Hamburg. Was bedeutet Heimat für Udo Lindenberg, Ian Karan oder Samy Deluxe? 35 Promis erzählen, wo ihr Herz zu Hause ist.
Es ist ein Gefühl, das tief sitzt. Heimat, schreibt die Autorin Ilka Peemöller, ist ein Sehnsuchtsbegriff. Manchmal ist es eine Liebe, manchmal eine Hassliebe, aber immer ist es eine Empfindung, die sich nicht abstreifen lässt. „Jeder von uns, egal von welcher Nationalität, egal von welchem Geschlecht, ob behütet oder sich selbst überlassen, ob reich oder arm, hat das innige Bedürfnis nach Halt und Sicherheit“, schreibt Peemöller.
Sie hat mit 35 bekannten Menschen über Heimat gesprochen. Ob Hamburger wie Udo Lindenberg, Samy Deluxe oder Johannes Oerding oder Fußballer Lothar Matthäus und Schauspieler Wotan Wilke Möhring – sie alle geben in dem Buch „Heimat. Wo das Herz zu Hause ist“ intime Einblicke in ihre Heimatgeschichten.
Udo Lindenberg, Sänger: „Heimat ist für mich nicht ortsgebunden, es ist mehr seelenverbunden. Ich fühle mich da beheimatet, wo ich schöne Seelen treffe.“ Am „zu hausesten“, wie er es ausdrückt, fühle er sich in einem kleinen Örtchen in Baden-Württemberg: in Calw, der Heimatstadt von Hermann Hesse, der ein großer Inspirator für ihn war. Lindenberg berichtet von seiner Kindheit in Gronau und wie seine Mutter aus Alkoholresten mit Mehl und Zucker eine Bier- oder Weinsuppe machte. Weil nichts anderes da war. „So saßen wir Kinder schon leicht zugedröhnt beim Mittagessen.“ Heimat riecht für ihn eben deshalb nach Bier- und Weinsuppe. Sein Traum war es, als Trommler die Welt zu bereisen. Heimatgefühle hat er schon an verschiedenen Orten entwickelt. „Wo ich meinen Hut hinhäng, da ist mein Zuhause.“
Micky Beisenherz, Komiker und Moderator: „Ich bin sehr stolz, aus Castrop-Rauxel zu kommen.“ Dort hat er die ersten 24 Jahre seines Lebens gewohnt, in einem Mehrgenerationenhaus mit Omma Lore, die heute 94 Jahre alt. Er stammt aus einer Handwerkerfamilie, habe selber aber in dieser Hinsicht kein Talent. „Genauso, wie es jeder bei uns zu Hause liebt, den anderen zu veräppeln, ist das Leben dort geprägt von einer ganz großen Wärme.“ Deswegen kommt er auch gern zurück in die Heimat, das Ruhrgebiet, wo „immer alles grundehrlich aufgetischt wird.“
Beisenherz betreut dort eine Fußballgruppe, die auf einem Rasenplatz vor der JVA bolzt. Alle eineinhalb Wochen fährt er in seine Heimat. „Von Henrichenburg nach Hamburg – ich bin lediglich ein paar Buchstaben weitergezogen. Im Ruhrgebiet fühle ich mich verwurzelt, in Hamburg bin ich sehr heimisch geworden. Das hat nichts damit zu tun, dass es optisch die schönste Stadt Deutschlands ist. Sondern es gibt einfach sehr viele Menschen, die es mir sehr leicht gemacht haben anzukommen. Hamburg ist eine fantastische Stadt, um wie ich ein Kind zu erziehen.“ Er mag den nordischen Schnack, aber der unterscheidet sich deutlich vom Pott: „Wenn ich etwa in Hamburg sage: Du fängst dir gleich eine, guckt der ein oder andere und hält es für eine ernsthafte Bedrohungslage.“
Samy Deluxe, Rapper: „Da draußen war ich ein brauner Fleck in der Milchkanne. Ich fühlte mich allein, ich war immer zu weiß für die Schwarzen und zu schwarz für die Weißen. Meine Mutter war immer auf meiner Seite, trotz allen Stresses und Trubels hielt sie immer zu mir. Wenn man so will, war meine Mutter immer meine Heimat für mich.“ Je dunkler du bist, sagt er, desto fremder bist du. Er liebt Hamburg. „Ich trage das Moin in meinem Herzen.“ Nordisch by nature eben.
Ian Karan, Unternehmer und Kunstmäzen: „Für mich bedeutet Heimat Verbundenheit mit einem Ort, an dem ich mich wohlfühle, die Menschen verstehe, respektiere und zum Teil auch liebe. Ich weiß noch, wann sich dieses Gefühl bei mir in Bezug auf Hamburg einstellte. Es war 1991.“ Auf dem Landeanflug auf Hamburg nach einer New-York-Reise sagte er zu seiner Frau Barbara: „Wir sind wieder zu Hause … in unserer Heimat!“ Damals lebte er bereits seit 21 Jahren in Hamburg. „Lange Zeit fühlte ich mich nicht heimisch.“ Er empfand sich als nicht zugehörig, auch weil er lange Zeit noch kein Deutsch sprach. Seine Beziehung zu seinem Herkunftsland Sri Lanka ist gespalten. Dort lebte er in einem Internat – ohne Liebe und Wärme. Er sagt: „Alles, was ich heute bin, bin ich in Hamburg geworden.“
Jorge Gonzales, Stylist, Model-Coach und „Let’s Dance“-Juror: „Das ultimative Heimatgefühl: Domino-Spielen mit meinem Papa auf Kuba.“ Die Liebe zu hochhackigen Schuhen habe er von seiner Oma Juana, der Mutter seines Vaters Gudelio. „Wenn ich in Deutschland in eine Bäckerei gehe und mir der Duft von frisch gebackenem Brot und Kuchen in die Nase steigt, denke ich an meine Oma Juana und ihre Panetalas, Küchlein. Immer wenn ich Zimt rieche, schlägt mein Herz höher. Weil es mich an Heimat, an Oma erinnert. Ich habe zwei Heimaten: die, in der ich aufgewachsen bin, in der meine Wurzeln und meine Familie sind. Wenn ich das Meer rieche, denke ich an Kuba. Und dann habe ich in Deutschland, in Hamburg, meine zweite Heimat gefunden.“
H.P. Baxxter, Scooter-Frontmann: „Teetrinken gehört zu Ostfriesland und mir wie Hyper Hyper zu Scooter. Tee ist Teil meiner Kultur. Dass man sich zum Teetrinken trifft, war für mich als Ostfriese normal. Mir wurde erst bewusst, dass das nicht bei jedem gängig ist, als ich nach dem Abi nach Hannover zog. Ich habe im Nordosten von Hamburg, nah an der Grenze zu Schleswig-Holstein mein Zuhause gefunden.“
Johannes Oerding, Sänger: „Ich fühle mich heimisch, wenn ich auf Tour bin. Dieses Heimatgefühl wird immer von Menschen geprägt“, erzählt der Wahlhamburger. „Zu Hause ist es meine Familie: meine Eltern, meine zwei Schwestern und zwei Brüder und acht Nichten und Neffen.“ Heimweh kennt der frühere Pfadfinder aus einem Dorf am Niederrhein nicht. Er ist der Momentleber, kein Nostalgiker.
Ilka Peemöller: „Heimat. Wo das Herz zu Hause ist“. Goldmann-Verlag, 16 Euro.