Hamburg. Das Masernschutzgesetz tritt am 1. März in Kraft. Dann gilt: Wer nicht geimpft ist, verliert den Kita-Platz.
Einige Eltern haben schon einen Brief erhalten, bei anderen steht er noch aus. Und wieder andere werden vielleicht erst in den nächsten Wochen an das Masernschutzgesetz erinnert werden, das am 1. März in Kraft tritt. Nämlich dann, wenn die Schule, Kita oder (im schlimmsten Fall) das Gesundheitsamt anfragt, was denn mit einem Impfnachweis ist. Den müssen auch alle Lehrer, Erzieher etc. vorlegen, wenn sie nicht riskieren wollen, ihren Arbeitsplatz zu verlieren.
Das Hamburger Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu einem Gesetz, das Hunderttausende Hamburger zwingt, jetzt aktiv zu werden - und sei es nur, indem sie eine Kopie des Impfpasses vorlegen.
Wer ist von der Impfpflicht betroffen?
Alle Kinder, die älter als ein Jahr alt sind und eine Kita, einen Hort, eine Tagespflege, eine Schule oder andere Ausbildungseinrichtung besuchen, sind betroffen. Auch Bewohner von Kinderheimen und Flüchtlingsunterkünften umfasst das Gesetz.
Nicht nur die Minderjährigen müssen künftig einen Impfnachweis erbringen. Auch die Angestellten der Häuser sind verpflichtet, sich impfen zu lassen. Ebenso das Personal medizinischer Einrichtungen (Krankenhäuser, Arztpraxen, Tageskliniken, Rettungsdienste). Dazu zählen Praktikanten, Ehrenamtliche oder Reinigungskräfte und das Küchenpersonal. „Alle diese Menschen, die nach dem Jahr 1970 geboren sind, betrifft das Gesetz“, sagt Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde.
Wie und bis wann muss der Impfschutz nachgewiesen werden?
Alle, die ab dem 1. März neu in eine Einrichtung wie Kita oder Hort aufgenommen werden, müssen nachweisen, dass sie eine Masernimpfung erhalten haben. Für diejenigen, die bereits jetzt in Schule oder Kita sind, wird es eine Übergangsfrist geben. Bis zum 31. Juli 2021 müssen die Eltern und Angestellten die Impfung gegenüber der Kita-Leitung oder dem Träger nachweisen. Dazu dient der Impfausweis/ das Kinderuntersuchungsheft.
Was genau müssen Eltern jetzt tun?
Alle Eltern, deren Kinder in Kitas und Schulen betreut werden, müssen in den kommenden Wochen und Monaten die Impfausweise in den Einrichtungen vorzeigen. „Es ist toll, wenn die Eltern von sich aus daran denken“, sagt eine Kita-Leiterin dazu. Andernfalls werden die Einrichtungen die Eltern ansprechen oder anschreiben. Alle Jungen und Mädchen, die ab dem 1. März neu in die Kitas kommen, müssen diesen Schutz nachweisen, bevor sie hier starten. Kinder unter einem Jahr sind nicht betroffen.
Bei allen Einjährigen muss eine erste Impfung erfolgt sein. Mit etwa zwei Jahren sind die Eltern verpflichtet, die zweite Impfung nachzuweisen. Verantwortlich für die Anwendung des Gesetzes sind die Kitas selbst. Dort werden auch die Nachweise hinterlegt. Wer diese Impfungen nicht nachweisen kann, bekommt eine Frist gesetzt. „Sollte danach keine Impfung erfolgt sein, melden wir den Fall an das Gesundheitsamt und behalten uns eine außerordentliche Kündigung vor“, heißt es dazu bei einem Hamburger Kita-Träger. Diskussionen mit Impfgegnern will dabei niemand führen. „Das ist ein Gesetz, das wir anwenden müssen und werden. Da gibt es keinen Spielraum.“ Das gilt auch für die Angestellten der entsprechenden Branchen.
Was sind die Konsequenzen, wenn der Impfnachweis nicht erfolgt?
Jungen und Mädchen, deren Eltern diesen Nachweis auch nach Ablauf der Frist nicht erbringen, dürfen nicht länger in der betroffenen Einrichtung betreut werden. Die Verträge können dann vonseiten der Kita oder des Horts außerordentlich gekündigt werden. Betroffene Angestellte dürfen nicht weiter für das Unternehmen arbeiten. Oder nicht mehr an einer Stelle im Unternehmen arbeiten, bei der sie mit vielen Menschen in Kontakt kommen.
