Hamburg. Der Charity-Veranstalter lädt seit Jahren zur großen Spendengala für krebskranke Kinder. Wie seine Silberhochzeit damit zusammenhängt.
Wer mit Günter Ehnert ein paar Stunden zusammengesessen hat, bekommt unweigerlich ein schlechtes Gewissen. Denn dieser Mann steckt beinahe seine ganze Lebenszeit in sein großes Herzensprojekt – Spenden sammeln für die UKE-Kinderkrebsstation. Im Mittelpunkt steht dabei Hamburgs größter Ball, der Blaue Ball.
Den hat Ehnert zusammen mit seiner Frau Marianne vor 22 Jahren erfunden. Mittlerweile feiern regelmäßig rund 850 Menschen mit ihnen im Hotel Atlantic – und so kommen recht stattliche Summen zusammen, mit denen das Ehepaar das Leid der betroffenen Familien ein wenig lindern kann. „Wir haben es geschafft, eine Veranstaltung zu organisieren, bei der alle Beteiligten Spaß haben und gleichzeitig helfen können. Das macht uns manchmal wirklich stolz.“
Der Mann, der den Blauen Ball für krebskranke Kinder erfand
Angefangen hat alles mit einer verrückten Idee. „Meine Frau und ich hatten Silberhochzeit“, sagt Ehnert. Und zu diesem besonderen Tag habe er auch etwas Besonderes planen wollen. „Ich wollte sie so richtig überraschen.“ Also habe er Freunde einladen, 180 waren es schließlich. Und ein Fest organisiert.
„Weil ich nicht wollte, dass alle Gäste mit Blumen und Geschenken kommen, habe ich sie gebeten, stattdessen an die Michael-Stich-Stiftung zu spenden.“ 10.000 Mark kamen an dem Abend zusammen. Viele hätten hinterher gesagt, er solle recht bald so etwas wieder planen. „Mir hat es so einen Spaß gemacht, ein Fest auf die Beine zu stellen, dass wir recht schnell gesagt haben: Lass uns doch jetzt jedes Jahr feiern.“ Das Leben feiern. Die Freundschaft feiern.
Spendengala: Blauer Ball im Atlantic
Aber eine normale Party, das sollte es nicht werden. Ehnert und seine Frau liebten es, auf Bällen zu tanzen. „Da haben wir uns gedacht: Warum planen wir nicht mal einen eigenen?“ Und ein Ball, der habe gefälligst im Atlantic stattzufinden, überlegte der Versicherungsunternehmer. „Also habe ich dort bei den Verantwortlichen vorgesprochen.“ Ehnert erinnert sich noch heute genau an die irritierten Gesichter bei diesem Gespräch.
„Ich fürchte, die dachten, wir sind ein bisschen verrückt“, sagt er und lacht. Waren sie ja vielleicht auch. Doch der 69-Jährige belehrte alle Zweifler eines Besseren. Schon der erste Ball in dem weißen Haus an der Alster 1998 konnte 420 Gäste vorweisen. Und er erbrachte wieder eine ansehnliche Summe für die Michael-Stich-Stiftung. „Wer ist denn dieser Ehnert?, hieß es danach in der Stadt.“
700 Preise für die Gäste – Spenden für die Kinder
War es im ersten Jahr noch schwer gewesen, Sachspenden für die Tombola einzuwerben („Ich bin mit meinem Pappflyer durch die ganze Innenstadt gelaufen“), so wurde es bereits nach dem ersten Erfolg deutlich einfacher. Mittlerweile stehen 700 Preise für die Gäste bereit, mit einem Gesamtwert von 75.000 Euro. Wochenlang beschäftigt Ehnert sich allein damit, die Kontakte zu den Spendern zu pflegen.
In seinem Büro in der Innenstadt stapeln sich jetzt kurz vor dem Ball, der an diesem Sonnabend stattfindet, die Kisten bis unter die Decke. „Einen Tag vor der Veranstaltung werden sie mit einem Lkw ins Atlantic gebracht. Und von meiner Frau und jeder Menge ehrenamtlicher Helfer aufgestellt.“ Aber auch den Ticketverkauf organisiert Ehnert allein. Entwirft zusammen mit Peter Goebner, neben Ehefrau Marianne sein wichtigster Unterstützer, die Plakate und Flyer. Und plant gemeinsam mit dem Hotel den Abend.
Hamburger ist hauptberuflich für Charity-Veranstaltungen aktiv
Ehnert ist inzwischen hauptberuflich für den Blauen Ball und viele andere Charity-Veranstaltungen unterwegs. Sein Versicherungsbüro hat er vor vier Jahren aufgegeben, die Räume allerdings behalten. Sie dienen als Standort für den gemeinnützigen Blauen Ball. Jeden Tag kommt er noch immer hierher. Telefoniert, erledigt E-Mails oder besucht Sponsoren und Partner. „Der Blaue Ball ist eigentlich ein Fulltime-Job.“
Ehnert ist ein echter Hamburger, wie er sagt. In Horn wurde er geboren. Hier ging er zur Schule, hier wurde er konfirmiert. Nach der Fachhochschulreife begann er eine Ausbildung zum Postbeamten. „Die Beamtenlaufbahn klang damals für mich einfach verlockend“, sagt er. Eine sichere Stelle mit einem ordentlichen Einkommen. Aber schnell stellte der junge Mann fest, dass das allein nicht glücklich macht. Ehnert ging zur Luftwaffe, wo er eineinhalb Jahre lang seinen Wehrdienst versah. In diese Zeit fällt auch das erste – und höchst ungewöhnliche – Treffen mit seiner späteren Frau Marianne.
