Hamburg. Der Unternehmer spricht über den HSV, Turbulenzen im Hotel The Fontenay, den Hafen und Grünen-Politiker Robert Habeck.
Klaus-Michael Kühne hatte mit Hamburg schon fast abgeschlossen – und hat die Stadt in den vergangenen Jahren für sich neu entdeckt. Der 82 Jahre alte Unternehmer, der schon 1963 als 26-Jähriger in den Logistikkonzern einstieg und die Verlegung in die Schweiz mitentschied, engagiert sich seit Jahren in der Hansestadt – für den HSV, als Mäzen und als Hotelier. Ein Gespräch über den Faust, Fehlinvestments und „Fridays for Future“.
In Ihrer Wahlheimat erschien im Sommer 2019 eine viel beachtete Abrechnung mit Hamburg. Ein Autor der „Neuen Zürcher Zeitung“ empfand Hamburg als eitel und hässlich ...
Klaus-Michael Kühne: Die Schweizer Presse und innerschweizerische Probleme verfolge ich relativ wenig – wir sehen zumeist deutsches Fernsehen und lesen deutsche Zeitungen. Ich habe erst jetzt durch das Abendblatt davon erfahren und fand die Vorwürfe ganz merkwürdig und an den Haaren herbeigezogen. Ich will nun aber nicht im gleichen Atemzug die Schweiz schlechtmachen: Das Land hat eine unglaublich hohe Lebensqualität – die Bahnen sind pünktlich, die Straßen gut ausgebaut, die Städte sauber.
Es gibt den Spruch: Heimat ist da, wo du wegwillst, wenn du älter wirst, und zurückwillst, wenn du alt bist. Teilen Sie diese Aussage?
Ja. Als ich in die Schweiz ging, habe ich mir wenig Gedanken darüber gemacht, was es bedeutet, Hamburg und Deutschland zu verlassen. Ich bin dann ja mehrere Jahrzehnte durch die Welt gereist und habe Heimat weder empfunden noch danach verlangt. Das ist heute anders. Ich habe wieder viele Kontakte in der Hansestadt und empfinde heimatliche Gefühle. Man erinnert sich an seine Jugend und an schöne Erlebnisse. Im Alter wächst die Nostalgie.
Wo liegt denn Ihre Heimat – in der Schweiz oder in Hamburg?
Auch wenn ich heute in der Schweiz lebe, liegen in Hamburg meine Wurzeln. Damit ist die Stadt wohl eher meine Heimat.
Welche Kindheitserinnerungen verbinden Sie denn mit der Hansestadt?
Im Krieg haben wir am Bodensee gelebt und sind erst 1947 nach Hamburg zurückgekehrt. Natürlich erinnere ich mich an viele Schulgeschichten – an die Volksschule und die Zeit an der Heinrich-Hertz-Schule in Winterhude. Mein Elternhaus war sehr durch die Firma geprägt, mein Vater hat immer viel vom Geschäft erzählt und anfänglich auch viel von Problemen und Rückschlägen. Ich bin früh in das Unternehmen eingestiegen, weil mein Vater darauf drängte. Der Altersunterschied zwischen uns war sehr groß, er war oft krank und wollte, dass ich rechtzeitig in seine Fußstapfen trete.
Hatten Sie damals keine Zeit, in Hamburg um die Häuser zu ziehen?
Nein, da war ich nie der Typ für. Ich bin auch früh ins Ausland gegangen, um Sprachen zu lernen.
Sie haben nach Jahrzehnten im Ausland den Blick von außen. Wie hat sich Hamburg verändert?
Hamburg ist immer schöner geworden – das fängt schon beim Wetter an: Die Sommer habe ich grau in grau in Erinnerung; auch die Stadt schien mir eher etwas grau. Aber das Theater war schon damals toll: Ich sehe noch Gustaf Gründgens als Mephisto und Will Quadflieg als Faust im Schauspielhaus vor mir. Auch die Oper war großartig – das hat später abgebaut.
Inzwischen muss man sagen: Hamburg hat sich kulturell durch die Elbphilharmonie und das Ballett wieder enorm entwickelt. Wirtschaftlich fällt die Bilanz etwas kritischer aus – der Hafen ist nicht mehr so gut positioniert, wie er es einmal war. Immerhin kommt jetzt endlich die Elbvertiefung. Der Zeitgeist mit seinen Klagen und Vorbehalten hat Hamburg in seiner Entwicklung doch sehr behindert.
