Hamburg. Die S-Bahn-Linien sollen in einen neuen Tunnel unter dem Hauptbahnhof verlegt werden. Doch der Untergrund ist hier herausfordernd.

Das schafft nicht jeder S-Bahnhof. Kaum war die neue Station Elbbrücken am Sonntag offiziell in Betrieb, da sammelten sich Fahrgäste und andere Schaulustige auf der Plattform oberhalb des Bahnsteigs, staunten bei schönstem Winterwetter über die architektonisch an die historischen Elbbrücken angelehnte, geschwungene Stahlkonstruktion, wandelten über den gläsernen Skywalk hinüber zur gleichnamigen U-Bahn-Station und genossen von dort den Blick über den Hafen.

Keine Frage: Dieser Bahnhof ist mehr als ein Knotenpunkt, er ist auch eine Sehenswürdigkeit. Dass er wegen Problemen im Untergrund deutlich teurer und ein Jahr später eröffnet wurde als geplant, war schon bei der feierlichen Einweihung am Sonnabend nur eine Randnotiz. „Rund 70 Millionen Euro kostet die neue S-Bahn-Station – Geld, das gut angelegt ist für die Infrastruktur eines neuen Stadtteils“, befand Ronald Pofalla, Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn, mit Blick auf die HafenCity und den geplanten Stadtteil Grasbrook.

Bis zu 20.000 Fahrgäste täglich an Elbbrücken

Doch so spektakulär dieses Projekt auch ist – es trat noch während der Eröffnung in den Hintergrund. Denn Enak Ferlemann (CDU), Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, dachte schon einen Schritt weiter. Dass an den Elbbrücken hoffentlich bis zu 20.000 Fahrgäste täglich zwischen S 3/S 31 und U 4 umsteigen und so den chronisch verstopften Hauptbahnhof etwas entlasten können, sei ja schön und gut.

Zur Eröffnung fuhr auch eine Dampflokomotive durch den neuen Bahnhof Elbbrücken.
Zur Eröffnung fuhr auch eine Dampflokomotive durch den neuen Bahnhof Elbbrücken. © dpa | Markus Scholz

Aber da sich die Fahrgastzahlen im Nahverkehr perspektivisch verdoppeln werden, brauche es für eine echte Entlastung eigentlich einen komplett neuen Tunnel unter dem Hauptbahnhof hindurch bis nach Altona, forderte Ferlemann zum Erstaunen der Festgäste. Mit Blick auf Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof fügte er schmunzelnd hinzu: „Da hat der Bürgermeister was für den Wahlkampf, und Herr Rieckhof kann schon mal anfangen zu zeichnen.“

Was im Ton eher wie ein verspäteter Aprilscherz daherkam, war bierernst gemeint. „Wir müssen die zwei Gleise für den S-Bahn-Verkehr aus dem Hauptbahnhof herausbekommen“, sagte Ferlemann dem Abendblatt. „Dann hätten wir einen weiteren Bahnsteig frei für den Regional- und Fernverkehr. Damit schafft man mehr Kapazitäten im Bahnhof.“ Über diese Möglichkeit werde schon länger nachgedacht, auch zusammen mit der Hamburger Verkehrsbehörde, so Ferlemann. „Aber bislang hat sich noch niemand so richtig getraut, diese Möglichkeit öffentlich zur Debatte zu stellen, weil das eine große, aufwendige Maßnahme ist, die viel Geld kostet.“ Nun sei der richtige Zeitpunkt, „Mut“ zu zeigen.

Wissenswertes zu den S-Bahn-Linien in Hamburg:

  • Die S-Bahn gehört zum schienengebundenen Nahverkehr in Hamburg und Umland
  • Sie wurde 1907 in Betrieb genommen
  • Es gibt in Hamburg vier S-Bahn-Linien (S1, S21, S3, S31) plus zwei Verstärkerlinien (S11, S2)
  • Das gesamte S-Bahn-Streckennetz umfasst rund 144 Kilometer und 68 Haltestellen
  • Die meisten Haltestellen der S-Bahn in Hamburg haben ein funktionsbetontes Design mit offenem Bahnsteig und offenem Flachdach

Untergrund im Umfeld extrem herausfordernd

Den wird es auch brauchen. Denn bei den Schlagworten „Tunnel“ und „Hauptbahnhof“ dachten viele Gäste erstens sofort an „Stuttgart 21“: Bei der Umwandlung des Stuttgarter Hauptbahnhofs von einem oberirdischen Kopf in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof sind Zeitplan und Kosten völlig aus dem Ruder gelaufen. Nach anfänglich geschätzten 2,6 Milliarden Euro sind mittlerweile mehr als acht Milliarden aufgerufen.

Und zweitens gilt der Untergrund im Umfeld des Hamburger Hauptbahnhofs als extrem herausfordernd: Dort verlaufen bereits vier U-Bahn-Linien, der Citytunnel für die S-Bahn, der den Bahnhof seit Ende der 70er-Jahre über Jungfernstieg mit Altona verbindet, setzt dort an, es gibt zwei mächtige Tiefbunker aus Kriegszeiten und nicht zuletzt den Wallringtunnel für den Autoverkehr als seitliche Begrenzung.

Enak Ferlemann (v. l.), Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Bahnvorstand Ronald Pofalla und Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) bei der Bahnhofseinweihung
Enak Ferlemann (v. l.), Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Bahnvorstand Ronald Pofalla und Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) bei der Bahnhofseinweihung © dpa | Markus Scholz

Zudem müsse bedacht werden, dass auch noch die neue U 5 an den Hauptbahnhof angebunden werden muss, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD). „Auch das ist ein Jahrhundertprojekt, das man sich technisch nicht zu einfach vorstellen darf.“ Daher müssten Stadt und Bahn das Tunnelprojekt jetzt nicht nur sorgfältig prüfen, sondern auch ihre Planungen vernetzen, so Tschentscher: „Wir haben an der Elbphilharmonie gelernt: Wenn man zu Anfang besser plant, wird es erstens günstiger, und es geht auch schneller.“

Im Grundsatz zeigte er sich über Ferlemanns Vorstoß, der mit ihm abgesprochen war, erfreut: „Ich begrüße es, dass es solche mutigen Vorschläge gibt. Denn der Hauptbahnhof ist ein Nadelöhr für den öffentlichen Nahverkehr in Hamburg.“ Deswegen arbeite die Stadt ja zusammen mit der Bahn an der Erweiterung und am Bau der S 4. „Aber das, was Herr Ferlemann vorschlägt, geht natürlich noch einmal deutlich darüber hinaus“, so Tschentscher.

Bedenken wegen Stuttgart 21? „Hamburg kann das!“

Für den Verkehrsexperten der Grünen in der Bürgerschaft, Martin Bill, sind die Überlegungen folgerichtig: „Denn die Gleise in Hamburg werden für einen massiven Ausbau des Schienenverkehrs nicht reichen. Wir müssen uns daher dringend Gedanken machen, wie wir es hinbekommen, mehr Nah- und Fernverkehr auf die Schiene zu bekommen.“ Er wolle den Bund „in die Pflicht nehmen“, die Machbarkeit bald zu prüfen.

Ferlemann sagte, er lasse sich durch „Stuttgart 21“ nicht von solchen Großprojekten abschrecken: „Hamburg hat ja Tunnel, die können damit umgehen, da habe ich gar keine Bedenken.“