Hamburg. Hafen und Clubhaus sollen barrierefrei um- und ausgebaut werden. SPD und Grüne wollen das Projekt mit bis zu 450.000 Euro unterstützen

Erst 2014 hatte der Norddeutsche Regatta Verein (NRV) seinen Neubau an der Schönen Aussicht bezogen. Nun wird er schon wieder umgebaut. Knapp sechs Millionen Euro hatte das elegante Gebäude gekostet. Das Fundament ruht auf acht Meter langen Pfählen, die im Alstergrund verankert sind, das Untergeschoss mit Umkleiden, Küche und Jugendbereich liegt unterhalb der Wasserlinie.

Doch nun sollen erneut Bauarbeiter anrücken. Denn die Clubräume, die Gastronomie mit Kamin-Lounge und die Büros sind zwar barrierefrei, die Bootsstege und Hafenanlagen aber nicht. Im Juni will der NRV jedoch den ersten inklusiven Helga Cup ausrichten: eine Segelregatta, bei der behinderte und nicht behinderte Seglerinnen, auch Anfängerinnen, zusammen aufs Wasser gehen.

Dafür, aber auch für weitere inklusive Regatten und Kooperationen, soll der bisherige Hafen der NRV-Jugendabteilung barrierefrei ausgebaut und ein neuer Jugendhafen angelegt werden. An der Steganlage sind größere, am Clubhaus kleinere Umbauten erforderlich. Außerdem sollen behindertentaugliche Boote vom Typ „Far East SV 14“ angeschafft werden sowie ein Kran, der bewegungseingeschränkte Personen hineinhebt.

Umbau kostet mehr als 700.000 Euro

Der mehr als 700.000 Euro teure Um- und Ausbau könnte zu großen Teilen von der Bürgerschaft unterstützt werden. Ein entsprechender befindet sich in der Vorbereitung und soll im Fe­bruar zur Abstimmung kommen. Knapp 400.000 Euro aus dem Sanierungsfonds der Bürgerschaft soll der NRV für den Umbau erhalten, auch beim Hamburger Sportbund wurden Zuschüsse beantragt.

Der Bezirk Hamburg-Nord will sich ebenfalls an den Kosten beteiligen. Die Fraktionsvorsitzenden Michael Werner-Boelz (Grüne) und Alexander Kleinow (SPD) bringen in die Bezirksversammlung am Donnerstag den Antrag ein, den NRV mit 50.000 Euro zu unterstützen. Der Segelverein selbst hat bereits mehr als 200.000 Euro aus Eigenmitteln aufgebracht. Sollte weiteres Eigenkapital erforderlich sein, aber nicht zusammenkommen, stellt der Bezirk eine Ausfallbürgschaft von bis zu 35.000 Euro in Aussicht.

„Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung aus der Politik“, sagt NRV-Mitglied Sven Jürgensen, der den Helga Cup 2018 mit dem NRV ins Leben gerufen hatte – damals und im Folgejahr noch ohne den Zusatz „inklusiv“. Darüber hin­aus hat der Segel-Fotograf Vorstand und Mitglieder des Vereins von der Idee überzeugt, sich für behindertengerechtes Segeln zu öffnen.

Auch Ü-80-Cup ist geplant

Dass inklusives Segeln eine Randerscheinung sei, habe er schon beim ersten Helga Cup festgestellt, so Jürgensen. Die Frauenregatta, die aus dem Stand heraus zum größter Segel-Wettbewerb dieser Art wurde, bekam den Hamburg Active City Award und lockte in den ersten beiden Jahren fast 400 Frauen aus aller Welt auf die Alster. Unter den 80 Teams waren aber nur ein bis zwei, bei denen eine Behinderte mitsegelte.

„Wir sehen es als unsere Aufgabe an, den Segelsport im Rahmen der Gemeinnützigkeit barrierefrei zu machen und über Kooperationsprogramme auch Nichtmitgliedern das Segeln auf der Alster zu ermöglichen“, sagt Tobias König, der erste Vorsitzende des NRV. Von dem barrierefreien Zugang zum Segeln sollen auch ältere Segler profitieren. „Manche unserer Mitglieder waren so begeistert von der Aussicht, wieder segeln zu können, dass sie spontan zugesagt haben, ein Boot zu stiften“, sagt Sven Jürgensen, der noch in diesem Jahr einen Ü-80-Cup veranstalten will.

Vorreiterrolle beim Inklusionssegeln

Für eine künftige Kooperation in Sachen Inklusion ist der NRV in Gesprächen mit anderen (Wasser)-Sportvereinen, mit Behindertenverbänden, Inklusionsschulen und den Hamburg Towers. Der Basketballverein aus Wilhelmsburg und der NRV möchten Kinder aus dem benachteiligten Stadtteil ermöglichen, auf der Alster zu segeln.

Nachdem die Mitglieder und Förderer des NRV für den barrierefreien Aus- und Umbau mehr als 200.000 Euro gespendet hatten, trat Jürgensen an die Politik heran – und war „überrascht von dem begeisterten Feedback“. Juliane Timmermann, sportpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, nennt das Vorhaben ein „gemeinsames Projekt, das durch alle Ebenen geht“. Spätestens seit dem ersten Helga Cup stünden Senat, Bürgerschaft und Bezirk mit dem Verein wegen dessen Bemühungen, neue Zielgruppen für den Segelsport zu begeistern, in Kontakt. „Der inklusive und barrierefreie Ausbau von Sportstätten darf vor Bootsstegen nicht haltmachen“, sagt die Politikerin. Der Grünen-Abgeordnete René Gögge verweist auf die Chancen, die sich für die Stadt ergäben. „Hamburg könnte eine Vorreiterrolle übernehmen. Es gibt nicht viele Städte, in denen Inklusionsregatten gesegelt werden.“ Das gelte generell für den ganzen Sport. „Wir brauchen eine Gesellschaft, in der jede Tätigkeit für jeden zugänglich ist.“

Im April werden Ergebnisse präsentiert

Der Bezirk unterstütze das Projekt, weil der Segelsport in Hamburg eine lange Tradition habe, so Michael Werner-Boelz. „Wir freuen uns, dass Segeln nun schon bald allen Menschen offenstehen wird, ob mit oder ohne körperliche Beeinträchtigungen.“ Die Erfahrungen des NRV im inklusiven Sport kämen auch anderen Sportvereinen zugute und stärkten die integrative Wirkung des Sports. Alexander Kleinow ergänzt: „Wir freuen uns über die vielen Kooperationen, die es auch Nichtmitgliedern ermöglichen, am inklusiven Segelangebot teilzunehmen - beispielsweise Schulen.“

Noch aber muss die Bürgerschaft dem Antrag zustimmen. Der NRV hofft auf einen positiven Beschluss. Denn vorher können die Um- und Ausbauten nicht beginnen. Und im April sollen die Ergebnisse und die NRV-Inklusionsoffensive bereits auf einer großen Pressekonferenz vorgestellt werden.