Was kann die Kulturmetropole Hamburg voranbringen?
Ich bin ein Freund der Oper und würde mir einen hochwertigeren Opernbetrieb mit einem anspruchsvolleren Programm wünschen. Vielleicht kann ich da ja auch helfen; aber ich möchte es nicht allein machen. Weltstars, die man anderswo hören kann, treten hier zu selten auf. Das Philharmonische Staatsorchester unter Kent Nagano, das ich über meine Stiftung maßgeblich unterstütze, müsste auch mal durch große Opern befruchtet werden. Ein paar Leuchttürme mehr würden Hamburg sicher nicht schaden.
Gilt das auch in anderen Bereichen?
Ja, zweifellos. Auch in der Wissenschaft könnte mehr Ehrgeiz nicht schaden. Weitere Forschungszentren etwa im Energie- oder Klimabereich wären ein Gewinn. Ich weiß aber nicht, ob Hamburg die Kraft oder Investitionsbereitschaft hat, hier mehr zu bewegen und Spitzenleistungen einzufordern.
Und in der Wirtschaft?
Der Stellenwert des Hafens muss hoch bleiben. Behält Hamburg da den Anschluss? Die Stadt hat einiges investiert, wir müssen aber die Verkehrsanbindungen zügig ausbauen. Die ganz großen Schiffe können den Hafen heute schon nicht mehr anlaufen. Und die Konkurrenz in Rotterdam ist extrem wach – da sollten wir manchmal schneller und mutiger agieren.
Sie haben viel in Hamburg investiert. Auf welches Investment sind Sie besonders stolz? Auf Hapag-Lloyd?
Fast zehn Jahre lang war das ein richtig schlechtes Investment – wir sind ja kurz nach der Lehman-Pleite eingestiegen. Das war mehr eine Rettungstat als ein Investment – uns ging es mit dem damaligen CDU-Senat darum, das Unternehmen am Standort zu halten. Heute, nach zwei erfolgreichen Fusionen, steht Hapag-Lloyd viel besser da. Seit zwei Jahren gibt es eine Dividende, das macht Freude. Aber wir sind immer noch die kleinste Reederei unter den fünf großen.
Bleibt es bei der derzeitigen Eignerstruktur?
Die Chilenen haben zugekauft und wollten sich in ihrem Anteil absetzen, deshalb haben wir auch zugekauft. Jetzt sind wir beide bei fast 30 Prozent – diese Größenordnung war das von mir angestrebte Ziel. Machtspiele bringen keinen weiter. Ich bin froh, dass die Hansestadt als dritter Partner mit an Bord ist. Das sichert den Standort.
Auf die Dauer dürfte sich einer durchsetzen ...
Alle Beteiligten bekennen sich zum Standort Hamburg, für uns ist das ohnehin eine Konstante. Der derzeitige Aktionärskreis bietet wenig Spielraum für einen angemessenen Free Float, also die an der Börse frei handelbaren Aktien.
Wenn die Chilenen verkaufen, hätten Sie Interesse?
Das ist bei den derzeitigen Preisen kaum vorstellbar. Es kann aber sein, dass die Chilenen irgendwann verkaufen wollen – und dann müssten sich die Stadt und wir Gedanken machen.
Apropos Anteile erhöhen. Wie zufrieden sind Sie mit dem Saisonverlauf des HSV?
Leider überhaupt nicht. Es fing gut an, aber nun sehen wir wieder den alten Schlendrian. Das ist schon ein Phänomen: In der letzten Saison begann die Krise erst in der Rückrunde, nun geht es schon früher los. Fachleute betonen, das sei vorübergehend. Ich bin aber sehr skeptisch. Die Mannschaft wirkt auf mich nicht mehr so homogen und motiviert. Das quält mich doch sehr, als Fan und als Anteilseigner.
Wird der Aufstieg gelingen?
Im Augenblick bin ich eher skeptisch. Ein Aufschwung muss kommen, denn der Trainer ist ja gut. Wenn aber der Leistungsabfall anhält, findet sich der Club bald im Mittelfeld wieder.
Würden Sie noch einmal finanziell helfen?
