Hamburg. Auf dem Stintfang und in ganz Norddeutschland stehen alle Häuser zwangsläufig leer. Die vielen Stornierungen bereiten große Sorgen.

Unter normalen Umständen würden Sven Seidler und seine Kollegen in den Tagen vor Ostern permanent rotieren, denn dann geht die Saison üblicherweise richtig los. Doch weil in diesem Frühjahr mit der Coronapandemie nichts ist wie sonst, ist es in der Jugendherberge „Auf dem Stintfang“ in Hamburg fast gespenstisch ruhig. Seit dem 18. März bleiben die 356 Betten in den 88 Zimmern wegen der Coronapandemie zwangsläufig leer.

„Wir haben etwa 30 eigene Mitarbeiter“, sagt Herbergsleiter Seidler, außerdem gebe es zwei externe Dienstleister, die für die Reinigung und den Wachdienst zuständig seien. Insgesamt seien es an die 50 Menschen, die sonst in der Jugendherberge am Alfred-Wegener-Weg 5 arbeiten. Die Mitarbeiter seien jetzt alle in Kurzarbeit, nur noch wenige, so wie er seien im Haus.

96.000 bis 100.000 Übernachtungen pro Jahr

Die Herberge am Stintfang gehört seinen Angaben zufolge zu den drei stärksten Häusern im Landesverband – „mit 96.000 bis 100.000 Übernachtungen und 42.000 Gästen pro Jahr“. Aber seit dem 18. März habe man keinen einzigen Euro eingenommen. Das Problem ist nicht nur, dass Seidler nicht weiß, wann er wieder Gäste aufnehmen darf, sondern er sorgt sich wegen der Vielzahl an Absagen. „Fast 60 Prozent der Buchungen für das ganze Jahr sind storniert worden“, sagt der Herbergschef. Die Buchungen von Schulklassen, die keine Klassenreisen mehr machen, seien sogar zu 100 Prozent storniert worden. Das sei für sein Haus besonders dramatisch, weil diese Gruppe etwa 35 Prozent aller Gäste ausmache. Und Seidler hat keine große Hoffnung, dass das neue Schuljahr vom Herbst 2020 an Besserung bringt. Denn möglicherweise gebe es ja auch dann erst mal keine Klassenfahrten.

Anfang April sei üblicherweise der Start in die neue Saison. „Dann geht es immer los, wir sind sonst zu 100 Prozent gebucht.“ Aber nicht in diesem Frühjahr: „Wir stehen vor einer ganz ungewissen Zukunft“, sagt Seidler, seit 2012 Leiter des Hauses auf dem Stintfang.

Preisgünstige Übernachtungsmöglichkeit in der Großstadt

Zehn frisch renovierte Zimmer seien auf dem neuesten Stand – und stehen leer, anstatt Gäste zu begeistern. „Das Angebot reicht vom Zweibett- bis zum Sechsbettzimmer jeweils mit eigener Dusche und Toilette. Die drei Achtbettzimmer werden meist von Rucksacktouristen genutzt“, sagt Seidler. Letztere für 29 Euro inklusive Frühstück und Bettwäsche eine sehr preisgünstige Übernachtungsmöglichkeit in der Großstadt.

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Wie der Jugendherberge Auf dem Stintfang ergeht es auch den anderen Häusern im Norden. Stefan Wehrheim ist hauptamtlicher Geschäftsführer des DJH-Landesverbands Nordmark. Zum Verband der Deutschen Jugendherbergen (DJV) gehören neben dem Haus am Stintfang und der Herberge Horner Rennbahn 43 weitere Häuser im Norden, davon 39 in Schleswig-Holstein und vier in Niedersachsen. Zwei Herbergen, jene auf Helgoland und in Neumünster, sind sogenannte Anschlusshäuser, eine weitere in Pahlen im Kreis Dithmarschen ist ein Selbstversorgerhaus.

Wie im Tierreich

Wehrheim spricht von 800 Mitarbeitern, die von der Schließung der Häuser derzeit massiv betroffen sind. Dazu zählt die Geschäftsstelle in Hamburg mit 30 Mitarbeitern. „Wir sind ein größeres mittelständisches Unternehmen“, beschreibt der Geschäftsführer die Situation. „Wir haben derzeit keine Belegung und keine Umsätze.“

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Die Jugendherbergen kämen aus der schwierigen kalten Jahreszeit, und in diesen Wochen gehe das Geschäft üblicherweise richtig los. Es sei ein wenig wie im Tierreich, sagt Wehrheim: „Wir müssen uns im Sommer den Winterspeck anfuttern.“

Zwei Häuser werden gerade aufwendig saniert

Den erwarteten Umsatzverlust bis zum 19. April 2020 beziffert er mit etwa vier Millionen Euro. Und sollte auch nach dem 20. April keine Beherbergung von Gästen erlaubt sein, werde die Situation noch kritischer. Im vergangenen Jahr habe der Jahresumsatz 39 Millionen Euro betragen – bei mehr als einer Million Übernachtungen in allen Häusern.

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Die Vorbuchungen seien sehr vielversprechend gewesen. Im ersten Halbjahr seien Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten finanziell entscheidend. „Die fallen in unserer Kalkulation jetzt raus“, sagt Wehrheim. Gewisse finanzielle Grundlasten seien aber auch vorhanden, wenn keine Gäste in den Häusern seien.

Informationen zum Coronavirus:

Zwei große Sanierungen der Häuser in Büsum und Wittdün auf Amrum für insgesamt 14 Millionen Euro machen dem Verband derzeit besonders zu schaffen. Diese Arbeiten könne man auch in der derzeitigen Situation nicht einfach unterbrechen. Man arbeite viel mit kleinen regionalen Handwerksbetrieben, die Verträge könne man nicht einfach stornieren, „wir haben da eine Verpflichtung“, sagt Wehrheim. Der Geschäftsführer des Jugendherbergsverbandes hofft nun auf konkrete Unterstützung durch die Politik.