Hamburg. Präventionskonzept soll Radikalisierung verhindern. Bekennerschreiben nach Anschlag auf Innensenator Grote „authentisch“.

Rot-Grün antwortet auf die Gefahr durch linke Gewalt: Der Senat hat ein Maßnahmenpaket beschlossen, um das Abgleiten von Hamburgern in militante Kreise zu verhindern. Die Prävention soll unter anderem in Schulen und Stadtteilen, aber auch im Dialog mit linken Gruppierungen erfolgen.

Neben religiösem und rechtem Ex­tremismus sei man in Hamburg auch stark durch Linksextremismus gefordert, heißt es aus dem Senat. „Es gibt eine Grenze zwischen einer legitimen kritischen Haltung, die auch radikal sein kann – und der Gewalt, die bei keinem Anliegen gerechtfertigt ist.“ Prävention müsse ansetzen, bevor Menschen diese Linie überschritten. Die Sicherheitsbehörden gehen teilweise von einer weiter steigenden Gefahr von linker Gewalt aus. Die Bürgerschaft hatte den Senat nach dem Abschluss der Aufarbeitung im G-20-Ausschuss ersucht, systematische Maßnahmen gegen Linksextremismus zu erarbeiten.

Konzept verfolgt eine Doppelstrategie

In dem Konzept wird nun eine Doppelstrategie verfolgt: Zum einen gehe es um Menschen, die sich in linken Gruppen radikalisierten – zum anderen um Gelegenheitstäter, die ganz ohne politische Agenda handeln. Bei G 20 hätten sich beide Phänomene „teilweise unabhängig voneinander, teilweise überschneidend“ gezeigt, heißt es. Erst vor einer Woche hatten Unbekannte den Innensenator in seinem Dienstauto auf St. Pauli mit Steinen und Farbe attackiert, als dieser seinen zweijährigen Sohn zur Kita brachte. Danach wurde ein Bekennerschreiben einer linken Gruppierung im Internet veröffentlicht (das Abendblatt berichtete).

Genaue Erkenntnisse darüber, wie die Radikalisierung im linken Milieu verläuft, gibt es jedoch kaum – genauso wenig wie erprobte Strategien zur Prävention. Kein anderes Bundesland habe sich dem Thema bislang systematisch angenähert. „Es geht darum, überhaupt einen Einstieg in die Prävention zu schaffen“, heißt es aus dem Senat. Gleichzeitig sei es nicht das Ziel, radikale linke Haltungen in Hamburg zu stigmatisieren oder zu bekämpfen.

Austausch zwischen Schulen und Fachbehörden

Als konkrete Maßnahme hat der Senat einen institutionellen Austausch zwischen Schulen und Fachbehörden vorgesehen. Zudem sollen Lehrer, aber auch Polizisten während ihrer Ausbildung an der Polizeiakademie stärker über die Ausprägungen von Linksextremismus informiert und geschult werden. Der Senat kündigt an, den Dialog zwischen Anwohnern etwa im Schanzenviertel und auf St. Pauli als auch eine Debatte über die Gewalt fördern zu wollen.

In der Innen- und Sozialbehörde wird mit Sorge gesehen, dass eine polizeifeindliche Haltung auch in bürgerlich-linken Kreisen verankert sei. Obwohl die linke Szene aus unterschiedlichen Akteuren bestehe, scheue diese eine Distanzierung voneinander. „Es gibt massive Solidarisierungseffekte“, heißt es dazu aus dem Senat. Dabei sei es aber gefährlich, wenn Kritik an Polizei in Hass umschlage oder Hamburger Politiker stellvertretend für globale Missstände attackiert würden. „Das ist eine Form von Menschenfeindlichkeit“, heißt es. Auch mit der Linksfraktion im Rathaus habe es dazu konstruktive Gespräche gegeben.

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Die zweite Gruppe der Gelegenheitskrawallmacher ist nach Einschätzung des Senats ebenso problematisch, aber nicht einfach zu erreichen. Im Konzept ist hier von einer besseren Vermittlung gesellschaftlicher Werte und der Erforschung des Phänomens die Rede. Der Erklärungsansatz, dass die Täter aus generellem Frust handelten, wird im Senat für nicht ausreichend gehalten.

Nach dem Anschlag auf Andy Grote hat die Polizei das Bekennerschreiben als authentisch eingestuft. Zum Stand der Ermittlungen halten sich die Beamten bedeckt. Für den Sonnabend haben Linke eine Protestaktion vor dem Wohnhaus eines Richters angekündigt, der in einem G-20-Prozess den Vorsitz hat.