Hamburg. Prof. Marylyn Addo ist vorsichtig optimistisch. Sie hofft auf zwei Medikamente und die Nutzung von Antikörpern.
Zuerst muss sich Prof. Marylyn Addo anhören, wie sehr es jetzt auf sie ankommt: Das UKE spiele eine „herausragende Rolle“ im Kampf gegen das Coronavirus, sagt Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) am Freitag in dem Universitätsklinikum – sowohl bei der Versorgung von Patienten als auch der Suche nach Gegenmitteln und Impfstoffen.
Corona: Chef-Virologin Addo ist vorsichtig optimistisch
Und tatsächlich verbreitet die dortige Chef-Virologin Addo im Anschluss so etwas wie vorsichtigen Optimismus. Sie wirbt aber auch um Verständnis dafür, dass es für die Forschung noch ein langer Weg zu einer Lösung der Krise ist.
Derzeit sei die Situation im UKE noch „kontrolliert und ruhig“, sagt Addo. „Wir warten immer noch auf den großen Anstieg an Patienten.“ 32 Infizierte wurden am Freitagnachmittag in der Klinik stationär behandelt – zwölf von ihnen intensivmedizinisch. In allen Abteilungen gebe es mehr als genug Kapazitäten: „Wir sind noch weit von unseren Grenzen weg“, so die Virologin.
Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen
- Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Hände waschen
- Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
- Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
- Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten, die Infektionssymptome zeigen
- Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen
Ebola-Mittel geht in die Erprobungsphase
16 Coronapatienten konnten zudem bereits aus dem UKE entlassen werden – in den vergangenen Tagen sei die Zahl der Abgänge etwa ebenso hoch gewesen wie die der neu aufgenommen Patienten. „Wir schicken die geheilt nach Hause“, sagt Addo. Entweder sei das Virus bereits nicht mehr nachweisbar oder der Zustand der Menschen so gut, dass sie sich in häuslicher Isolation weiter auskurieren könnten.
Parallel laufen am UKE die letzten Vorbereitungen, um Medikamente zu erproben, die das Virus direkt im Körper der Patienten bekämpfen könnten. Die Universitätsklinik ist direkt in eine klinische Studie zur Wirksamkeit des Ebola-Mittels Remdesivir gegen den neuartigen Coronavirus eingebunden.
„Wir warten täglich auf die Lieferung des Medikaments“, sagt Marylyn Addo. Auch wenn das Mittel sich bei Ebola nicht als umfassend wirksam erwiesen habe und für die Behandlung von Covid-19 noch nicht klinisch zugelassen ist, berge der bekannte Wirkstoff Vorteile: „Wir wissen schon, welche Nebenwirkungen zu erwarten sind“, so Addo.
Wissenschaft ist im Kampf gegen das Virus eng vernetzt
Aus den USA war berichtet worden, dass Remdesivir den Zustand von Patienten praktisch über Nacht deutlich verbessert habe. Dabei handelt es sich jedoch nicht um kontrollierte klinische Ergebnisse. Auch bei dem ebenfalls als vielversprechend geltenden Malaria-Medikament Chloroquin fehlen laut der Virologin solche gesicherten Erkenntnisse.
Die Wissenschaft sei im Kampf gegen das neue Coronavirus eng vernetzt, betont Addo – auch zu dem Zweck, sich nicht in medizinischen Sackgassen zu verrennen. So gebe es inzwischen erste klinische Studien zu zwei weiteren Medikamenten, die nach erster Einschätzung von Medizinern auch eine Chance gegen den neuen Erreger bieten. Eine hohe Wirksamkeit habe dabei aber nicht festgestellt werden können, sagt Marylyn Addo. Entsprechend werden sie nicht mehr priorisiert weiter erforscht.
Testverfahren auf Antikörper in der Entwicklung
Aktuell ist vor allem die Nutzung von Antikörpern ein großes Thema in Kliniken und der Forschung. Diese bilden sich bei Coronapatienten im Verlaufe einer Infektion. Auf zweifache Weise könnten die Antikörper gegen die Epidemie helfen: Als zusätzliches Testverfahren und ebenfalls als potenziell wirksames Gegenmittel in der Behandlung.
