Potsdam/Hamburg. Das DT-6-Modell wurde in Babelsberg gebaut. Das Fahrzeug soll Ende der 2020er-Jahre auf der neuen Linie U5 in Hamburg fahren.
Der Weg auf dem Gelände des Studios Babelsberg in Potsdam führt vorbei am Set der Dauerfernsehserie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Wenige Meter weiter steht eine unscheinbare Halle. Dort hängt ein Schild mit der Aufschrift „Art Departement Studio Babelsberg“. Die Firma baut hier Filmkulissen. Aber nicht nur das. Wer bis an das Ende des Raumes geht, der gelangt durch eine Tür zu Hamburgs Zug der Zukunft. Um genau zu sein, es ist ein 1:1-Modell vom DT 6, der voraussichtlich ab Ende der 2020er-Jahre Fahrgäste auf dem ersten Abschnitt der neuen U 5 zwischen dem Bramfelder Dorfplatz und der City Nord befördern soll. Etwa 20 Meter ist der Prototyp lang, hat zwei durchgängige Wagen.
Die Außenhaut besteht aus Holz und Styropor – später wird der DT 6 mit Edelstahl verkleidet sein. Aber im Inneren fühlt sich der Besucher schon wie in einer echten U-Bahn. „Natürlich haben wir zunächst das Design für den neuen DT 6 am Computer entworfen und Zeichnungen gemacht. Aber um das finale Design festzulegen, haben wir dieses Modell bauen lassen. Es wurden immer wieder Details verändert“, sagt Jan Wielert, Geschäftsführer von büro+staubach.
Das Unternehmen aus Berlin ist auf Industriedesign spezialisiert, hat auch schon für zahlreiche Verkehrsunternehmen in Deutschland und in den USA gearbeitet. Nun sind die Experten für die Hochbahn tätig. „Wir haben darauf Wert gelegt, dass der DT 6 drei Anforderungen erfüllt. Das Fahrzeug soll offen, funktional und komfortabel für alle Nutzergruppen sein“, sagt Wielert beim exklusiven Termin mit dem Abendblatt.
Fahrgäste nehmen am Panoramafenster Platz
Was sofort auffällt, am Ende des Fahrzeugs sind vier Sitzplätze angeordnet und dahinter ist ein Panoramafenster. „Das ist eine Premiere bei der Hochbahn. Da der Fahrzeugtyp, der später auf der U 5 eingesetzt werden soll, vollautomatisch fährt, brauchen wir keinen Fahrerraum, stattdessen entsteht dort Platz für die Fahrgäste“, sagt DT-6-Projektleiter Jens Rathke. Der Hochbahn-Mitarbeiter lässt den Blick durch den Zug schweifen und spricht über die Vorteile gegenüber dem DT 5, die aktuelle Generation der Hamburger U-Bahnen: „Der DT 6 wird zehn Zentimeter breiter sein und zudem anstatt zwei insgesamt sechs Mehrzweckbereiche für Rollstühle, Kinderwagen oder Fahrräder haben.“
Ein Fahrzeug der neuen Baureihe DT 6 wird aus vier durchgängigen, insgesamt 40 Meter langen Wagen bestehen – beim DT 5 sind es drei Wagen. Drei DT-6-Fahrzeuge können zu einem 120 Meter langen Zug verbunden werden. Die neue Fahrzeuggeneration hat Platz für bis zu 900 Passagiere und insgesamt 174 Sitzplätze. Zurzeit passen bis zu 800 Fahrgäste in einen DT 5. Unterdessen macht Hochbahn-Designer Daniel-Vincent Seeger die Sitzprobe. Die Plätze sind mit rot-schwarzem Stoff bezogen. „Ein Novum ist auch, dass die Sitze eine Holzoptik haben und schweben werden, also nicht mehr auf dem Boden abgestützt werden.“
Auch die Stehhilfen neben den Fahrzeugtüren, die voll verglast sein werden, werden abgeschafft. „Dadurch wird mehr Platz geschaffen und verhindert, dass die Fahrgäste im Türbereich stehen und den Fahrgastwechsel verlangsamen“, erklärt Seeger. Neu ist auch, dass es nicht nur eine Lichtschleife an der Decke gibt, sondern auch indirektes Licht über den Sitzplätzen. Auch USB-Buchsen zum Aufladen von Mobiltelefonen werden eingebaut, natürlich auch eine Klimaanlage. „Wir möchten, dass die Fahrgäste sich an Bord wohlfühlen. Deshalb haben wir seit November gemeinsam mit büro+staubach intensiv an dem DT 6 gearbeitet. Das 74-seitige Designbuch, das bald fertiggestellt ist, wird dem Lastenheft angehängt“, sagt Seeger.
