Hamburg. Innerhalb weniger Stunden gelang es der privaten Hochschule, den Betrieb auf digitales Studieren umzustellen. Anlass war ein Anruf.

Bis zur Mittagspause war der 12. März für Meinhard Weizmann ein relativ normaler Tag. Gut, der Geschäftsführer der Bucerius Law School machte sich Gedanken darüber, wie man den Lehrbetrieb angesichts steigender Coronazahlen aufrechterhalten und Studenten sowie Professoren vor dem Virus schützen kann. Aber die Frage, ob man den Campus schließen muss, stellte sich am 12. März bis zwölf Uhr nicht.

Dann ging Weizmann zum Mittagessen, bekam einen Anruf – und zwei später war an der Bucerius Law School nichts mehr, wie es in den 20 Jahren seit der Gründung gewesen war.

Kollege hatte Kontakt mit Coronainfizierten

„Als ich beim Essen saß, rief mich ein Kollege an: Ein Student hatte ihn darüber informiert, dass er Kontakt zu mindestens zwei Menschen gehabt hätte, die positiv auf Corona getestet worden waren“, sagt Weizmann. Er habe dann nicht lange nachgedacht, und „sofort entschieden, dass der Campus bis 14 Uhr geräumt werden muss“.

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Tatsächlich waren zwei Stunden später nur noch vereinzelt Leute auf dem Gelände der Hochschule in der Nähe der Messehallen, und für Außenstehende muss es so ausgesehen haben, als sei der Lehrbetrieb zum Erliegen gekommen.

Lehrbetrieb komplett auf digital umgestellt

Doch das stimmte nicht: Denn Weizmann hatte nicht nur angesagt, dass der persönliche Kontakt zwischen Studierenden und Lehrenden sofort zu beenden sei. Gleichzeitig liefen Planungen an, den Lehrbetrieb komplett auf digital umzustellen.

Wie schnell das an der Bucerius Law School mit ihren 600 Studierenden und 200 Mitarbeitern gehen kann, zeigte sich schon am 12.März. Eine Kleingruppe, in der bis zu 17 Menschen lernen, hatte die Anweisung des Geschäftsführers um 14 Uhr vom Campus vertrieben. „Eine halbe Stunde später haben die ihre Sitzung virtuell fortgesetzt. Die jungen Leute machen so etwas ganz selbstverständlich“, sagt Weizmann.

"Zeit"-Stiftung investiert seit Jahren in Digitalisierung

Seine Hochschule ist eines der Beispiele dafür, wie es funktionieren kann. Das liegt auch daran, dass die „Zeit“-Stiftung, die hinter der Bucerius Law School steckt, dieser seit vier Jahren verstärkt Geld für die Digitalisierung zur Verfügung stellt.

So war es für das Team von Weizmann kein Problem, alle Studierenden, Professoren und Mitarbeiter per Mail über die neue Situation zu informieren, und den Lehrbetrieb innerhalb kürzester Zeit so fortzusetzen, als würde es Corona gar nicht geben. In den vergangenen zwei Wochen bestand der Hochschulbetrieb aus 606 virtuellen Meetings mit 4050 Teilnehmern, die zusammen auf 295.045 Meeting-Minuten kamen.

Selbst Klausuren wurden wie geplant durchgeführt. „Wir haben die Studierenden gefragt, ob sie die Klausuren jetzt von zu Hause schreiben oder nach dem Ende der Coronakrise nachholen wollen“, sagt Weizmann. Nur 21 hätten sich für die zweite Variante entschieden. Die anderen bekamen die Aufgaben über eine Prüfungssoftware auf ihre privaten Rechner geschickt, hatten dann drei Stunden Zeit, um sie zu bearbeiten, und 15 Minuten, um die Ergebnisse hochzuladen.

Nach Täuschungsversuch mit Webcams gearbeitet

„Weil wir beim ersten Versuch einen kleinen Täuschungsversuch hatten, haben wir bei den nächsten Klausuren mit Webcams gearbeitet“, sagt Weizmann. Soll heißen: Die zu Prüfenden mussten sich zu Beginn der Klausuren bei der Videoplattform Zoom einloggen: Sie wurden dann von Aufsichtskräften der Bucerius Law School per Bildschirm beobachtet, „genauso, wie das normalerweise im Hörsaal der Fall gewesen wäre“.

Jede Aufsichtskraft sei für etwa 50 Studierende zuständig gewesen, es hätte überhaupt keine Probleme gegeben. Und die Klausuren seien, soweit man das bisher überblicken könne, auch nicht schlechter oder besser ausgefallen als früher: „Wobei bei Juristen besser ja schon heißt, wenn etwas voll befriedigend ist“, sagt Weizmann.

Übergang zum virtuellen Lehrbetrieb reibungslos

Dass der Übergang vom analogen zum virtuellen Lehrbetrieb so reibungslos gelaufen ist, liegt, neben der Größe der Uni, vor allem an den Video-Konferenzen, die über die Plattform Zoom möglich sind: „Das Prinzip ist so selbsterklärend, dass ich Diskussionen über den Ausfall eines Semesters schwierig finde“, sagt Weizmann. „An sich kann wirklich jeder von heute auf morgen eine Vorlesung über Zoom machen.“

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Die Bucerius Law School geht sogar noch weiter: Dort gibt es inzwischen auch das wöchentliche After-Work-Meeting virtuell, der für Anfang April geplante Schnuppertag wird nicht ausfallen, sondern über Youtube zu erleben sein: Mit der Begrüßung der Interessierten, einer Vorlesung, und, und, und. Selbst Praktika in großen Kanzleien seien virtuell möglich, sagt Weizmann.

Wann wird das Hochschulleben normal weitergehen?

Es bleibt die eine, alles entscheidende Frage, die der Geschäftsführer im Moment jeden Tag und mehrfach gestellt bekommt: Wann wird das Hochschulleben normal weitergehen? „Wenn wir das bloß wüssten“, sagt Weizmann. Zunächst seien alle auf dem Campus geplanten Veranstaltungen bis zum 13. April abgesagt, „ich befürchte, dass diese Frist noch verlängert werden muss“.

Betreffender Student hat sich testen lassen

Grundsätzlich lasse er das Sommersemester, das am 27. April beginnt, so planen, als könne wie bisher der Campus genutzt werden. „Auf Zoom ausweichen können wir ja von heute auf morgen, das haben die vergangenen Wochen gezeigt“, sagt Weizmann. Und: „Wir stellen uns eher auf eine längere Zeit der virtuellen Lehre ein. Aber alles in allem werden wir eine Präsenz-Hochschule bleiben. Ich merke bei allen Mitarbeitern, dass sie am sozialen Miteinander hängen. Wir alle glauben, dass es sehr, sehr wichtig ist, zusammen zu kommen.“

Übrigens: Der Student, der am 12. März all das ausgelöst hat, hat sich natürlich auf Corona testen lassen. Das Ergebnis: negativ.