schulbehörde sorgen muss. Sind diese nicht gegeben, kann es keine Öffnung geben“, sagte die Hamburger Landesvorsitzende Anja Bensinger-Stolze. Vor diesem Hintergrund sieht sie einen Neustart zunächst an den Grundschulen sehr kritisch. „Jeder, der einmal an einer Grundschule gearbeitet hat, weiß, dass dort in der Praxis weder Abstand noch konsequente Hygienemaßnahmen möglich sind.“

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Auch hat Bensinger-Stolze Zweifel, dass die Abstands- und Hygieneregeln bei den anstehenden Prüfungen zum Ersten und Mittleren Schulabschluss sowie zum Abitur eingehalten werden könnten. Die GEW forderte, auf diese Prüfungen zu verzichten oder es den Schülern zu überlassen, ob sie freiwillig antreten wollen. Die Elternkammer hat noch kein offizielles Meinungsbild beschlossen, aber viel diskutiert. „Die Eltern sind beunruhigt. Wenn die Schulen öffnen, dann bitte so, dass sich unsere Kinder garantiert nicht anstecken“, sagte der Vorsitzende Marc Keynejad. Dabei seien auch der Schulweg sowie die Pausen mit zu bedenken.

Unterschiedliche Szenarien

Auch bei den Hamburger Kitaträgern heißt es derzeit: warten – und für die unterschiedlichen Szenarien planen. Während der städtische Betreiber Elbkinder sich aktuell nicht dazu äußern und zuerst die politische Entscheidung abwarten möchte, sprechen sich andere große Träger nur für eine schrittweise Öffnung aus.

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„Die Kitas müssen wieder öffnen, aber jetzt von null auf hundert komplett zu starten, macht keinen Sinn“, sagt SterniPark-Chefin Leila Moysich. „Wir gehen davon aus, dass das System langsam wieder hochgefahren wird.“ Schon jetzt zeige sich, dass mehr Kinder in die Notbetreuung gegeben werden, so Moysich. In der ersten Woche seien es in allen Häusern gerade mal 40 Kinder gewesen, jetzt schon mehr als 100. Bei einer kompletten Öffnung riskiere man derzeit aber nicht nur die Gesundheit der Kinder, sondern auch, dass alle Betreuer sich anstecken und ausfallen könnten. So gebe es Überlegungen, die Kinder erst mal in kleineren Gruppen zu betreuen, damit bei einem Krankheitsfall nicht zwingend die ganze Kita geschlossen werden muss. Dabei wurde auch diskutiert, ob die Erzieher einen Mundschutz tragen sollten. „Wir haben uns dagegen entschieden“, sagt Moysich. „Masken würden den Kindern noch mehr Angst machen.“

Die Kitabetreiber brauchen Vorbereitungszeit

Die Kitas von kommendem Montag an wieder zu öffnen hält auch das Diakonische Werk Hamburg für verfrüht. „Die Träger benötigen eine ausreichende Vorlaufzeit zur Organisation“, sagt Sprecherin Ulrike Kotthaus. „Außerdem sollte umfassender geklärt sein, wie sich der Übergang in die Regelöffnung weiter gestalten kann, um Trägern und Eltern gemeinsam eine planbarere Perspektive zu ermöglichen. Die Einschätzung der Infektionslage sollte das tatsächlich befürworten.“

Eine „ausreichende Vorbereitungszeit von einigen Tagen“ wünscht sich auch der Paritätische Wohlfahrtsverband, der knapp 350 der rund 1050 Hamburger Kitas von unterschiedlichen Trägern betreut und begleitet. Zudem müsse es „klare Ansagen“ zu „Kann- und Muss-Kindern“, zu Mitarbeitern aus Risikogruppen, Schutzkleidung und einer schnellen Option, Personal zu testen, geben. „Nur so werden wir den Grad zwischen verantwortlichem Betrieb und notwendigem Angebot für die Familien dieser Stadt gut hinbekommen“, sagt der zuständige Referent Martin Peters. „Aber: Wir wollen und wir werden diesen Spagat hinbekommen.“

Verschlechterung der Verfassung vieler Kinder

Derzeit stelle man sich darauf ein, die Kinder am Übergang in die Grundschule als Erste wieder zu betreuen. Auch Kinder aus belasteten Familiensituationen würde man gerne wieder aufnehmen. Mitarbeiter aus Risikogruppen werde man bis auf Weiteres nicht in der direkten Arbeit mit Kindern einsetzen, so Peters. Zudem werde man mit wechselnden Teams arbeiten.

Unterdessen ruft das Deutsche Kinderhilfswerk dazu auf, die Kitas „baldmöglichst“ zu öffnen: „Die fehlenden Kontakte zu Gleichaltrigen in Einkindfamilien, die Bewegungseinschränkungen durch Sperrung von Spielplätzen und die mangelnde Alltagsunterstützung haben jetzt schon zu einer dramatischen Zuspitzung der Gesundheit und seelischen Verfassung vieler Kinder geführt“, schreibt Wolfgang Hammer, Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats, in einem offenen Brief an die Hamburgische Bürgerschaft. „Gerade die Kinder in den ersten sechs Lebensjahren sind wie keine andere Altersgruppe auf Bewegung, Spiel und soziale Kontakte angewiesen. Wenn diese Grundbedürfnisse nicht erfüllt werden, drohen langfristige Entwicklungsrückstände und Persönlichkeitsstörungen.“