Es steht noch eine Verlängerung meines Engagements beim Volksparkstadion an. Das würde ich machen, wenn es etwas bringt. Aber der Verein muss neue Investoren finden und auch die Fans anders beteiligen, etwa über Mitgliederaktien. Der Verein benötigt mehr Schultern, die ihn tragen. Es gibt erste Ansätze, aber das geht mir alles viel zu langsam. Wenn der HSV aufsteigt, benötigt der Verein schnell weitere finanzielle Mittel, um die ersten beiden Jahre zu überstehen. Das wird ein schwerer, langer Weg.
War der HSV Ihr größtes Fehlinvestment?
Kühne (lacht): Ja, das war ein Flop. Da kam wenig bei raus, und eigentlich wurde es immer schlimmer. Aber es waren keine 100 Millionen Euro, wie immer unterstellt wird. 60 Millionen Euro habe ich in die Beteiligung am HSV investiert – und die bleibt ja, auch wenn ich den Anteil nicht verkaufen kann.
Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem neuen Luxushotel The Fontenay?
Mit dem Gebäude bin ich sehr zufrieden, auch mit dem Service. Bei den Restaurants hatten wir einige Turbulenzen, aber das Kapitel ist abgeschlossen. Derzeit helfen Köche aus meinem Hotel auf Mallorca aus – das ist immerhin ein Zweisternehaus. Anfang nächsten Jahres kommt dann ein neuer Koch hier an die Alster, der sich bereits einen Stern erkocht hat.
Wie bewerten Sie die Entwicklung der Kühne Logistics University?
Die Universität wächst ständig und planvoll – wir wollen noch weitere Professoren einstellen. Es ist schön zu sehen, dass die Stiftung hier sehr sichtbar für alle sinnvoll investiert und junge Menschen ausbildet. Davon profitiert die ganze Logistikbranche.
Wollen Sie noch weiter in Hamburg investieren?
Ich will mich nicht verzetteln. Wenn sich Hamburg zu einem Wissenschaftsstandort entwickeln möchte, müssen das andere machen. Meine Stiftung hat drei Hauptsäulen: die Logistik, die Medizin und die Kultur. Gerade haben wir eine enge Zusammenarbeit mit dem UKE, dem Universitätsspital Zürich und unserem Medizincampus in Davos beschlossen, und meine Stiftung wird 12,5 Millionen Euro in die Erforschung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen investieren.
Was muss sich denn in Hamburg ändern?
Die Stadt ist international noch nicht der Magnet, der sie sein könnte. Wir haben mit dem Hafen, Airbus und der Kultur echte Stärken, sollten aber den Tourismus konsequenter entwickeln. Ein weiteres Manko bleibt: Wir haben die Olympiabewerbung versemmelt und bekommen keinen Spitzensport hin. Da sind wir leider zweitklassig.
Kürzlich haben Sie die Grünen als Hoffnungsträger bezeichnet. Gilt das auch für Hamburg?
Aus der Hamburger Politik möchte ich mich lieber heraushalten. Aber ich war schon in der Zeit, als die Grünen entstanden sind, für den Schutz der Umwelt. Ich verstehe nicht, warum wir so lange so träge waren. Heute müssen wir eingestehen, dass die Grünen mit ihren Warnungen recht hatten. Aber zugleich sollten wir beachten, was aus der Wirtschaft wird, wenn die Grünen den Bürgermeister oder den Kanzler stellen. Die Wirtschaft muss Opfer bringen und den CO2-Ausstoß reduzieren – da sind auch weitergehende Maßnahmen nötig -, aber die Wirtschaft muss weiter funktionieren.
Sprechen Sie mit den Grünen?
O ja, Parteichef Robert Habeck hat mich vor zwei Monaten hier im Hotel besucht. Da haben wir uns eine Stunde lang sehr gut unterhalten. An den Grünen kommt keiner vorbei.
Sehen Sie die „Fridays for Future“-Bewegung auch so positiv?
Die Idee ist richtig, der Anstoß wichtig – auch wenn mir manche Beteiligte zu radikal sind. Noch mal: Wir müssen mehr machen. Den Klimawandel können wir nicht mehr rückgängig machen, wir können ihn nur noch begrenzen. Ich traue das der Menschheit aber zu. Uns werden noch viele technische Lösungen einfallen.