Hamburg. Experten fordern „Leuchtturmberufung in der Biologie“. Das stellt die Universität aber vor mehrere Herausforderungen.

Sie ist derzeit das Gesicht der Hamburger Wissenschaft in den Medien: Marylyn Addo, Professorin am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE). Die Ärztin und Infektiologin arbeitete 15 Jahre lang an der Harvard Medical School im US-amerikanischen Boston, bevor sie nach Hamburg kam. Hier zieht die Forscherin nun viel Aufmerksamkeit auf sich, weil sie in einer klinischen Studie erprobt, ob das gegen Ebola entwickelte Mittel Remdesivir gegen das neuartige Coronavirus hilft. Außerdem ist Addo an der Entwicklung eines Impfstoffs beteiligt.

Gemeinsam mit Addo trat vor Kurzem Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) vor die Presse. Wissenschaftler zählten in der Coronakrise zu den „wichtigsten Menschen“, sagte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin – und erklärte bei dieser Gelegenheit, die Infektionsforschung in der Hansestadt solle ausgebaut werden. Ein weiteres Ziel sei, vorhandene Kompetenzen „noch stärker zu bündeln“.

Rat fordert Fokus auf Infektionsforschung in Hamburg

Was Fegebank damit nur andeutete: Ungeachtet vieler Erfolge, etwa der Anstellung von vielversprechenden Spitzenkräften wie Marylyn Addo, gibt es in der hiesigen Infektionsforschung immer noch eine Baustelle. Dabei geht es um die Rolle der Universität Hamburg.

Schon 2016 hatte der Wissenschaftsrat geschrieben, für Teile der Biologie an der Universität sei eine „verstärkte Anbindung“ an die Infektionsforschung empfehlenswert – durch Kooperationen mit der Chemie, mit dem UKE und mit außeruniversitären Instituten. Daraus könne sich ein überregionaler Schwerpunkt in der Infektionsforschung ergeben.

2018 kam die „Beratungsgruppe Biologie“, ein Gremium aus externen Professoren, zu einem ähnlichen Ergebnis: Zwar gebe es in Hamburg ein „einzigartiges Cluster“ von außeruniversitären In­stitutionen für Infektionsbiologie. An der Universität sei die Infektionsbiologie aber „als Thema wenig sichtbar und im Fachbereich Biologie (der ein ausgezeichnetes Bindeglied wäre) so gut wie nicht existent“, schrieben die Gutachter.

Fachbereich Biologie braucht Führungspersönlichkeiten

Nur durch das Zusammenwirken von universitären und außeruniversitären Einrichtungen könnten Standorte im nationalen Wettbewerb erfolgreich sein. Die Professoren plädierten unter anderem für eine „Leuchtturmberufung in der Biologie, um den Fachbereich mit einer Führungspersönlichkeit auszustatten, die sich der standortweiten Integration und des Ausbaus der Infektionsforschung“ annehmen solle.

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    Diese Einschätzung sei immer noch aktuell, sagt Prof. Egbert Tannich, Leiter des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin (BNITM), das zur Leibniz-Gemeinschaft gehört. „Wir haben in Hamburg zwar ein außerordentliches Potenzial und die kritische Masse, um eine sehr gute, international wettbewerbsfähige Infektionsforschung zu betreiben“, sagt Tannich. Allerdings stütze sich die Infektionsforschung an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Uni bisher zu stark auf die Expertise außeruniversitärer Einrichtungen wie die des BNITM.

    Exzellenzcluster in der Infektionsforschung

    So habe das Tropeninstitut mit der Uni im Fachbereich Biologie die zwei Professoren Jonas Schmidt-Chanasit und Tim Gilberger sowie die Professorin Esther Schnettler berufen, die aber überwiegend vom BNITM finanziert werden. „Das war einer unserer Beiträge, um die Infektionsbiologie an der Universität zu stärken“, sagt Tannich.

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    Universitätspräsident Prof. Dieter Lenzen hatte im Juli 2019 erklärt, seine Hochschule werde womöglich in der nächsten Runde des Exzellenzwettbewerbs Fördergeld für einen Exzellenzcluster in der Infektionsforschung beantragen. Das wäre in fünf Jahren. BNITM-Chef Egbert Tannich sagt: Wenn die Uni damit erfolgreich sein wolle, müsse sie auch eigenständig Top-Wissenschaftler berufen, die national und international in der Infektionsforschung ausgewiesen seien.

    Kooperation am Desy zu Corona-Wirkstoffen

    Das bestätigen Vertreter der Hochschule. „Insbesondere die Uni braucht zusätzliche Köpfe, die das Thema vorantreiben“, sagt Chris Meier, Professor am Fachbereich Chemie und wissenschaft­licher Leiter des neuen Zentrums für strukturelle Systembiologie (CSSB) Bahrenfeld. Zwar gibt es viele Kooperationen.

    Ein aktuelles Beispiel: Am Desy in Bahrenfeld beginnt eine Studie, in der mehrere Tausend bereits existierende Wirkstoffe daraufhin untersucht werden sollen, ob sie auch gegen das neuartige Coronavirus helfen. An den Arbeiten beteiligt seien sollen Forscher der Universitäten Hamburg und Lübeck, der Fraunhofer-Gesellschaft sowie des Bernhard-Nocht-Instituts. Verbessern lasse sich aber die Koordination zwischen den Partnern in Hamburg, sagt Chris Meier.

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    Der Forscher arbeitete schon vor der Coronakrise mit Kollegen daran, einen Hamburger Schwerpunkt in der Infektionsforschung aufzubauen, an dem die Universität, die Institute der Leibniz-Gemeinschaft in Hamburg und das Deutsche Elektronen-Synchrotron beteiligt wären. Dabei könnte es um die Vorbereitung auf neuartige Erreger gehen, um Antibiotika-Resistenzen oder um die Entwicklung von Impfstoffen, sagt Meier. Nun soll bis zum Jahresende eine Einigung stehen.

    Finanzierung für zwei zusätz­liche Professuren

    Auch die von Katharina Fegebank geführte Wissenschaftsbehörde wurde schon vor der Coronakrise aktiv, fördert bereits fünf von der Uni geführte Projekte in der Infektionsforschung mit zehn Millionen Euro. Darin enthalten ist eine Anschubfinanzierung für zwei zusätz­liche Professuren, „um die universitäre Seite zu stärken“. Ab 2021 soll es für diese Professuren zusätzliche Mittel geben. Weitere Professuren seien „denkbar“, erklärt die Behörde.

    Dieter Lenzen sagt, die Uni bereite entsprechende Berufungen vor. Allzu hohe Ansprüche könne sich seine Hochschule aber nicht leisten, denn international renommierte Infektionsforscher verlangten sehr hohe Gehälter. „Superstars von Elite-Universitäten wie Harvard werden wir nicht bekommen.“

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