Hamburg. 1200 Euro Strafe für Inhaber. Was die Polizei empfiehlt, welche Alternative es gibt. Betroffene sollten nach den Kosten fragen.
Er wollte nur schnell den Müll herunterbringen. Doch als Ulrich Z. in seine Wohnung in Ottensen zurückkehren wollte, brach der Schlüssel im Schloss ab. Der 40-Jährige stand vor verschlossener Tür. In der Wohnung war seine zweijährige Tochter – allein. Also war Eile geboten. Tatsächlich bekam der Hamburger relativ zügig Hilfe durch einen Schlüsseldienst. Doch der Preis, den dieser dann verlangte, erschien Ulrich Z. exorbitant hoch. Der Projektmanager erstattete Strafanzeige.
Wucher wäre das, was der Schlüsseldienst offenbar betrieb. Unter Wucher, neudeutsch auch Abzocke genannt, versteht der Gesetzgeber die Ausnutzung einer Zwangslage bei einer auffälligen Diskrepanz zwischen der erbrachten Leistung und dem erlangten Vermögensvorteil. Nun sollte der Fall vor dem Amtsgericht verhandelt werden.
Service darf maximal 360 Euro kosten
Laut Anklage hatte Augusto J. als Inhaber eines Schlüsseldienstes am Abend des 5. September 2018 für den Austausch eines Schließzylinders 644,72 Euro verlangt. Dabei hatte er für seine Dienstleistung lediglich etwa eine halbe Stunde gebraucht, so der Vorwurf. Die Staatsanwaltschaft hat ein Gutachten zu der Frage erstellen lassen, welche Kosten angemessen wären. Die Expertise ergab, dass der Schlüsseldienst für diesen speziellen Service maximal 360 Euro hätte berechnen dürfen.
Durch einen sogenannten Strafbefehl, also gewissermaßen ein schriftliches Urteil, erhielt der Angeklagte bereits eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20 Euro (also 1200 Euro). Dagegen legte der 26-Jährige jedoch Einspruch ein, sodass es jetzt zum Prozess hätte kommen sollen. Doch der Angeklagte erschien nicht vor Gericht. Sein Einspruch wurde daraufhin verworfen. Wenn er gegen diese Entscheidung nicht Berufung oder Revision einlegt, wird die Geldstrafe rechtskräftig.
Dienst war schnell zur Stelle
Bis zu jenem Tag sei ihm nicht klar gewesen, „dass es betrügerische Schlüsseldienste gibt“, erzählt Ulrich Z. dem Abendblatt. Als ihm der Schlüssel in der Tür seiner Altbauwohnung abgebrochen war, hatte er zunächst selber mit Werkzeug eines Nachbarn versucht, den störenden Fremdkörper aus dem Schloss zu entfernen. Doch das misslang. Dann bemühte er sich um einen lokalen Schlüsseldienst.
„Da ging aber keiner ans Telefon“, erinnert sich der 40-Jährige. Also meldete er sich bei einem Anbieter, dessen Auftritt auf der Internetseite ihm seriös erschien. „Die waren auch schnell zur Stelle und sagten, sie müssten das Schloss aufbohren.“ Auf seine Frage, so erzählt es Ulrich Z., erwähnte der Anbieter, dass es wegen der späten Tageszeit etwas „extra kosten“ würde. Der Kunde sollte unterschreiben, dass sich die Endsumme nach der Dauer der Dienstleistung richtet.
Billiger Schließzylinder
„Und ich habe es dummerweise unterschrieben.“ Durch den Lärm des Aufbohrens sei seine kleine Tochter wach geworden. „Sie weinte und rief immer wieder nach mir.“ Der Schlüsseldienst habe ihm auch den Einbau eines neues Schließzylinders berechnet. „Ein ganz billiges Modell, wie sich später herausstellte. Und ich sollte die unglaubliche Summe von insgesamt 645 Euro zahlen“, erinnert sich der 40-Jährige. „Ich hatte mit 200 bis 300 Euro gerechnet.“ Der Schlüsseldienst habe auf einer sofortigen Zahlung bestanden. Ulrich Z. sagt: „Ich war total gestresst und musste mich auch dringend um meine kleine Tochter kümmern.“ Deshalb ließ er sich schließlich darauf ein, noch an der Wohnungstür zu zahlen, mit seiner EC-Karte. „Später habe ich den Betrieb angezeigt.“
Die Polizei Hamburg rät, möglichst einen Ersatzschlüssel bei einer vertrauenswürdigen Person zu deponieren. Sollte jedoch ein Schlüsseldienst erforderlich sein, solle der Kunde eine ortsansässige Firma beauftragen und vor Ort einen Festpreis erfragen und vereinbaren. „Und vor allem: Nichts ungeprüft unterschreiben, keine Blankounterschrift leisten und eine detaillierte Rechnung verlangen“, sagt Polizeisprecherin Evi Theodoridou. „Und wenn man merkt, es ist ein überhöhter Preis, dann kann man die Polizei anrufen.“
Im Notfall nach den Kosten fragen
Die Handwerkskammer Hamburg weist darauf hin, dass reine Schlüsseldienste bei der Handelskammer registriert sind. Zwar bieten auch einige Betriebe im Metallbereich solche Notdienste an, Nebenbereiche sind jedoch bei der Registrierung nicht zwingend erfasst. Die Empfehlung: „Fragen Sie im Notfall immer nach den Kosten und ob An- und Abfahrt berechnet werden. Wenn von einem Betrag von 500 Euro aufwärts die Rede ist, kann das nicht seriös sein. In diesem Fall sollte man den nächsten Notdienst anrufen.“
Für Hamburg bietet mittlerweile auch der ADAC einen Schlüsselnotdienst an – für Mitglieder und Nichtmitglieder. Demnach soll das Türöffnen im Notdienst montags bis freitags zwischen 6 und 20 Uhr dort 99 Euro kosten, an Wochenenden und Feiertagen sowie wochentags zwischen 20 und 6 Uhr 179 Euro. Es könne „zu Zusatzkosten nach der Türöffnung kommen (Ersatzzylinder, defekte Türmechanik)“, heißt es auf der Website.