Hamburg. Ein Jahr lang will Archäologe Kay-Peter Suchowa zwischen Willy-Brandt-Straße, Nikolai-Mahnmal und Trostbrücke Neustadt-Spuren suchen.

Kay-Peter Suchowa strahlte im ganzen Gesicht, als er vor ein paar Tagen endlich auf „seine“ Baustelle durfte. Der 49-jährige Archäologe musste mehr als ein Jahr lang warten, bis endlich alle nötigen Formalitäten und Vorarbeiten erledigt waren. Jetzt kann er sich mit seinem Team die Hände schmutzig machen, was ihm deutlich mehr liegt als die Arbeit im Büro.

Ein Jahr lang will Suchowa sechs Meter in die Tiefe und fast 1000 Jahre zurück in die Stadtgeschichte buddeln. Auf dem kleinen Grabungsfeld zwischen Willy-Brandt-Straße, Nikolai-Mahnmal und Trostbrücke finden sich Spuren der Bebauung, die bis zur Gründung der Neustadt zurückreichen, also wahrscheinlich bis ins 12. Jahrhundert. Im Interview äußert sich der Archäologe zu Zielen und Hoffnungen.

Herr Suchowa, warum ist diese Stelle archäologisch so interessant?

Kay-Peter Suchowa: Weil an diesem Ort seit dem Mittelalter gewohnt und gearbeitet wurde. Wir konnten bereits einen sehr schmalen Streifen untersuchen, deswegen wissen wir ungefähr, was uns erwartet. Hier haben wir in der obersten Schicht Reste der Häuser, die 1842 beim Großen Brand zerstört wurden. Je tiefer wir graben, desto älter werden die Funde, die mindestens bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen. Wir hoffen aber, dass wir auch Bestände aus dem späten 12. Jahrhundert nachweisen können, also der vermuteten Gründungszeit der Neustadt.

Ist denn nicht gesichert, dass die Neustadt 1189 gegründet wurde?

Kay-Peter Suchowa: Nein, das ist eine Vermutung. Die erhaltene Urkunde, in der Adolf III. Wirad von Boizenburg damit beauftragt, ist zwar auf 1189 datiert, es könnte sich aber auch um eine Nachdatierung handeln. Bei früheren Grabungen auf diesem Areal hat man nichts Älteres gefunden als aus dem 13. Jahrhundert.

Wie sahen denn die Häuser der Hamburger damals aus?

Kay-Peter Suchowa: Die Häuser aus dem 13. Jahrhundert waren Backsteinhäuser, die in der Bauart denen in Lübeck wahrscheinlich sehr ähnlich waren. In ihnen wurde gewohnt, gearbeitet, und sie dienten den Kaufleuten als Lager. Es kann aber auch sein, dass die ersten Häuser, die im 12. Jahrhundert in der Neustadt gebaut wurden, noch aus Holz waren und dann, als die Stadt florierte, relativ schnell Neubauten aus Stein wichen. Ich hoffe, dass wir das bei unserer Grabung herausfinden werden.

Was ist sonst noch bei der Grabung zu erwarten?

Kay-Peter Suchowa: Ohne Zweifel werden wir Reste des Walls der Neuen Burg freilegen, die zwischen 1021 und 1033 gebaut wurde, wie wir bei Grabungen hier in der Nähe ja schon nachweisen konnten. Die Burg wurde dann aufgegeben – wann genau, weiß man nicht – und an gleicher Stelle die Neustadt gegründet. Wir hoffen aber natürlich, dass wir möglichst alte Keramiken, Münzen, Haushaltsgegenstände und derlei mehr finden. Das könnte dann Rückschlüsse auf Handelswege, den Wohlstand oder soziale Strukturen zulassen.

Mit der Neustadt bekam Hamburg auch seinen ersten „richtigen“ Hafen. Hoffen Sie, Spuren zu finden?

Kay-Peter Suchowa: Nein, der lag an einer anderen Stelle direkt am Nikolaifleet, wo das Haus der Laeisz-Reederei steht. Am gegenüberliegenden Ufer stand der erste Hafenkran.

Wie tief werden Sie und Ihr Team graben und wie lange wird es voraussichtlich dauern?

Kay-Peter Suchowa: Etwa sechs Meter werden es sein. Dort dürfte die älteste Schicht zu finden sein. Dafür haben wir zwölf Monate Zeit – ich bin optimistisch, dass dies ausreichen wird.