Mehrere Testverfahren auf Antikörper befänden sich derzeit in der Entwicklung – und auch das UKE wirke bei der Evaluierung der Ergebnisse mit. „Diese Entwicklung ist aber noch in einem sehr frühen Stadium“, sagt Marylyn Addo. Probleme bereiten demnach vor allem die Tatsache, dass bereits vor der Verbreitung des neuen Erregers rund zehn Prozent der grippalen Infekte in der Bevölkerung durch die bekannten Coronaviren verursacht worden seien.
Antikörper-Methode muss noch geschärft werden
Die Testverfahren könnten sich von den dabei entstandenen Antikörpern täuschen lassen. Es gelte deshalb zunächst, die Methode noch weiter zu schärfen. „Man ist noch nicht da angelangt, dass das im großen Stil angeboten werden kann“, so die Expertin.
Bei dem Versuch, Antikörper zur Heilung von Coronapatienten zu verwenden, sei die Situation noch ähnlich. In der Praxis könnte aus dem Blutplasma von genesenen Patienten ein Medikament gewonnen werden, das das Virus auch im Körper von noch akut infizierten Menschen bekämpft.
Dazu könnten auch gentechnisch veränderte Mäuse mit einem „humanisierten Immunsystem“ genutzt werden – erst jüngst habe es wissenschaftliche Hinweise darauf gegeben, dass eine Antikörper-Therapie gegen Corona erfolgversprechend sei.
Interaktive Karte zum Coronavirus
Addo bittet um Geduld beim Impfstoff
Auch bei der Suche nach einem Impfstoff mache die Wissenschaft weiter Fortschritte – mit einem Durchbruch rechnet Addo aber auch hier erst frühestens in der zweiten Jahreshälfte. Am weitesten sei die Forschung zu sogenannten RNA-basierten Impfstoffen. In Deutschland könnten diese im Juni in die praktische Erprobung gehen.
Auch im UKE ist man an einem Ansatz beteiligt und könne von früheren Erfahrungen profitieren. Marylyn Addo bittet jedoch um Geduld: „Wir wissen ja erst seit einigen Monaten von dem Virus“ – die Wissenschaft mache für ihre Verhältnisse in geradezu atemberaubender Zeit Fortschritte. „Das hat es so schnell noch nie gegeben.“
Senatorin Fegebank will „Spitzenposition“ Hamburgs
Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) sprach davon, die virologische Forschung in Hamburg weiter intensiv fördern zu wollen. Ziel sei, „eine Spitzenposition“ der Stadt in diesem Bereich zu erreichen. Mit dem UKE, dem Bernhard-Nocht-Institut und weiteren Stellen verfüge Hamburg bereits über „eine wahnsinnige Infrastruktur, auf die wir stolz sein können“, sagte Fegebank.
Damit es weiter vorangehe, würden sie und der Senat neben bereits beschlossenen Mitteln von zehn Millionen Euro „weiter unsere Beiträge leisten“.
Corona: Virologin Addo rechnet mit deutlichem Anstieg der Fälle
Unmittelbar gilt es, das UKE und die anderen Krankenhäuser für eine weitere Verschärfung der Lage zu rüsten. Die Virologin Addo sagt, die derzeitigen Zahlen an Neuinfektionen in Hamburg lägen teilweise niedriger, als dies angesichts der Rückreisewelle am Ende der Skiferien zu erwarten gewesen sei. Es bleibe schwierig, belastbare Aussagen zu treffen. Man rechne aber weiterhin mit einem deutlichen Anstieg.
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Mit Interesse verfolgt Addo die Pläne des Bundesinnenministeriums, auch in Hamburg die Zahl der Coronatests noch einmal deutlich zu steigern. Sie geht davon aus, dass der Bund auch dafür sorge, dass dies am UKE und anderen Kliniken leistbar sei. Beim Schutzmaterial könne man noch auf einen Vorrat zurückgreifen. „Bis Ostern sind wir gut unterwegs“, sagt Addo.