Nächstes Jahr feiert das Paar goldene Hochzeit
„Ich kam in der Nacht mit dem Auto aus der Disco“, erinnert Ehnert sich noch ganz genau. „Und da lief diese junge Frau auf dem Bürgersteig.“ Toll habe sie ausgesehen, einfach toll. „Sie ist mir sofort aufgefallen.“ Also sei er ihr langsam mit dem Auto bis vor ihre Tür gefolgt. „Ich habe mich erst dort getraut, sie anzusprechen.“ Und sie gefragt, ob sie nicht mit ihm in einer Kneipe um die Ecke etwas trinken wolle. „Nein!“, habe sie ihm klar entgegnet. Kein Wunder vielleicht, wenn einen mitten in der Nacht ein wildfremder Mann aus dem Auto heraus anspricht. Doch Ehnert ließ sich nicht abwimmeln. Und überzeugte sie schließlich, sich für ein Gespräch zusammenzusetzen. „Ja, so hat alles begonnen“, sagt Ehnert und lächelt glücklich. Nächstes Jahr feiert das Paar goldene Hochzeit.
Dabei waren die ersten gemeinsamen Jahre alles andere als leicht. Ehnert kehrte nach der Bundeswehr zur Post zurück. Er und seine Frau wurden Eltern eines kleinen Jungen, Lebten aber noch immer in einem möblierten Zimmer in Billstedt. „Für mehr reichte das Geld einfach nicht.“ Daraufhin machte der junge Hamburger einen Lkw-Führerschein und arbeitete für eine Brauerei als Fahrer. „Plötzlich hatte ich fast das doppelte Gehalt zur Verfügung.“ Endlich konnte er Frau und Kind eine eigene Wohnung bieten. „Ein gemeinsames Leben aufbauen.“ Das wurde mit der Geburt der gemeinsamen Tochter perfekt.
Die Spenden kommen immer dem UKE zugute
Doch noch einmal sollte Ehnerts berufliches Leben eine unerwartete Wendung nehmen. Der junge Familienvater lernte einen Versicherungsvertreter kennen. „Du kannst reden und dich gut verkaufen, Versicherungen sind genau dein Ding“, habe der ihm immer wieder gesagt. Schließlich orientierte er sich erneut um und begann eine Lehre als Versicherungskaufmann. Den Beruf hatte der Netzwerker tatsächlich im Blut. 20 Jahre arbeitete er für eine große Firma als Angestellter, danach machte er sich mit einer eigenen Agentur selbstständig.
„Ich habe eigentlich immer sechs Tage die Woche gearbeitet.“ Das aber irgendwann auch, weil er sich nebenbei für seinen Blauen Ball engagierte. „Auf diese Weise konnte ich schon lange meine Arbeit mit dem Engagement für die Kinder verbinden, einfach weil ich es mir frei einteilen konnte.“ Einen Leitsatz von seinem früheren Chef, den habe er bis heute nicht vergessen: Stelle nie das Geld in den Vordergrund, sondern immer den Erfolg. Dann kommt das Geld von ganz allein. „Genau nach dem Motto verfahre ich bis heute, auch beim Blauen Ball. Und es funktioniert.“
Spenden gezielt für Kinder in der Hansestadt
Bleibt noch die Frage zu klären, warum sich Günter Ehnert und seine Frau so sehr für die krebskranken Kinder und ihre Familien einsetzen. Nein, ein eigenes persönliches Schicksal, das steckt nicht dahinter, wie man vermuten könnte. „Zum Glück“, wie Ehnert sagt. Sondern eine ganz pragmatische Herangehensweise: „Wir wollten die beiden Themen Hamburg und Kinder verbinden.“ Denn das Ziel sei es, genau verfolgen zu können, was mit dem gespendeten Geld geschehe. Auch deshalb habe er beim ersten Mal um eine Spende für die Michael-Stich-Stiftung gebeten. „Danach wollten wir eigentlich jedes Jahr eine andere Organisation bedenken.“
Doch es sei anders gekommen. „Wir haben festgestellt, dass es schöner ist, wenn man eine persönliche Beziehung aufbaut.“ Außerdem brauche er die Hilfe Ehrenamtlicher aus dem Umfeld des UKE für den Ball. „Und wenn man das jedes Jahr neu organisieren muss, wird es schwierig.“ Deshalb kommen die Einnahmen seit dem zweiten Blauen Ball immer dem UKE zugute. Der Verein des Blauen Balls gibt das eingenommene Geld dabei meist für Sachspenden aus.
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Dinge, die die Lebensqualität der Familien krebskranker Kinder verbessern. Oder den Ärzten das Arbeiten erleichtern. Dazu gehören Musiktherapien, die Anschaffung von Computern, die Patenschaften für das Ronald-McDonald-Haus, in dem die Familien der erkrankten Kinder unterkommen. „Und so erleben wir hautnah mit, was der Blaue Ball alles bewirkt. Jedes Jahr von Neuem. Das ist eine unheimlich schöne Bestätigung unserer Arbeit.“
Tischordnung für Blauen Ball 2020 steht noch nicht
Nun noch schnell ein Foto vor der Blauer-Ball-Gedächtniswand. Dann muss Ehnert auch schon weiterarbeiten. Die letzten Tickets müssen versandt, die Tischordnung noch einmal überarbeitet werden – bevor er mit seinen Freunden und Gästen wieder einmal durch die schönen großen Säle des Atlantic tanzen kann. Ein Jahr Arbeit für einen ganz besonderen Abend.
Nächste Woche: Carolin Stüdemann, Geschäftsführerin von Viva con Agua de St. Pauli