Hamburg. Arne Peters leidet an Morbus Parkinson. Der Hamburger hat über sein Leben mit der Krankheit drei launige Bücher geschrieben.

Arne Peters Honeymoon hat fast drei Jahre gedauert. Beneidenswert, könnte man meinen. Aber so war es nicht. Denn es handelte sich nicht um eine schier endlose Phase der Verliebtheit nach seiner Hochzeit, sondern Honeymoon bezeichnet auch die Anfangsphase bei einer Parkinson-Erkrankung. Und in dieser Zeit geht es den Betroffenen meist noch recht gut. „Man bekommt Medikamente und die Symptome verschwinden teilweise wieder“, sagt der Hamburger. Zufällig fielen bei dem damals 44-Jährigen die niederschmetternde Diagnose und seine Heirat zeitlich eng zusammen.

Die Anfänge der Krankheit waren recht klassisch, er habe es an Kleinigkeiten gemerkt, erinnert sich Arne Peters, der seit 1990 als Kameramann beim NDR arbeitet. „Ich konnte die Spaghettigabel nicht mehr drehen. Mein Arm hing runter und schwang beim Gehen nicht mit.“ Wie viele Laien habe er damals angefangen, diese Symptome zu googeln. „Da war ich schnell bei Parkinson.“

Dramatische Fehldiagnose

Dann begann seine Odyssee, wie er es nennt. Er besorgte sich einen Arzttermin – drei Wochen vor der geplanten Hochzeit. Wider Erwarten gab der Neurologe Entwarnung und schickte Arne Peters bloß zur Krankengymnastik. „Eine dramatische Fehldiagnose“, sagt dieser. Einen Vorteil hatte sie jedoch: Der heute 55-Jährige konnte die Hochzeit mit seiner Cornelia genießen.

Beim ersten Krankengymnastik-Termin dann die Ernüchterung: „Sie brauchen keine Krankengymnastik, sie brauchen einen neuen Neurologen“, habe die Therapeutin gesagt, sagt Peters. Der Neurologe bestätigte schließlich seine Befürchtungen. „Da fällt man in ein tiefes Loch. Ich bin stundenlang durch Hamburg gelaufen“, erinnert er sich.

Krankheit macht sich immer stärker bemerkbar

Und seither lebt Arne Peters mit der Krankheit, die sich immer stärker bemerkbar macht. „Kameramann. Na in so einem Beruf ist Parkinson vermutlich auch nicht so hilfreich, oder?“, zitiert Peters einen Therapeuten namens Paul in seinem Buch „Ich gehe rückwärts. Eine letzte Dienstreise.“ Darin erzählt er von seiner letzten Dienstreise zu einer Außenübertragung eines Fußballspiels in der Provinz. „Ich habe viele Jahre lang viele Reisen gemacht“, sagt der Kameramann. Aber es sei keineswegs immer nur die große weite Welt gewesen, „es war auch mal die Umfrage im Nieselregen auf dem Tibarg.“ Inzwischen hat Peters drei Bücher geschrieben. Und obwohl er sich in allen mit seiner Krankheit beschäftigt, sind sie sehr unterhaltsam und es steckt keine Bitterkeit darin.

Er beschäftigt sich darin pointiert mit den Einschränkungen, die ihm seine Erkrankung, auch Schüttellähmung genannt, auferlegt. „An guten Tagen kann ich relativ viele Alltagssachen noch erledigen, aber die schlechten Tage werden leider immer mehr“, sagt der Hamburger, der noch immer Vollzeit arbeitet. Seine Kollegen wüssten alle Bescheid. Erst habe er in seinem Freundeskreis erzählt, wie es um ihn steht, später den Kollegen und dann auch der Abteilungsleitung.

Routine hilft

„Ich habe Tage, an denen ich schlurfe oder ein Bein nachziehe“, sagt der Parkinsonkranke. Parkinson betreffe alle Muskeln, auch die Sprache und die Mimik würden in Mitleidenschaft gezogen. Seine Mimik sei etwas verhaltener, statischer. Man sehe dann aus, als habe man schlechte Laune. Und dann sei da dieses Zittern, auch wenn das noch selten sei bei ihm. „Das Zittern wird durch Stress ausgelöst“, sagt Peters, „aber auch durch Kälte“. Den Winter habe er noch nie gemocht, „aber jetzt noch weniger.“

Routine hilft. Deshalb fühlt er sich bei der Arbeit im Studio, wo alles sehr geregelt sei, recht sicher, während er sich Außenreportagen mit all den Unwägbarkeiten nicht mehr zutraut. Sushi mit Stäbchen zu essen sei auch nicht mehr sein Ding. Und so befolgt er den Rat einer Psychologin: „Notfalls essen Sie Ihre Sushi eben mit der Gabel. Ist in jedem Fall besser, als zu Hause zu bleiben, nur weil Sie fürchten, dass die anderen Gäste Ihren ungeschickten Umgang mit den Stäbchen beobachten können.“

Zum ersten Mal war Peters mit der Krankheit Parkinson konfrontiert, als er im September 2000 bei den Olympischen Spielen in Sydney den Box-Champion Muhammad Ali aufnahm, bereits gezeichnet von Parkinson. Doch mit Krankheiten beschäftigte sich Peters damals nicht, er selbst war ja gesund und stark.

