Hamburg. Zum Fest kommen weniger geübte Besucher in die Gotteshäuser. Die schlimmsten Fettnäpfchen und was Pastoren “oberpeinlich“ finden.

Volles Haus am Heiligen Abend: Zehntausende Hamburger strömen zu Weihnachten wieder in die Gotteshäuser. Für ungeübte Besucher stehen allerdings allerlei Fettnäpfchen bereit. Wer nur einmal im Jahr oder noch seltener eine Kirche besucht, kennt die Gepflogenheiten nicht mehr genau. Die Geistlichen beobachten telefonierende, filmende, essende, schwatzende Männer, Frauen, Kinder und Jugendliche. Was bislang eher Ausnahmen waren, ist offenbar längst kein Einzelfall mehr.

Christian Reinhart arbeitet seit vielen Jahren als Pastor in Alt-Rahlstedt an der Martinsgemeinde und ist auf Jugendarbeit spezialisiert. Auf die Frage, welche peinlichen Verhaltensweisen er zu Weihnachten in der Kirche beobachtet hat, nennt er zahlreiche Beispiele. „An erster Stelle steht das Spielen mit dem Handy. Da werden Anrufe im Gottesdienst geführt und Fotos gemacht“, sagt er.

Eine andere Unart sei es, im Gottesdienst zu essen. „Einige packen ihre Chipstüten und Kekse aus, andere haben ihre Cola-Dosen dabei. Ich habe es selbst schon einmal erlebt, dass jemand ein Bier im Gottesdienst aufgemacht hat.“ Dass es die Besucher nicht nur zu Weihnachten, sondern auch bei anderen Gelegenheiten ohne Getränk nicht lange aushalten, berichtet Alexander Röder, Hauptpastor am Hamburger Michel.

Viele Gottesdienstbesucher bringen Getränke mit

„Selbst in einstündigen Gottesdiensten fühlen sich die Besucher vom Tod durch Verdursten bedroht und müssen unbedingt ihre Wasserflaschen (bis zu 1,5 Liter) ansetzen und trinken“, sagt er. Der katholische Pfarrer Johannes Pricker hat einem Festtag beobachtet, an dem ein Besucher mit einem Coffee-to-go-Becher an der Kirchenwand gelehnt habe.

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Und dann gibt es bei dem einen oder der anderen einen starken Geruch. „Intensives Parfüm aufzulegen ist schlichtweg schlechtes Benehmen – wie es sich auch nicht gehört, generell durch starken Geruch unangenehm aufzufallen“, sagt Johannes Pricker. Dazu kommt der permanente Einsatz von Mobiltelefonen, die auch in den heiligen Räumen genutzt werden. Sie würden „ungeniert“ zum Filmen, Blitzen und Aufnehmen verwendet – sowohl in Konzerten als auch im Gottesdienst, sagt Hauptpastor Röder.

„Oberpeinlich“, betont der langjährige Hauptpastor an St. Petri, Christoph Störmer, sei das Aufleuchten der Displays in der dunklen Kirche und bei Kerzenschein. Dass manche Menschen ihre Smartphones checken und manche es selbst in Gottesdiensten und bei wunderbaren Orgelmusiken nicht hinbekommen, ganz im Hier und Jetzt zu sein, gehe gar nicht.

Laute Gespräche sind ärgerlich

Besonders ärgerlich sind die lauten Gespräche während der Veranstaltungen. Bei einem Gottesdienst Anfang November im Michel haben sich zwei Damen bis zum ersten Ton des Orgelvorspiels ungefähr zehn Minuten lang darüber unterhalten, wie man am besten Bratkartoffeln brät. Selbst dann, wenn die Orgel erklingt, schweigen einige Besucher nicht. „Stattdessen wird die gemeinsame Unterhaltung mit erhöhter Lautstärke fortgesetzt, wenn die Orgel erklingt. Ganz nach dem Motto: Jetzt wird es lauter, also muss ich auch lauter reden“, sagt Pastor Christian Reinhart.

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Mehr noch: Offenbar verwechseln ungeübte Gottesdienstteilnehmer die Kirchenbänke mit Swimmingpool-Liegen. Pastor Reinhart beobachtet jedenfalls, dass manchmal ganze Bankreihen mit Mänteln als Reservierungszeichen belegt werden – ähnlich wie bei den Liegen mit Handtüchern im Urlaubshotel.

Und auch das geht gar nicht, sagt Reinhart: „Die Gesangbücher sind nicht als Weihnachtsgeschenk gedacht, sondern sollen wieder abgegeben werden.“

Wie also geht es richtig?

Regel Nummer 1 beim Kirchen-Knigge, sagt Christoph Störmer: „Leute, stellt, wenn ihr eine Kirche betretet, den Flugmodus bei den Smartphones ein, und euch eröffnet sich die Chance, abzuheben und in eine überraschend andere Sphäre getragen zu werden.“

Regel Nummer 2: Seid pünktlich da! „Störend und unhöflich ist es, im letzten Augenblick in den Gottesdienst gehetzt zu erscheinen und sich irgendwie noch einen Platz zu nehmen“, sagt Johannes Pricker.

Regel Nummer 3: Guckt, was die anderen machen. Das rät der Sprecher des Erzbistums Hamburg, Manfred Nielen. Gerade wenn man unsicher sei, könne man schauen, was die anderen gerade tun – also etwa bei bestimmten Gebeten aufzustehen.

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Ansonsten, fügt Michel-Hauptpastor Röder hinzu, „sind wir gern großzügig, weil wir wissen, dass zu Weihnachten Menschen die Kirchen besuchen, die ,Seltengänger‘ sind. Wir freuen uns, dass Sie kommen.“