Hamburg. Forschungszentrum plant „revolutionär neues“ Röntgenmikroskop. Es gibt große Erwartungen – aber keine Finanzierungszusage vom Bund.

Bisher existiert das Projekt zwar erst auf dem Papier. Trotzdem steht schon fest, dass es großartig werden wird – diesen Eindruck erwecken zumindest die rot-grünen Regierungsfraktionen. In einem Antrag zur heutigen Bürgerschaftssitzung erklären die Abgeordneten: Die geplante Forschungsanlage Petra IV am Deutschen Elektronen-Synchrotron (Desy) in Bahrenfeld werde „starke Impulse“ setzen, „um die besten Köpfe der Wissenschaft in Hamburg zu beheimaten“. Mehr noch: „Das gesamte Projekt wird ein Impulsgeber für die gesellschaftliche Entwicklung der Metropolregion Hamburg sein“, heißt es in der Vorlage, die „Leitlinien“ für die Science City Bahrenfeld festlegen soll.

Das Desy war schon 2018 um große Worte nicht verlegen: Damals stellte das Forschungszentrum seine Strategie bis 2030 vor und betonte dabei, wie wichtig Petra IV sei. Desy-Chef Helmut Dosch bekräftigte vor Kurzem, es handele sich um „das Zukunftsprojekt“ auf dem Campus, „ein revolutionär neues Röntgenmikroskop, das es Materialforschern, Medizinern, Biologen, Geowissenschaftlern und Biochemikern erlauben wird, haargenau in den molekularen Maschinenraum von neuen Materialien und Substanzen zu sehen und es dadurch ermöglicht, maßgeschneiderte neue Technologien und Untersuchungsmethoden zu entwickeln“.

Desy-Großprojekt steht „auf tönernen Füßen“

Nach Ansicht des Hamburger FDP-Bundestagsabgeordneten Wieland Schinnenburg steht das Großprojekt jedoch „auf tönernen Füßen“, mindestens sei Zurückhaltung angebracht, sagt der Politiker. Er hatte sich bei der Bundesregierung nach dem jüngsten Stand erkundigt. Das Bundesforschungsministerium (BMBF) antwortete ihm: „Weder zur Finanzierung noch zur Fertigstellung des Röntgenmikroskops Petra IV können derzeit Aussagen getroffen werden.“

Dazu muss man wissen, dass der Bund 90 Prozent der Kosten für den Bau der Anlage tragen würde, zehn Prozent entfielen auf Hamburg. Es geht dabei um viel Geld: Die aktuell am Desy genutzte Anlage Petra III, die für das neue Vorhaben umgebaut werden soll, kostete rund 250 Millionen Euro – Petra IV dürfte mindestens genauso teuer, eher deutlich teurer werden.

Realisierung ist offenbar noch nicht gesichert

In der Antwort auf Schinnenburgs Anfrage erklärt das Forschungsministerium außerdem, der Projektvorschlag zu Petra IV werde im Rahmen eines „Priorisierungsverfahrens im Wettbewerb zu anderen Ideen für Großgeräte stehen und vom Wissenschaftsrat begutachtet werden“. Schinnenburg: „Rot-Grün in Hamburg tut so, als sei das Projekt Petra IV schon gesichert. Dabei steht die Realisierung des für den Wissenschaftsstandort Hamburg äußerst wichtigen Röntgenmikroskops in den Sternen.“

2018 hieß es vom Desy, bis 2019 solle eine prinzipielle Machbarkeitsstudie vorliegen, ein Conceptual Design Report (CDR). Dieses Etappenziel erreichte das Forschungszentrum tatsächlich im November des vergangenen Jahres. Nicht mehr erreicht werden wird aber wohl das Ziel, bis 2021 eine Studie zu technologischen Risiken und zum Ressourcenbedarf zu erstellen, den Technical Design Report (TDR). Das BMBF erklärt, es rechne erst 2022 damit.

Schinnenburg bietet Fegebank Hilfe an

Schinnenburg sagt, er biete Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) „Hilfe an, das Projekt auf Bundesebene voranzutreiben“. Der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Daniel Oetzel sagt, es biete Anlass zur Sorge, dass weder der Zeitplan eingehalten werde noch die Finanzierung stehe. Fegebank müsse „sofort alle Karten auf den Tisch legen“. Dass in sechs Wochen Bürgerschaftswahl ist, habe mit der FDP-Kritik nichts zu tun, sagt Schinnenburg. Es gehöre auch zu seinen Aufgaben, Hamburger Forschungsprojekte mit Bundesförderung und die Arbeit der Wissenschaftsbehörde (BWFG) zu hinterfragen.

Die BWFG erklärt, sie unterstütze Desy „in allen Belangen“ bei diesem Projekt. „Sowohl in bilateralen Gesprächen als auch im Desy-Stiftungsrat wird die wissenschaftliche Bedeutung der Anlage hervorgehoben und für deren Umsetzung geworben.“ Nicht nur die Behörde, auch das Bundesforschungsministerium habe zumindest schon der Erarbeitung des Design-Reports und dessen Finanzierung zugestimmt. Anschließend könne Petra IV auf verschiedenen Ebenen abgestimmt und genehmigt werden.

Strukturen, die kleiner sind als 100 Nanometer

Das Desy teilt mit, es habe sich zwar eine „Zeitverschiebung von wenigen Monaten“ durch einen wissenschaftlichen Begutachtungsprozess ergeben. Aber: „Umso belastbarer kann die weitere Planung und spätere Umsetzung stattfinden.“ Die Zeitverschiebung sei „nicht kritisch“ für die Genehmigung des Vorhabens. Ansonsten entspreche der bisherige und geplante Prozess „dem national üblichen Ablauf für Konzeption, Planung und Bau von Forschungsgroßgeräten“. Man gehe am Desy fest davon aus, dass Petra IV komme. Das müsse auch so sein, um nicht von der internationalen Konkurrenz abgehängt zu werden.

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Petra IV soll 100-mal detailreichere Bilder von Abläufen aus dem Nanokosmos liefern, als es mit der bestehenden Anlage Petra III möglich ist. Es geht um Strukturen, die kleiner sind als 100 Nanometer. Ein Nanometer entspricht einem Millionstel Millimeter. Wenn Petra IV die geplante Leistung erreichte, könnten Forscher damit etwa dem Verschleiß einer Batterie im Betrieb im Detail zusehen und die Batteriefunktion verbessern, oder sie könnten die chemischen Vorgänge von Katalysator-Nanopartikeln verfolgen und die Funktion von Katalysatoren verbessern.