Hamburg. Die Täter haben Schulden, das Opfer hat Geld und Gold. Kann das einen Raub erklären? Eine überfallene Hamburgerin berichtet als Zeugin vor Gericht von ihrem Martyrium und gibt eine klare moralische Antwort.

Unter Tränen hat eine Seniorin vor dem Landgericht Hamburg geschildert, wie sie einen Überfall in ihrem Haus im Stadtteil Rahlstedt erlebte. Am Nachmittag des 29. Juni vergangenen Jahres habe es an ihrer Haustür geklingelt, berichtete die 77-Jährige am Donnerstag vor der Strafkammer. Durch die Glastür habe sie einen Mann gesehen, der wie ein Paketbote gekleidet gewesen sei und auch ein Paket dabei gehabt habe. Sie habe die Tür aufgeschlossen und einen Spalt weit geöffnet. Der Fremde habe sie sogleich aufgedrückt und ihr eine Pistole unter die Nase gehalten. "Da habe ich gedacht, mein Tod ist da. Ich hatte fürchterliche Todesangst", sagte die Zeugin.

Wie die drei Angeklagten - 21, 22 und 44 Jahre alt - nach Angaben des Vorsitzenden Richters bereits eingeräumt haben, überfielen sie die allein lebende Seniorin zusammen mit einem vierten Mittäter. Sie überwältigten und fesselten die Frau. Die Täter erbeuteten Bargeld, Goldmünzen und Schmuck. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatte die Beute einen Wert von gut 146 000 Euro.

Ihr 2017 gestorbener Mann sei ein "Sicherheitsfanatiker" gewesen, sagte die Seniorin. Der Waffenschrank im Keller sei mit einem komplizierten Code-Schloss versehen gewesen. Sie habe es beim ersten Versuch nicht öffnen können, weil ihre Hände so zitterten. Daraufhin habe einer der Täter ihren Kopf an den Haaren zurückgerissen und gedroht: "Einmal nicht auf - ein Ohr ab! Zweimal nicht auf - zwei Ohren ab!" Dabei hielt er ein Messer in der Hand. In diesem fürchterlichen Moment habe sie alle sieben Sinne zusammengenommen und ein Stoßgebet zum Himmel geschickt. Dann habe sie das Schloss öffnen können.

Zwei der Täter hätten die Sportwaffen von ihr und ihrem Mann in einen großen Koffer ihres Sohnes gepackt und aus dem Keller geschleppt. Dann habe der Anführer der Räuber gefragt: "Wo Geld?" Sie habe daraufhin in einem Nebenraum den Tresor aufgeschlossen. Die beiden jüngeren Angeklagten hätten das Bargeld und Goldmünzen von ihrer Tochter in einen Rucksack gesteckt. Doch damit war der Überfall noch nicht vorbei: "Ich hörte plötzlich einen lauten Knall. Es war wie das Ende - tot", sagte die 77-Jährige. Die Täter hatten ihr Reizgas ins Gesicht gesprüht. "Ich dachte, ich brannte am ganzen Körper, wie eine lodernde Fackel."

Nach dem Überfall verbrachte die Frau eine Nacht im Krankenhaus und litt eine Woche lang unter Hustenreiz. Wegen ihrer Angstzustände befindet sie sich noch immer in Behandlung und macht auf eigene Kosten eine Therapie. Aus ihrem Haus, in dem sie 28 Jahre lang wohnte, möchte sie nun ausziehen.

Der Richter verlas einen Brief, in dem sich der 44 Jahre alte Angeklagte bei dem Opfer entschuldigte. Er habe damals nur das Fluchtfahrzeug fahren sollen und habe im Auto gewartet. Beteiligt habe er sich wegen seiner Spielschulden. "Ich schäme mich wirklich für diese Tat."

Doch daraufhin platzte es aus der Zeugin heraus: "Sie können sich hier hundertmal entschuldigen, es gibt keine Wiedergutmachung." Ihre Eltern seien 1945 bei 20 Grad minus aus Danzig nach Hamburg geflüchtet. Ihr Vater sei 1952 einen Tag vor Weihnachten gestorben, ihre Mutter habe die Familie allein durchbringen müssen. "Aber wir haben überhaupt niemals daran gedacht, jemanden zu überfallen", sagte die 77-Jährige.

Alle drei Angeklagten bekräftigten mündlich ihre Bitte um Entschuldigung. "Hätte ich keine Drogen genommen, hätte ich das niemals gemacht", sagte der 22-Jährige. Sie verrieten aber nicht, wer ihnen damals den Hinweis auf das Haus ihres Opfers gegeben hatte.