Hamburg. Am Gymnasium Buckhorn stellen sich sechs Politiker den Fragen. Wie eine Schulstunde zur Lehrstunde der Demokratie wird.
Zum Ende der Debatte wird es dann doch noch einmal laut. AfD-Fraktionschef Alexander Wolf hat gerade sein einmütiges Plädoyer für seine Partei gehalten, als einer Schülerin im Gymnasium Buckhorn der Kragen platzt. Sie ruft „Faschist“ und treibt Wolf zu der genüsslichen Replik: „Gespalten und gehetzt wird nicht von uns, sondern von denen, die uns Faschisten nennen.“
Jusos und Linke überzeigen die Schüler am meisten
Ansonsten geht es bei dieser schon traditionellen Podiumsdiskussion, die der Lehrer Hubert Rinklake seit zehn Jahren an dem Volksdorfer Gymnasium organisiert, sachlich zu – eine Schulstunde, die mitunter zur Lehrstunde der Demokratie wird. Wer sich in der Aula umschaut, sieht in aufmerksame Gesichter, spürt eine fröhliche Offenheit und eine überraschende Lust auf Politik; zumindest in den vorderen Reihen spielen Instagram oder TikTok für 90 Minuten keine Rolle. Hier steht die Bürgerschaftswahl im Vordergrund.
Das Podium, das die vier Schüler Carlotta, Conradin, Ole und Finn moderieren, ist hochkarätig besetzt: Drei erfahrene Politiker duellieren sich mit drei Talenten, ein Zufall, der der Debatte zusätzlichen Reiz gibt: Die CDU hat Lokalmatador Thilo Kleibauer geschickt, den haushaltspolitischen Sprecher der Partei, die Grünen ihre Wandsbeker Fraktionschefin Maryam Blumenthal und die AfD-Fraktionschef Wolf. Am meisten überzeugen die Jugendlichen aber der Juso-Chef Alexander Mohrenberg, 24, der Juli-Chef Carl Cevin-Key Costa, 23, und Julian Georg, der 27-jährige langjährige Fraktionschef der Linken in Wandsbek.
Die Kandidaten punkten mit Offenheit und Meinungsstärke
Gleich mehrfach überraschen die Kandidaten mit Meinungen, die vom Parteiprogramm abweichen. Am Ende werden mache bedauern, dass fast eine Dreiviertelstunde Thüringen und die Folgen im Mittelpunkt standen – die Hamburger Wahl bietet Gesprächsstoff genug. Auflockerungen bringen die eingestreuten Abstimmungen mit roten und grünen Karten zu politischen Fragen. Klare Mehrheiten auf dem Podium (5:1) und bei den Schülern findet die Straffreiheit bei Cannabis oder das Ja zu Bürgerentscheiden (6:0). Während das Podium bei einer neuen Startbahn in Fuhlsbüttel unentschieden ist, plädieren die Schülerklar dagegen.
Für die Grünen ist die Debatte in der Aula in Volksdorf trotz „Fridays for Future“ kein Heimspiel. Dort, wo Fritz Fegebank, der Vater der Spitzenkandidatin, 38 Jahre arbeitete und zur Lehrerikone wurde, sind die Lager sehr gemischt. Alle Parteien bekommen immer wieder Applaus, sogar Wolf von der AfD. Mitunter weichen die Meinungen der 400 Zehnt- bis Zwölfklässler arg vom Podium ab. Dort halten fünf Vertreter den „Hype“ um Greta Thunberg für gerechtfertigt. Bei den Schülern hingegen überwiegen die Skeptiker.
Am Ende zogen alle ein positives Fazit
Eine Mehrheit lehnt höhere Benzinpreise ebenso ab wie eine Straßenbahn, dafür findet ein 365-Euro-Ticket breite Zustimmung. Überzeugend erklärt Mohrenberg, warum er dagegen ist: „Ich bin für ein kostenfreies Schülerticket. Wir sollten aber nicht mit der Gießkanne das Geld verteilen, das wir für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs benötigen.“ Ausdrücklich macht er sich stark für Wasserstoff als „Technik der Zukunft“.
Thilo Kleibauer überrascht mit seinem Werben für neue Wege im öffentlichen Nahverkehr. „Eine andere Konstellation im Senat wäre gut für den Ausbau“. Wolf betont, seine Partei „hetzt nicht gegen Flüchtlinge“, was Blumenthal, die als Flüchtling nach Deutschland kam, empört: „Schauen Sie mal Ihre eigenen Webseiten an und setzen sich dann hierhin, ohne rot zu werden.“
Am Ende aber zogen alle ein positives Fazit. „Mich haben die Ergebnisse der Ja/Nein-Abstimmung überrascht und die wechselnden Mehrheiten hier auf dem Podium“, sagt Conradin Willers. „Und der Zuspruch für Alexander Wolf.“