Anders ist das bei Schülern, da sie der Schulpflicht unterliegen. Das heißt, sie können nicht einfach der Schule verwiesen werden. Das Gleiche gilt für Menschen die von einer gesetzlichen Unterbringungspflicht betroffen sind. In diesem Fall müssen die Gesundheitsämter umgehend informiert werden. Das Bundesgesundheitsministerium schreibt hierzu: „Wenn der erforderliche Nachweis nicht innerhalb einer angemessenen Frist (mindestens zehn Tage) vorgelegt wurde, kann das Gesundheitsamt die nachweispflichtige Person zu einer Beratung einladen.
Unabhängig davon kann das Gesundheitsamt jeweils im Einzelfall entscheiden, ob nach Ablauf einer angemessenen Frist Tätigkeits- oder andere Verbote ausgesprochen werden (außer bei schul- oder unterbringungspflichtigen Personen sowie im Falle eines Lieferengpasses der Impfstoffe) oder ob Geldbußen und gegebenenfalls Zwangsgelder ausgesprochen werden.“ Eltern, die dem Gesetz nicht Folge leisten, begehen eine Ordnungswidrigkeit und können mit einer Geldbuße von bis zu 2500 Euro belegt werden.
Auch Kita-Leitungen oder andere Führungskräfte, die nicht geimpfte Kinder weiter betreuen, müssen mit einer Strafe rechnen. Das Gleiche gilt für Angestellte in Gesundheitseinrichtungen oder Asylbewerberunterkünften oder Heimen. Die Hamburger Gesundheitsbehörde stellt aber auch klar: In keinem Fall kommt eine Zwangsimpfung in Betracht. Freikaufen von der Impfpflicht können sich Eltern allerdings nicht, so das Bundesgesundheitsministerium: „Neben oder alternativ zum Bußgeld kann auch ein Zwangsgeld in Betracht kommen. Insofern ist auch nach einer Bußgeldzahlung noch ein Druckmittel vorhanden.“
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Wie gefährlich sind die Masern?
Jedes Jahr erkranken wieder Kinder und Erwachsene an den Masern, obwohl es bereits seit Langem eine Impfung dagegen gibt. „Die meisten Fälle verlaufen verhältnismäßig harmlos. Aber Masern sind eine ernstzunehmende Krankheit“, sagt Kinderarzt Stefan Renz. In Westeuropa sterbe jeder 1000. Erkrankte, in weniger entwickelten Ländern wie Afrika sogar jeder 500. Jährlich überleben so weltweit 140.000 Menschen die Masern nicht.
Wie wichtig ist die Impfung gegen Masern?
Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt zur Ausrottung der Masern eine Impfquote von 95 Prozent. Hamburg liegt bei den Schulanfängern knapp darunter, so die Gesundheitsbehörde. Sehr viel größere Impflücken gibt es aber bei Erwachsenen. Ziel sei es, durch flächendeckendes Impfen die Krankheit einzudämmen und auszulöschen, wie es bei den Pocken gelungen sei. Kinderarzt Renz befürchtet, dass in Hamburg die Impfquote unter 93 Prozent liegt. Da könne es leichter einmal zu einem größeren Ausbruch der Krankheit kommen: „Masern sind hoch ansteckend.“
Wie gefährlich ist die Impfung?
„Impfschäden sind extrem unwahrscheinlich“, sagt Renz. Bisher gebe es Erhebungen, dass die Gefahr für einen Impfschaden bei eins zu einer Million liege. „Das steht in keinem Verhältnis zu der Wahrscheinlichkeit von 1:1000, an der Erkrankung zu sterben.“ Allgemeine Nebenwirkungen: Fieber, Rötung und Schmerzen an der Einstichstelle, Unwohlsein und Schlafstörungen.
Menschen, für die eine Impfung eine gesundheitliche Gefahr darstellt, können sich mithilfe eines Attests von der Impfpflicht befreien lassen. Welche Gründe gibt es?
Es gibt nur wenige. Dazu gehören eine Überempfindlichkeit gegen frühere Masernimpfungen, eine aktive und unbehandelte Tuberkulose, eine hoch dosierte Kortisontherapie, Aids oder eine andere Immunschwäche oder eine Krebserkrankung, so der Mediziner Renz. „Für alle anderen, die geschwächt sind, wie Frühchen, ist die Impfung sogar dringend geraten.“