Hamburg. Es ist zu warm, die Natur schaltet auf Frühling. Darunter leiden nicht nur Heuschnupfen-Patienten. Experten geben Tipps.
Während sich die einen über den milden Winter freuen, ärgern sich die anderen. Gemeint sind Allergiker, die zum Teil schon seit Januar unter tränenden Augen und Schnupfennase leiden. Experten bestätigen, dass der Pollenflug in diesem Jahr besonders früh begonnen hat.
So auch Axel Jahn, Geschäftsführer der Loki Schmidt Stiftung: „Einige Frühblüher, die normalerweise erst in einigen Wochen dran wären, haben ihre Knospen schon seit Mitte Januar geöffnet, und Meise, Rotkehlchen, Heckenbraunelle und Zaunkönig singen schon, als wäre längst Frühling.“
Bei den Pollen, die jetzt schon unterwegs sind, handle es sich um Hasel und Erle. „Das sind Pflanzen, die hierzulande allgegenwärtig sind und die über den Wind bestäubt werden. Als Allergiker kann man dem kaum entfliehen“, so Jahn weiter. Er schätzt, dass in diesem Jahr alles etwa drei Wochen früher dran ist als im Schnitt.
Pollenalarm: Nicht nur Heuschnupfen-Patienten leiden
Wie viele Menschen unter Heuschnupfen und Pollenallergie leiden, lässt sich relativ genau sagen. Laut Dieter Vieluf, Leiter der Abteilung Allergologie am Dermatologikum Hamburg, sind etwa 16 Prozent aller Erwachsenen betroffen. Eine Zahl, die seit Jahren recht stabil geblieben ist. Auch in diesem Jahr hätten sich schon Patienten mit Symptomen vorgestellt, sagt Vieluf: „Für einen ausgeprägten Pollenflug ist neben einer milden Witterung auch ausschlaggebend, dass die Sonne scheint und es nicht regnet. Das war zuletzt selten der Fall, aber das kann sich in nächster Zeit rasch ändern.“
Weiter verweist der Mediziner auf neue Ergebnisse aus der Forschung. Demnach sollen Pollen auch Auswirkungen auf den Gesundheitszustand von Menschen haben, die nicht unter Allergien leiden. „Nach neuesten Erkenntnissen könnte starker Pollenflug auch bei Nicht-Allergikern einen negativen Effekt auf die Immunantwort der Schleimhäute an den Atemwegen haben und dadurch die Wahrscheinlichkeit erhöhen, sich in dieser Zeit einen viralen Infekt zuzuziehen“, so Vieluf.
Expertentipps gegen den Pollenflug
Auch die Hamburger Dermatologin und Allergologin Ute Siemann-Harms bestätigt, dass Allergiker schon jetzt unter Symptomen leiden können. „Dazu können neben tränenden Augen und einer laufenden Nase in seltenen Fällen auch asthmaähnliche Beschwerden zählen“, sagt die Fachärztin, die am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) tätig ist. „Nicht selten kommen außerdem sogenannte Kreuzallergien vor, bei denen die Betroffenen ebenfalls allergisch auf Haselnüsse und auf bestimmte Steinobstsorten wie Pflaumen oder Äpfel reagieren.“
Wer akut betroffen ist, könne in der Regel auf sogenannte Antihistaminika zurückgreifen. „Die meisten kommen mit Sprays oder Tropfen gut zurecht. Ansonsten gibt es auch die Möglichkeit, das Antihistaminikum in Tablettenform einzunehmen, was unter Umständen aber zu Müdigkeit führen kann.“ In schweren Fällen können Betroffene auch auf Cortisonsprays zurückgreifen.
Blutbild, Allergietestungen, Symptomtagebuch – und eine Dusche
„Eventuell kann auch eine Hyposensibilisierungstherapie ratsam sein“, so die Ärztin weiter. „Das hängt aber vom Einzelfall ab und muss mit dem betreuenden Allergologen zusammen entschieden werden.“ Der Allergologe könne durch die Zusammenschau von Symptomen, Allergietestungen an der Haut (Pricktest) und Laborergebnissen dann Empfehlungen geben. Ein Bluttest alleine reiche dafür nicht aus.
„Es ist sinnvoll, dass der Patient während einer Saison ein sogenanntes Symptomtagebuch führt und auflistet, wann er welche Beschwerden hat und wie stark diese ausgeprägt sind, möglichst inklusive der vor Ort gerade vorhandenen Pollenarten“, so Siemann-Harms. „Diese kann man im Internet, zum Beispiel auf der Seite des Deutschen Wetterdienstes, jederzeit abrufen. Jetzt wäre ein optimaler Zeitpunkt, um mit solch einem Symptomtagebuch zu starten.’“
Und einen kleinen Tipp für den Alltag hat die Expertin auch noch: „Wer sich länger draußen aufhält, sollte unbedingt danach duschen, also im Zweifel abends. Sonst landen die Pollen noch mit auf dem Kopfkissen.“
Winter zu warm, Natur schaltet auf Frühling
Bisher war der Winter übrigens nicht nur gefühlt, sondern auch messbar deutlich zu warm. „Der Dezember war drei Grad zu warm, der Januar lag fünf Grad über dem Mittel, und der Februar ist sogar mit etwa sieben Grad zu viel gestartet“, so Dominik Jung, Meteorologe von Wetter.net. Damit sei es durchaus möglich, dass es dieser Winter unter die Top drei der mildesten Winter seit Beginn der Wetteraufzeichnung schaffe. Der wärmste Winter war übrigens im Jahr 2006/2007.
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Wer unter Pollenallergie leidet, der wird in diesen Tagen vielleicht auf einen Wintereinbruch hoffen. „Eine heftige Frostperiode würde einen unmittelbaren Effekt auf den Pollenflug haben“, so Jung weiter. „Die Blüten, die jetzt schon geöffnet sind, würden das nicht vertragen und verkümmern.“ Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass das demnächst passiert, gering: „Es ist kein Winterwetter in Sicht. Das sieht nach allem aus, aber nicht nach Eis und Schnee“, so Jung.
Pollensituation entspannt – Sturmtief "Sabine" zum Dank
Aber immerhin: Sturmtief „Sabine“ und jede Menge Regen haben dazu geführt, dass sich die Pollensituation in den vergangenen Tagen entspannt hat. „Die Pollen wurden quasi herausgewaschen“, sagt Axel Jahn von der Loki Schmidt Stiftung. „Aber die Belastung kann sich schlagartig wieder ändern.“
Der Reihenfolge nach blüht den Allergikern nach Hasel und Erle als nächstes übrigens die Birke. „Die blüht klassischerweise im April“ sagt Jahn. „Einzelne Blüten vielleicht auch Mitte März. Aber in diesem Jahr würde es mich nicht überraschen, wenn es schon Anfang März losgeht“, so Jahn weiter.