Europaweite Ausschreibung
Das Lastenheft wird für die europaweite Ausschreibung benötigt, damit die Interessenten wissen, welche Anforderungen sie für den Bau des DT 6 erfüllen müssen“, sagt Seeger. Zuvor haben auch zum Beispiel Behindertenverbände und Fahrer der Hochbahn das Model präsentiert bekommen, um Anregungen zu geben. Die Ausschreibung für den DT 6 startet Anfang 2021, die Vergabe erfolgt Ende 2021. „Es können sich alle Hersteller von Schienenfahrzeugen an der Ausschreibung beteiligen, die einen Firmensitz in Europa haben“ sagt Projektleiter Rathke.
Für die neue U 5 werden 90 Fahrzeuge benötigt, die nach und nach geliefert werden. Nach der Fertigstellung erfolgt ein Probebetrieb und Ende der 2020er-Jahre könnten die ersten Fahrgäste auf dem fertiggestellten Abschnitt zwischen dem Bramfelder Dorfplatz und der City Nord einsteigen. Die U 5 wird später über die Innenstadt und das UKE bis zu den Arenen – Volksparkstadion und Barclaycard Arena – in Stellingen fahren. Die Fertigstellung der gesamten rund 25 Kilometer langen Strecke, ist für Ende der 30er-Jahre geplant. Rund 300.000 Fahrgäste werden auf der U 5 unterwegs sein. Es ist ein 90-Sekunden-Takt vorgesehen – bislang gilt bei der U-Bahn tagsüber maximal der 2,5-Minuten-Takt. „Das ist nur dadurch möglich, dass die Züge vollautomatisch fahren und der Abstand zwischen den Zügen verkürzt werden kann“, erläutert Rathke.
Es gibt aber nicht nur den DT 6-A, das für Automatisches Fahren steht, sondern auch den DT 6-F – das F steht für Fahrer. „Dieses Fahrzeugmodell kann auch halb automatisch fahren. Dafür sollen U 2 und U 4 teilautomatisiert werden. Das heißt, es gibt einen Fahrer, der aber nur noch die Abfertigung am Bahnsteig macht und ansonsten reicht ein Knopfdruck und die U-Bahn fährt los und bremst in der Haltestelle wieder ab“, sagt Rathke. Und dafür wird ein Fahrerraum benötigt, daher bietet der DT 6-F etwas weniger Platz. Dieser Fahrerraum ist originalgetreu neben dem DT 6 Modell in der Halle aufgebaut und wird unter anderem drei anstatt bislang zwei Monitore haben. Von diesen Fahrzeugen sollen insgesamt 260 Stück bestellt werden – sie sollen nach und nach die DT-4- Generation ersetzen.
Die Klappsitze werden im DT 6 abgeschafft
Zum Fahrplanwechsel Ende 2026 sollen die ersten vier Züge regulär auf dem U-Bahn-Netz eingesetzt werden. Aber im Zug der Zukunft gibt es noch weitere Neuheiten: Die Fahrgastinformation wird künftig nicht mehr über einen Monitor erfolgen, der im Wagen hängt, sondern über eine Digitalanzeige oberhalb der Fahrzeugtüren. Abgeschafft werden auch die Klappsitze in den Mehrzweckbereichen.
„Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die Hemmschwelle der Fahrgäste, die dort sitzen, höher ist, diesen Bereich zum Beispiel für einen Kinderwagen frei zu machen“, sagt Rathke. Ins Auge fällt auch, dass es keine Haltestangen mehr im Eingangsbereich gibt. „Dadurch entsteht mehr Platz, und die Fahrgäste halten sich dort nicht mehr auf, sondern gehen in den Wagen rein. Unser Ziel ist es, dass dadurch das Ein- und Aussteigen flüssiger funktioniert“, sagt Seeger. Aber insgesamt gibt es mehr Haltestangen im DT 6 als im DT 5.
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Bleibt die Frage, wo ist die Technik für den vollautomatischen Betrieb ohne Fahrer? „Die wird nicht sichtbar hinter der Wandverkleidung integriert. Im Notfall kann der Zug aber auch von einem Fahrer gefahren werden“, sagt Rathke. Der Zug der Zukunft wird nun wieder abgebaut. Aber einen Teil hat sich das Deutsche Technikmuseum in Berlin gesichert. Das DT-6-Modell wird voraussichtlich 2022 dort ausgestellt.