Hamburg. In Nord wurde Michael Werner-Boelz am Montag offiziell ernannt. Den Dienstwagen hat er schon kündigen lassen – was er sonst noch plant.

Das Bezirksamt Nord in Hamburg hat einen neuen Leiter: Michael Werner-Boelz. Am Montagmorgen hat Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) dem ehemaligen Chef der Grünen-Bezirksfraktion die Ernennungsurkunde überreicht. Zuletzt war der 53-jährige Soziologe als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Bürgerschaftsfraktion der Grünen tätig.

Eine erste Maßnahme, sein neues Amt entsprechend seiner Persönlichkeit zu gestalten, hat Werner-Boelz bereits getroffen. „Ich habe darum gebeten, den Leasingvertrag für den Dienstwagen zu kündigen beziehungsweise nicht weiter zu verlängern“, sagte der 53-jährige Sozialökonom dem Abendblatt. „Ich bin ein überzeugter Fußgänger und ansonsten mit Bus und Bahn unterwegs.“

Ein weiteres Anliegen sei ihm, die Öffentlichkeitsarbeit des Bezirksamtes zu intensivieren. „Das Bezirksamt könnte beispielsweise verstärkt in den Sozialen Medien über unsere Vorhaben, Planungen oder unsere Arbeit informieren.“

Werner-Boelz: Terminkalender voll mit Besprechungsterminen

Zunächst aber stehe im Zentrum, sich an seinem neuen Arbeitsplatz zurechtzufinden. Sein Terminkalender sei gespickt mit zahlreichen Besprechungsterminen, so der neue Bezirksamtsleiter. „Besonders wichtig war mir ein zeitnahes Gespräch mit dem Personalrat, das bereits an meinem zweiten Arbeitstag stattfinden wird.“

Darüber hinaus wolle er sich bei möglichst vielen Kolleginnen und Kollegen vorstellen und auch die Außenstellen des Bezirksamts, darunter die Kundenzentren in Barmbek und Langenhorn, besichtigen.

1200 Menschen arbeiten in den verschiedenen Abteilungen des Bezirksamt. In den 24 Jahren seiner Tätigkeiten in der Bezirksversammlung sei wegen seiner politischen Schwerpunkte Kultur, Sport und Stadtentwicklung der Austausch mit den Fachämtern Sozialraummanagement sowie Stadt- und Landschaftsplanung sm intensivsten gewesen, so Werner-Boelz. Als Fraktionsvorsitzender sei er jedoch auch an vielen Gesprächen über andere Bereiche eingebunden gewesen, ob in der Jugendhilfe oder bei Verkehrsplanungen.

Opposition hatte Werner-Boelz fehlende Führungserfahrung vorgeworfen

Erfahrung in der Verwaltung hat der gebürtige Bayer bislang nur in seiner Geburtsstadt Illertissen gemacht: Dort hatte er, vor seinem Umzug nach Hamburg 1989, acht Jahre im örtlichen Rathaus gearbeitet.

Die Opposition in Hamburg-Nord hatte Werner-Boelz daher fehlende Führungserfahrung vorgeworfen. Und dass Grüne und SPD das für die Bewerberinnen und Bewerber um den Posten der Bezirksamtsleitung auch explizit nicht vorgesehen hatten – sondern statt dessen mit Kriterien wie „bezirkspolitische Erfahrung“, „hohem Gestaltungswillen“ und „detaillierten Kenntnissen im Bezirk“ die Ausschreibung auf den Grünen-Fraktionschef zugeschnitten hätten.

Durchsetzungsvermögen, politischer Weitblick, Empathie

Die formalen Voraussetzungen erfülle er, betont Werner-Boelz, aus dessen Sicht weniger die Verwaltungserfahrung entscheidend ist, sondern vielmehr „Durchsetzungsvermögen, politischer Weitblick, Empathie und die Fähigkeit, Menschen zu motivieren“.

