Hamburg/München. In München führt Ali Güngörmüs das Pageou. Aber der beliebte Ex-Hamburger liebäugelt wieder mit dem Norden.
Das Pageou in der Einkaufspassage Fünf Höfe unweit der Luxusmeile Maximilianstraße ist gut besucht. Es ist kurz vor 13 Uhr. An den weiß eingedeckten Tischen sitzen Geschäftsleute und elegant gekleidete Damen aus der Münchner Gesellschaft zum Lunch.
Von der Galerie aus lässt Ali Güngörmüs seinen Blick in den Gastraum mit den hohen Fenstern schweifen. „Ich habe einen Tapetenwechsel gebraucht und deshalb damals die Entscheidung getroffen, meinen Lebensmittelpunkt in die Isarmetropole zu verlegen“, sagt Güngörmüs beim Abendblatt-Interview.
Zuvor führte der 43-Jährige das Le Canard Nouveau an der Elbchaussee, einst einer der bekanntesten Hamburger Gourmettempel, und erkochte sich dort den begehrten Michelinstern. Im Abendblatt hatte Güngörmüs vor fast genau drei Jahren verkündet, dass er das operative Geschäft an seinen Küchenchef Florian Pöschl abgeben werde – der heute übrigens im Pageou arbeitet. Seit 2005 hatte der Sternekoch im Le Canard Noveau den Kochlöffel geschwungen. Ende 2017 gab er auch seine Anteile an dem Restaurant ab, das dem Stararchitekten Meinhard von Gerkan gehört.
Güngörmüs ist zu einem Star in der Kochszene avanciert
„Die Jahre in Hamburg haben mich am meisten geprägt, es war eine äußerst erfolgreiche und spannende Zeit. Aber am Schluss war ich auch echt müde und musste mich zwischen München und Hamburg entscheiden. Ich hatte damals ja schon parallel das Pageou und habe beide Lokale geführt“, sagt der Koch. „Die Gäste möchten, dass ich präsent bin. Das geht nur eingeschränkt, wenn man sich um mehrere Läden kümmern muss.“ Nun ist Güngörmüs wieder präsent. „Ich bin hier nicht der große Chef, sondern ein Teil meines 23-köpfigen Teams und mache alles. Ich koche, kaufe ein, begrüße die Gäste und nehme ihnen am Eingang den Mantel ab.“
Seit seiner Zeit in Hamburg ist Güngörmüs zu einem Star in der Kochszene avanciert und einem Millionenpublikum aus diversen TV-Formaten bekannt. Im Hessischen Rundfunk hat er seine eigene Sendung „Koch’s anders“, in Hamburg steht er regelmäßig als Juror der ZDF-„Küchenschlacht“ vor der Kamera. Dazu ist er demnächst in der neuen Staffel von „Grill den Henssler“ als Koch-Coach auf Vox zu sehen. Sonntag und Montag hat das Pageou Ruhetag. Güngörmüs versucht, die TV-Termine möglichst auf diese Tage zu legen.
Der Starkoch hat bereits mehrere Bücher geschrieben
Auch mehrere Bücher hat er geschrieben – im Mai ist „Schau in die Sonne, schau in den Tag – Der Geschmack meines Lebens“ erschienen. Sein Bekanntheitsgrad ist hoch, es kommt nicht selten vor, dass er auf der Straße um Selfies und Autogramme gebeten wird. „Ich mache das sehr gern. Natürlich profitiert mein Restaurant davon, dass ich durch das Fernsehen relativ präsent bin.“
Er kennt aber auch die Schattenseiten. „Wer in der Öffentlichkeit steht, muss auch damit klarkommen, dass jeder Schritt irgendwie beleuchtet wird.“ Letztens wartete Güngörmüs auf seinen Flug nach Hamburg und telefonierte am Gate. „Dabei ging ich auf und ab; später war auf Facebook zu lesen, dass ich orientierungslos am Münchner Flughafen rumlaufe.“
Er hat zwei Söhne und eine Tochter
Die ersten zehn Jahre seines Lebens hat der Kultkoch in Ostanatolien verbracht. In dem Dorf Pageou – nachdem nun auch sein Restaurant benannt ist, in dem er eine „junge, moderne kosmopolitische Küche mit orientalischen und exotischen Einflüssen“ präsentiert. Als Zehnjähriger kam er nach München, dort startete er auch seine Karriere mit der Kochausbildung. Nun ist er wieder zurück. Während die Hanseaten eher für ihr Understatement bekannt sind, zeigt die Münchner Schickeria gern, was sie hat. Ist er ein Teil dieser Bussi-Bussi-Gesellschaft? Güngörmüs: „Ich bewege mich ab und an in diesen Kreisen. Aber das sehe ich auch als Teil meines Jobs an. Ich brauche keine Champagner-Partys, um glücklich zu sein.“
Luxus sei für ihn, Zeit mit den Kindern zu verbringen. Das mache ihn glücklich. Er hat zwei Söhne (fünf und zehn Jahre) und eine zweijährige Tochter, die bei ihren Müttern leben. Der Lebensmittelpunkt von Güngörmüs und seiner Freundin ist im bürgerlichen Stadtteil Au. Wenn es die Zeit erlaubt, spielt er Fußball. Ein Muss ist für ihn, regelmäßig nach Pageou zurückzukehren und die Eltern zu besuchen, die dort die Sommermonate verbringen.
„Was mir fehlt, ist die Elbe“
Einen Michelinstern hat er im Pageou noch nicht erkocht. „Das brauche ich auch nicht. Ich möchte, dass sich die Gäste bei mir wohlfühlen und eine tolle Zeit mit einem herausragenden Essen haben. Ein Stern ist toll, aber oft auch eine Hemmschwelle für die Gäste, dass habe ich auch im Le Canard gemerkt.“
Ali Güngörmüs führt durch das Restaurant in den Innenhof, der im Sommer bei den Gästen sehr beliebt ist. „Ich habe hier eine tolle Location im Herzen von München, aber was mir fehlt, ist die Elbe“, sagt er. „Die lag mir ja an meinem alten Arbeitsplatz zu Füßen.“
Der Mietvertrag läuft in vier Jahren aus. Wie sieht die Zukunft aus, vielleicht eine Rückkehr an die Elbe? „Ich bin offen für neue Projekte, aber vielleicht verlängere ich auch hier in München den Mietvertrag. Ich liebe meinen Beruf, weil ich so kreativ sein kann. Aber ich habe lange genug auf der Überholspur gelebt und weiß inzwischen, dass Erfolg nicht alles ist.“ Vielleicht zieht es Güngörmüs auch irgendwann in den hohen Norden: „Ich bin ein echter Sylt-Fan. Ich könnte mir durchaus vorstellen, dort mal ein Bistro zu eröffnen.“