Hamburg/Zypern. Kaum Personal, aggressive Urlauber und große Ungewissheit: Das berichten die 23-Jährige und ihr Großvater aus der Quarantäne.
Ein 90-jähriger Mann aus Stuttgart und seine 23-jährige Enkelin aus Hamburg Rotherbaum hatten eigentlich vor, einen erholsamen Urlaub auf Zypern zu verbringen. Dann wurde eine Frau in ihrem Hotel krank und positiv auf das Coronavirus getestet.
"Das kann man sich gar nicht vorstellen. Hier sind Männer in weißen Schutzanzügen herumgelaufen und haben alles – Teppiche, Fensterscheiben und Tische – mit einer nach Essig stinkenden Flüssigkeit desinfiziert", sagt Carolina Prigge. Die Hamburgerin telefoniert aus ihrem Zimmer im Hotel Salamis Bay Conti Resort aus Zypern mit dem Abendblatt.
Coronavirus: 91-Jähriger mit Enkelin aus Rotherbaum in Quarantäne
Diese vier Wände verlässt sie seit Dienstag kaum noch. "Nur zum Wasser holen gehe ich auf den Flur und in das Nachbarzimmer, um meinem Opa etwas zu bringen", so Prigge. Dieser sei mit seinen fast 91 Jahren der älteste Gast im Hotel und zählt zur Risikogruppe.
Am Sonntag sind die 23-Jährige und ihr Großvater von seiner Heimatstadt Stuttgart über Antalya nach Ercan auf Zypern geflogen. Was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten: In ihrem Flugzeug saß eine an dem Coronavirus erkrankte Frau. Von dem Flugplatz ging es mit verschiedenen Bussen in das etwa eine Stunde entfernte Hotel. Die etwa 65-jährige Infizierte habe in einem anderen Bus gesessen, so Prigge.
Polizisten haben das Hotel abgeriegelt
Im Hotel Salamis Bay Conti Resort wollten Prigge und ihr Großvater nur zwei Tage verbringen, dann sollten sie weiterreisen, zum nächsten Hotel. Am Montagmorgen brachen alle Gäste noch zu einem Ausflug unter anderem in die Hauptstadt Nikosia auf. Teil der Ausflugsgruppe soll auch die erkrankte Frau gewesen sein. Vor Ort habe sie höchstwahrscheinlich mit vielen Menschen Kontakt gehabt.
In der Nacht zum Dienstag sei die Frau dann mit Fieber in ein Krankenhaus gebracht worden. Das erfuhren Prigge, ihr Großvater und die anderen Gäste am Dienstagmorgen gegen 8 Uhr. „Wir wurden von dem Club-Direktor alle auf die Terrasse beordert. Da wurde das Hotel schon abgeriegelt“, sagt Carolina Prigge. Polizisten seien bereits vor Ort gewesen, bevor die Hotelgäste über die Situation aufgeklärt wurden.
Männer in Schutzanzügen sprühen ätzendes Desinfektionsmittel
Die Frau stehe unter Verdacht, sich infiziert zu haben, habe der Direktor den Urlaubern am Dienstagmorgen mitgeteilt. Zu diesem Zeitpunkt hätten alle Reisenden die Nachricht entspannt entgegen genommen. Prigge und ihr Großvater seien noch einmal zum Strand spaziert, auch um den Menschenmassen zu entfliehen.
Gegen 11 Uhr hätten dann Männer in Schutzanzügen das Hotel betreten. Die Gäste sollten auf ihre Zimmer gehen, da das Desinfektionsmittel schlecht für die Lunge sei. "Das hat man durch die geschlossenen Zimmertüren gerochen, das muss ein ätzendes Zeug gewesen sein", so Prigge. Etwa 30 Minuten später habe man dann dem 91-Jährigen und seiner Enkelin mitgeteilt, dass die Frau aus Deutschland positiv auf das Virus getestet wurde und alle im Hotel Anwesenden, auch das Personal, die Unterkunft nun für mindestens 14 Tage nicht verlassen dürften.
