Hamburg. Flüchtlingsinitiativen fühlen sich von Versammlungsbehörde und Bezirksamt Mitte schikaniert.
Das Zelt der Lampedusa-Flüchtlinge am Steindamm in Hamburg wurde am Donnerstagmorgen von Mitarbeitern der Hamburger Stadtreinigung und der Polizei abgebaut. Einige der Stadtreinigungsmitarbeiter arbeiteten unter Vollschutz. Eine größerer Gruppe von Bereitschaftspolizisten sicherte die Aktion. Die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ hat bereits angekündigt, sich juristisch gegen die Räumung wehren zu wollen.
Das Zelt am Hauptbahnhof ist seit sieben Jahren eine Mahnwache für das Bleiberecht von Geflüchteten, insbesondere der 300 Menschen die 2013 von der italienischen Insel Lampedusa nach Hamburg kamen. Für die Gruppe, die für das Bleiberecht der Lampedusa-Flüchtlinge, gegen Rassismus und für gleiche Rechte kämpft, habe das Zelt einen enormen symbolischen Charakter. "Gerade in Zeiten von Covid-19 ist es umso wichtiger, dass Protest sichtbar bleibt - daher muss das leere Zelt stehen bleiben dürfen", heißt es auf der Facebook-Seite der Seebrücke Hamburg.
Viele der Geflüchteten leben mit unsicherem Aufenthaltsstatus in prekären Verhältnissen. Für sie war das Zelt Anlaufstelle. Aufgrund der Coronakrise war das Zelt in der vergangenen Woche wie viele andere Einrichtungen geschlossen worden.
Lampedusa-Gruppe sollte Sondergenehmigung beantragen
Der politische Charakter des Zeltes falle aufgrund der Schließung wegen der Coronakrise weg, heißt es aus der Hamburger Versammlungsbehörde. Das Bezirksamt Mitte hätte deswegen eine sogenannte Sondernutzungserlaubnis ausstellen müssen.
Nachdem kein Eintrag auf eine solche Erlaubnis eingegangen sei, habe der Bezirk Mitte festgestellt, dass es sich nur noch um ein Zelt handele und die Stadtreinigung beauftragt, das Zelt abzuräumen. Das Zelt solle, so Sorina Weiland, Sprecherin des zuständigen Bezirksamtes Mitte, auf dem Gelände der Stadtreinigung verwahrt werden.
Seebrücke kündigt juristisches Vorgehen an
"Wir werden gegen dagegen Rechtsmittel einlegen", sagt Christian Lehmann-Feddersen, Mitglied des Vereins Seebrücke Hamburg und dem Bündnis Solidarische Stadt Hamburg.
"Wir haben uns an das Versammlungsverbot gehalten. Trotzdem wird das Zelt, das ein Anlaufpunkt für geflüchtete Menschen ist, ein Ort des Protestes und für den Kampf um Bleiberecht, abgebaut. Aus unserer Sicht ist die Kundgebung nur vorübergehend ausgesetzt und wird nach der Epidemie fortgesetzt."
Aktivisten stellten keinen Antrag auf Weiternutzung
Der Versammlungsbehörde wirft Lehmann-Feddersen vor, die Kommunikation verzögert zu haben: Eine für Montag angekündigte Stellungnahme sei erst am Mittwoch erfolgt: "Am Mittwoch teilte sie mit, dass sie unverändert die Dauerkundgebung für beendet erklärt und dass das Zelt demnach zu entfernen sei. Es sei denn, die Gruppe Lampedusa in Hamburg würde einen neuen Antrag beim Bezirksamt Mitte stellen."
Das habe man nicht getan, weil es aus Sicht der Aktivisten nur zwei mögliche Folgen gegeben hätte: Entweder eine Ablehnung, da ja momentan keine Kundgebungen stattfinden dürften, oder eine Erlaubnis für einen späteren Zeitpunkt. Beides hätte ebenfalls die Entfernung des Zeltes zur Folge gehabt.
Die Linke in Hamburg kritisiert den Abbau des Zeltes
Kritik am Vorgehen der Behörde kommt auch von Seiten der Bürgerschaft. „Ich habe den Eindruck, dass die Corona-Krise für die Behörden ein willkommener Anlass ist, das Zelt abzubauen“, kritisiert Carola Ensslen, Fachsprecherin für Geflüchtetenpolitik der Fraktion Die Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft. „Ich habe Verständnis dafür, dass es Auflagen gibt, dass etwa nur zwei Personen mit dem nötigen Abstand sich im oder am Zelt aufhalten dürfen. Das wäre eine verhältnismäßige Einschränkung im Sinne des Gesundheitsschutzes. Eine weitere Gefährdung, die vom Zelt und den sich dort aufhaltenden Personen ausgehen könnte, sehe ich nicht.“
Das Lampedusa-Zelt sei auch eine Anlaufstelle zur Versorgung und Unterstützung von Betroffenen. "Es wird gerade in den schwierigen Zeiten der Krise gebraucht“, so Ensslen. „Ich erwarte von der Behörde, dass sie nicht einfach im Windschatten von Corona Grundrechte vom Tisch fegt.“
Grünen-Fraktionsvorsitzende kritisiert Bezirksamt scharf
Auch die Grüne Bezirksfraktion Hamburg-Mitte fordert das Bezirksamt auf, die aktuelle Situation der Corona-Pandemie und die damit verbundenen notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung nicht zu nutzen, um in politischen Konflikten Tatsachen zu schaffen. "Gerade in Krisenzeiten drohen die Schwächsten der Gesellschaft unter die Räder zu geraten. Dazu gehören insbesondere Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus und ohne Obdach", heißt es in einer offiziellen Stellungnahme. Sie hätten kaum Möglichkeiten, die Folgen der aktuellen einschneidenden Eingriffe aufzufangen. In dieser Krise sei solidarisches und unbürokratisches Handeln und Helfen gefragt.
Dazu Manuel Muja, Fraktionsvorsitzender: "In und um das Zelt herum wurden seit der Räumung am 16. März keine Verstöße mehr gegen die Allgemeinverfügungen des Hamburger Senats festgestellt. Wir alle erleben gerade eine enorme Solidarität der Bevölkerung und große Akzeptanz für die notwendigen und sinnvollen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Als Grüne Bezirksfraktion Hamburg-Mitte erwarten wir vom Bezirksamt, dass diese Maßnahmen nicht genutzt werden, um in politischen Konflikten Tatsachen zu schaffen. Dieser Eindruck entsteht aber bei dem aktuellen Vorgehen. Weiterhin erwarten wir von dem Bezirksamt eine Zusage, dass das Zelt nach der Aufhebung des Versammlungsverbotes wieder aufgebaut werden darf. Wir haben vom Bezirksamt erwartet, dass man für diese schwierige Zeit auch mit der Lampedusa-Gruppe nach einer gemeinsamen Lösung sucht."