Zudem habe sich die Mehrheit der Bezirksversammlung bewusst für eine politische Bezirksamtsleitung entschieden. „Mein Handlungsauftrag ist die Umsetzung des Koalitionsvertrages von Grünen und SPD.“

Klima- und Wohnraumschutz sollen gestärkt werden

Schwerpunkte des dort festgelegten Arbeitsprogramms sind die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum und mehr Grünflächen – etwa durch die Stadtparkerweiterung, die die Grünen gerade mit einer Bedarfsanalyse prüfen lassen.

Außerdem sollen Klimaschutz und Wohnraumschutz auf Bezirksebene gestärkt und umweltfreundliche Mobilität gefördert werden sowie mehr bürgerschaftliches Engagement und – wie beispielsweise bei der Umgestaltung der Eppendorfer Landstraße – eine intensivere und innovativere Bürgerbeteiligung ermöglicht werden. Persönlich liege ihm besonders die Förderung des Fußverkehrs am Herzen, so Werner-Boelz.

„Wir haben hamburgweit als erster Bezirk Fußverkehrsstrategien für die Stadtteile Alsterdorf und Hoheluft-Ost entwickelt. Ich würde sie gerne umsetzen und so echte Musterquartiere für den Fußverkehr entstehen lassen.“ Für die Umsetzung wäre der Bezirk aber auf die Unterstützung durch die Landesebene angewiesen.

Neuer Bezirksamtsleiter hofft auf die "100-Tage-Schonfrist"

Bezüglich seiner neuen Aufgabe hoffe er auf die „100-Tage-Schonfrist“, so der neue Bezirksamtsleiter. Er habe aber in den letzten Wochen und Monaten bereits viele Gespräche mit Rolf Staack geführt, der seit Juli 2018 das Bezirksamt kommissarisch leitete.

In den kommenden Tagen und Wochen werde ihm zudem der stellvertretenden Bezirksamtsleiter Tom Oelrichs zur Seite stehen. Auch viele andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten ihm Unterstützung angeboten. „Ich habe eine große Zugewandtheit und Hilfsbereitschaft gespürt und freue mich auf die Zusammenarbeit“, so Werner-Boelz.

Werner-Boelz wollte eigentlich Gewerkschaftssekretär werden

Dass ihn die Karriereleiter einmal in sein jetziges Amt führt, war nicht abzusehen, als er damals nach Hamburg kam. „Eigentlich wollte ich hier Soziologie und Sozialökonomie studieren, um Gewerkschaftssekretär zu werden“, erinnert er sich.

Über das Engagement in der Initiative „Groß Borstel gegen Rechts“ kam er in den 90er-Jahren aber zur Politik – zunächst in den bezirklichen Kulturausschuss, 1997 dann zu den Grünen, wo er kurz darauf in den Kreisvorstand gewählt wurde.

1998 wurde Werner-Boelz Kreisvorsitzender, 2001 hauptamtlicher Geschäftsführer des grünen Kreisverbands Hamburg-Nord, 2008 wurde er in die Bezirksversammlung gewählt und hatte dort seit 2010 den Fraktionsvorsitz inne. Gleichzeitig war er ab 2008 in der Bürgerschaftsfraktion unter anderem Referent für Kultur, Wissenschaft und Verkehrspolitik.

Größte Herausforderung ist die Schaffung bezahlbaren Wohnraums

Als größte politische Herausforderung in Nord sieht Werner-Boelz die Schaffung bezahlbaren Wohnraums: höher bauen, mehr geförderten Wohnraum schaffen als im Drittelmix üblich, Grundstücke nur noch im Erbbaurecht oder direkt an die städtische SAGA vergeben sowie den Wohnraumschutz intensivieren.

Eine große Herausforderung im privaten Bereich liegt für den verheirateten Vater eines erwachsenen Sohnes in der Veränderung seines Lebens. „Das fängt beim Tagesrhythmus an, geht über die Tätigkeit selbst bis zu einem neuen sozialen Umfeld.“ Er freue sich darauf.