Deutsche Urlauber reagieren aggressiv
Während Prigge und ihr 90-jähriger Opa seitdem laut eigenen Aussagen jeden Menschenkontakt meiden, nähmen die übrigen Reisenden aus Deutschland die Quarantäne nicht ganz so ernst. "Die sind alle um die 65 Jahre alt, trotzdem ist ihnen ihr Gesundheitszustand anscheinend egal", sagt Prigge. Sie würden durch die Lobby spazieren und lockere Sprüche klopfen. Mittlerweile sei die Situation im Hotel so angespannt, dass manche Gäste aus Deutschland handgreiflich gegenüber anderen Gästen werden.
Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen
- Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Hände waschen
- Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
- Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
- Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten, die Infektionssymptome zeigen
- Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen
"Am Donnerstag ist die Situation an einem Kaffeeautomaten eskaliert", so Prigge. Ein Mann aus Russland hatte sich angeblich vorgedrängelt, ältere Gäste aus Deutschland hätten daraufhin herumgeschrien. "Die Deutschen hier sind super aggressiv", beschreibt Prigge die Lage in dem abgeriegelten Hotel. Die Leitung habe nun die Klimaanlage komplett ausgestellt und die Aufzüge gesperrt, in der Hoffnung, dass die Urlauber dann auf ihren Zimmern bleiben.
Die Quarantäne macht paranoid
Sie und ihr Großvater hielten sich aus derartigen Konflikten raus. Um ihren Opa nicht anzustecken, telefonierte sie über das Hotel-Telefon mit ihm oder halte Abstand, wenn sie ihm Wasser oder einen Kaffee bringe. Das Essen werde ihnen auf die Zimmer gebracht und sei nicht so lecker. Gesundheitlich gehe es beiden aber noch gut.
"Aber man wird leicht paranoid", so Prigge. "Am Freitagmorgen hatte ich einen leichten Husten, aber ob ich das melden soll, weiß ich nicht." Die Frage sei auch: Was passiert dann?
An Informationen gelangen Prigge und ihr Großvater derzeit nur über ihren Reiseleiter. Der habe eine WhatsApp-Gruppe gegründet und versuche, die Gäste auf dem Laufenden zu halten.
Wer muss für den verlängerten Aufenthalt zahlen?
Zwei Krankenschwestern seien am Donnerstag vollvermummt in jedes der etwa 360 Zimmer gegangen und hätten Fieber und Blutdruck gemessen. Eine oder zwei Personen seien dabei mit Fieber aufgefallen und wurden nun ebenfalls in ein Krankenhaus gebracht. "Ob sie das Virus haben, wurde uns noch nicht gesagt", so Prigge. Denn Tests auf das Coronavirus seien bisher noch nicht an allen Gästen durchgeführt worden.
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"Man weiß nicht, was jetzt noch passiert, ob die Quarantäne noch verlängert wird, weil sich noch mehr infizieren und ob wir unseren verlängerten Aufenthalt hier zahlen müssen", sagt Prigge. Laut der jungen Frau, die in Hamburg Mode studiert, spüre man eine Überforderung. Es gebe viel zu wenig Personal und dass viele Gäste die Quarantäne nicht ernst nähmen, mache die 23-Jährige fassungslos. Dennoch wolle sie sich nicht beschweren.
Coronavirus auf Zypern: Hamburgerin zeigt Symptome
Für ihren Großvater tut es ihr besonders Leid. Er habe sich sehr auf die Reise gefreut und wisse ja nicht, wann und ob er nochmal verreisen könne.
Um 11.15 Uhr am Freitagmittag meldete sich die 23-Jährige zuletzt per E-Mail. Sie habe die Symptome nun doch gemeldet. Ein Arzt werde sie nun untersuchen und dann eventuell in ein Krankenhaus bringen.