Mitpatienten haben geweint

Zwölf Jahre später, bei den Olympischen Spielen in London, hatte Peters Ali wieder vor der Kamera und beschreibt den Moment. „Trotz der großen Entfernung kann ich erkennen, dass sich sein Gesundheitszustand noch einmal deutlich verschlechtert hat… Denn ich weiß mittlerweile eine ganze Menge über den politisch engagierten, ehemaligen Boxchampion. Ich habe viel über ihn gelesen. Über seine legendären Kämpfe innerhalb, aber auch außerhalb des Ringes. Ich weiß mittlerweile, warum dieser Mann so verehrt wird. Und über seine seltsame Parkinson-Krankheit – nun – über die weiß ich mittlerweile auch so einiges. Unter anderem weiß ich, wie sie sich anfühlt.“

Er habe die Krankheit sehr früh bekommen, sagt Peters, das sei eher die Ausnahme. „In der Regel bekommt man das mit 60.“ Erst seine Erkrankung hat ihn zum Schreiben gebracht. Bei seiner ersten Kur in Bad Segeberg entstand die Idee, über seine Befindlichkeit zu schreiben: „Die ersten Tage dort haben mich umgehauen.“ Er habe jeden Tag einen kleinen Brief an seine Trauzeugin geschrieben, um die ganzen Umstände zu verarbeiten. Denn dort traf er auch auf viele Schlaganfallpatienten, junge wie alte und natürlich viele ältere Parkinsonkranke. Schwer auszuhalten bei seinem ersten Besuch in der Kurklinik. „Daraus entstand das erste Buch ,Bloß nicht in Tüdel kommen. Parkinson – ein Kurbericht.’“

Einige seiner Mitpatienten, denen er daraus vorlas, hätten geweint, viele auch gelacht. Früher habe er solche Einrichtungen nur dienstlich betreten, sagt Peters, inzwischen ist er beinahe Stammgast. Weil sich die nettesten Mitpatienten der Klinik immer in der Raucherecke treffen, kaufte auch er sich zum ersten Mal im Leben Zigaretten – seine Eintrittskarte zum abendlichen Treffpunkt. Den Besuch der Tankstelle beschreibt er im „Kurbericht“: An ein Feuerzeug hatte ich bei meinem Einkaufsbummel an der Tankstelle nicht gedacht. „War schon schwer genug, die Packung Zigaretten zu kaufen“, denke ich. Die gewünschte Marke hatte ich dem Tankwart noch ganz souverän nennen könne. Aber dann gab es etliche Rückfragen: „Die Roten oder die Grünen? Lang? Kurz? Menthol? Mit oder ohne Filter?“ „Tja – was würden Sie denn empfehlen?“, hatte ich gefragt und damit ein amüsiertes, aber auch ungeduldiges Gemurmel bei den anderen Kunden hinter mit ausgelöst. Genau die Situation, die Parkinsonpatienten immer versuchen zu vermeiden. „Nichts ist schlimmer, als sich beobachtet zu fühlen“, hatte ich wieder mal gedacht und gemerkt, dass mein Arm ein wenig unruhig wurde. Glücklicherweise hatte ich das Geld schon griffbereit in der Hand und musste nicht umständlich das Portemonnaie aus der Tasche holen. Dachte ich zumindest. Denn als ich mit schließlich für „die Normalen“ entschieden hatte, wurde ich freundlich darauf hingewiesen, dass der Fünf-Euro-Schein mit dem ich bezahlen wollte, nicht ausreichte. An ein Feuerzeug habe ich in dieser etwas unangenehmen Situation dann einfach nicht mehr gedacht.

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Bei seiner letzten Kur habe er vor etwa 50 Leuten gelesen und erntete viel Begeisterung. „Ist ja ein dankbares Publikum, die hatten sonst nichts vor“, sagt Peters, der mit seiner Frau in Eppendorf lebt, und lacht. Wie es künftig weitergeht, müsse er auf sich zukommen lassen: „Ich hatte zehn schöne Jahre seit der Diagnose, aber die Perspektive verschiebt sich etwas.“ Im besten Fall werde eine Wunderpille erfunden, um die Krankheit zu heilen, doch das sei unwahrscheinlich. „Es wäre auch schon hilfreich, wenn die Medikamente besser würden.“ Arbeiten will er, solange es noch geht. Und er will weiter schreiben. Die Idee für Buch Nummer vier hat er schon.

Infos über die Parkinson-Erkrankung gibt es im Internet unter parkinson-vereinigung.de und parkinson-aktuell.de