Hamburg. Grabungstagebuch, Teil 9: Warum Keramik-Funde so wichtig für Archäologen sind und was sie über soziale Zusammenhänge verraten.

Wie die Zeiten sich ändern: Während heute billige Fälschungen hochwertiger Produkte häufig aus China kommen, versuchten europäische Töpfereien vor einigen Jahrhunderten noch hochwertiges Porzellan aus dem Reich der Mitte zu imitieren. „Das chinesische Original war sehr kostbar, und die wenigsten konnten es sich leisten – haben wollten es dennoch alle“, sagt Kay-Peter Suchowa, der die Ausgrabung an der Neuen Burg leitet.

Die europäische Nachahmung, das sogenannte Fayence, ist nur eine von vielen Keramikarten, die die Archäologen bei ihrer Grabung an der Nikolaikirche bereits gefunden haben.

Was der Fund einer Tabakpfeife verraten kann

Zahlreiche Keramikscherben hat Suchowa vor sich ausgebreitet und schwärmt davon, was man durch sie über ihren Fundort alles lernen kann. Die Begeisterung war nicht immer so groß. „Das Thema hat mich in der Uni so gut wie gar nicht interessiert“, sagte der Archäologe. In der Praxis ist die Keramik aber eines der wichtigsten Artefakte – auch weil die Altertumsforscher sie so häufig ausgraben.

Die quantitativ größte Fundgruppe lässt durch ihr häufig variierendes Aussehen und ihre stets unterschiedliche Konsistenz verschiedene Rückschlüsse auf Fabrikation, Alter, Herkunft und Vergleiche zu ähnlichen Funden an anderen Ausgrabungsstellen zu. Archäologen können so Schichten datieren sowie soziale Zusammenhänge und Herkünfte bestimmen.

So kann Suchowa bei einer Tabakpfeife aus feinem Keramik, die er gefunden hat, sicher sagen, dass diese aus der Neuzeit stammen muss. „Erst mit der Entdeckung Amerikas kam Tabak nach Europa“, erklärt er.

An der Neuen Burg lebten einst vor allem Wohlhabende

„An unserem Grabungsort müssen einmal reiche Leute gewohnt haben, da sie es sich leisten konnten, Importware zu kaufen“, sagt Suchowa. Das verrät ihm ein Stück hochverzierte Irdenware. Eine bei niedriger Temperatur gebrannte Keramikart, die so in Norddeutschland nicht hergestellt wurde.

Suchowa datiert die Irdenware ins 13. Jahrhundert. Das Fundstück glänzt durch eine außen angebrachte, grüne Bleiglasur. Besonders ist, dass es teilweise sogar innen glasiert wurde. Im Mittelalter glasierten die Töpfer Keramik nur außen, zur Dekoration. Im 15. Jahrhundert, dem Übergang zur Neuzeit, wurde dann immer öfter auch innen glasiert, um Gefäße wasserfest zu machen. Dass sein Fundstück bereits so früh auch innen glasiert war, ist ein Indiz für den hohen sozialen Stand der ehemaligen Besitzer, so der Archäologe.

Die Parzelle in Nachbarschaft der Nikolaikirche scheint aber nicht immer nur wohlhabende Bewohner gehabt zu haben. Suchowa und seine Kollegen haben neben vielen anderen Keramikarten auch viel graue Irdenware gefunden. Massenware von minderer Qualität. Vergleichbar mit vielen Produkten, die heutzutage aus China kommen.