Hamburg. Drei Frauen haben erstmals den IDEA Award gewonnen. Sie setzen sich für Gleichberechtigung in der digitalen Welt ein.

Camps, in denen Schülerinnen und Schüler lernen, wie Programmieren geht, ein Non-Profit-Unternehmen, das den Anteil der weiblichen Software-Entwickler und Manager im IT-Bereich auf 50 Prozent erhöhen will und eine App, die Investitionen in weiblich geführte Projekte möglich machen soll: Der Hamburger Senat hat am Freitag drei Frauen ausgezeichnet, die in der digitalen Welt die Gleichstellung von Frauen und Männern fördern.

Hamburgerinnen gewinnen IDEA Award

Der sogenannte Idea-Preis (Innovation in Digital Equality Award) wurde in diesem Jahr zum ersten Mal verliehen. Die drei Geehrten Anja Schumann, Diana Knodel und Claudia von Allwörden sind jeweils auf Umwegen in der Digital-Branche gelandet und inzwischen zu ambitionierten Unternehmerinnen geworden. Das Abendblatt hat mit ihnen besprochen, warum Frauen in der Digitalisierungsbranche immer noch Einzelkämpfer sind, warum das Netzwerken so wichtig ist und wie auch Schülerinnen schon früh für das Programmieren begeistert werden können. Da Claudia von Allwörden kurzfristig verhindert war, fand das Gespräch in kleinerer, aber hoch motivierter Runde statt.

Spielt Gleichstellung im Internet eine andere Rolle als in der analogen Welt?

Diana Knodel: Gleichstellung ist überall wichtig, also eben auch im Internet. Die Digitalisierung hat einen großen Einfluss auf viele Bereiche unseres Lebens. Und deswegen sollten da eben auch alle beteiligt sein, sowohl inhaltlich, aber auch was die Macher und Macherinnen angeht.

Anja Schumann: Die Zukunft wird zunehmend digital, auch die Kommunikation verläuft in großen Teilen inzwischen online. Die Wahrheit ist aber, dass diese Branche zum größten Teil von Männern gestaltet wird, Frauen sind nur zu etwa 17 Prozent vertreten.

Was sind die Gründe dafür?

Knodel: Dafür gibt es viele Ursachen. Berührungsängste spielen sicherlich eine Rolle. Mädchen trauen sich oft nicht zu, in den Bereich zu gehen. Die Interessen sind oft noch sehr klassisch geprägt. In den Feriencamps, an denen meine Kinder teilnehmen, sind beim Fußball zum Beispiel fast nur Jungs, bei den Kunstprojekten fast ausschließlich Mädchen. Vieles wird schon früh festgelegt und vorgelebt durch die Erziehung und das Umfeld. Deshalb ist es wichtig, dass wir früh anfangen, Jungs und Mädchen in allen Bereichen zu fördern.

Schumann: Jungs und Mädchen werden immer häufig noch in eine Schublade gesteckt. Ihnen werden, wenn auch unterbewusst, Interessen zugeordnet, und das sorgt dann dafür, dass sie sich später auch damit identifizieren.

Wo und wie sollte die Förderung ansetzen?

Knodel: Bei den App Camps sind wir ursprünglich mit außerschulischer Förderung für Mädchen und Jungs gestartet. Aber dann haben wir uns entschieden, auch in die Schulen zu gehen, weil wir dort alle erreichen. Wir stellen den Lehrkräften kostenlose Unterrichtsmaterialien zu digitalen Themen zur Verfügung. So können sie den Kindern etwa vermitteln, wie man einen Algorithmus schreibt oder eine digitale Geburtstagskarte animiert.

Schumann: Wir verbinden das bei „moin­world“ auch immer mit einem sogenannten Unconscious bias Training, übersetzt also ein Training gegen unbewusste Vorurteile. Von denen sind wir alle betroffen, obwohl wir denken, dass wir ganz rational handelnde Wesen sind. Tatsächlich sind wir aber als Mädchen und Jungen jeweils sehr eingeschränkt, was sich gut an der Berufswahl erkennen lässt.

Knodel: Das stimmt. Das Problem ist auch, dass die entsprechenden Rollenvorbilder fehlen. Mädchen kennen oft keine Frauen, die in der Digitalbranche arbeiten.

Liegt es auch daran, dass viele denken, dass Programmierer eigentlich Nerds sind?

Schumann: Absolut. Viele glauben, dass wir nur alleine vorm Computer sitzen würden. Gerade Mädchen glauben, sie würden zu einem männlichen Nerd werden und zu jemandem, der irgendwie unattraktiv ist. Dabei geht in unserer Branche nichts ohne Teamarbeit und Kreativität.

Knodel: Das kann ich nur bestätigen. Deswegen ist es auch wichtig, dass Mädchen andere Mädchen treffen, die dieselbe Begeisterung haben, aber eben trotzdem Mädchen sind. Wichtig ist, dass sie lernen, dass man sich nicht entscheiden muss zwischen zwei Welten. Man kann ja gleichzeitig Programmiererin sein und weiter Musik oder Kunst machen.

Wie kam es, dass sie selbst zu Macherinnen in der Branche wurden?

Knodel: Über Umwege … Ich habe Medieninformatik studiert, aber ehrlicherweise nur wegen des Medienteils. Letztendlich wurde ich davon überrascht, dass es im Studium doch hauptsächlich um Informatik ging. Für mich war das rückblickend ein großes Glück, denn ich habe im Studium gelernt, dass es mir wirklich Spaß macht.

Schumann: Am Anfang meiner Karriere war es nie eine Überlegung, in so eine technische Richtung zu gehen. Das hätte ich mir nie zugetraut. Aber ich hatte das Glück, dass meine Gastmutter in den USA in einer IT-Abteilung tätig war, und dann habe ich mich auch damit beschäftigt. Später habe ich dann Wirtschaftsinformatik studiert – mit großer Freude.

Knodel: Viele Frauen kommen erst spät im Beruf darauf, dass sie eigentlich doch gerne mehr können würden in dem Bereich. Deswegen ist es so wichtig, dass Schülerinnen früh die Chancen haben, da Einblicke zu bekommen. Für Menschen, die gern knobeln und analytisch denken, ist das einfach toll.

Würden Sie sagen, dass es Frauen in Ihrer Branche schwerer haben als Männer?

Schumann: Ja, auf jeden Fall.

Knodel: Absolut. Das sieht man zum Beispiel daran, dass einem bestimmte Stellen gar nicht erst angeboten werden oder dass man am Ende einen Job doch nicht bekommt. Das ist mir auch schon so ergangen. Einmal habe ich erfahren, dass es mit einem Job nicht geklappt hat, weil der Chef dachte, als Mutter könnte ich keine Dienstreisen machen.

Wie wichtig ist es, dass Frauen sich vernetzen?

Schumann: Für mich ist es sehr wichtig für die Motivation, dabeizubleiben. Dabei habe ich auch oft schon Hemmungen gehabt, zu speziellen Frauenevents zu gehen, weil ich mich ärgere, dass das immer noch notwendig ist, dass es extra Veranstaltungen für Frauen gibt.

Knodel: Ich denke auch, dass das sehr wichtig ist. Rausgehen, mit Leuten sprechen, sich zusammentun. Am Anfang der Karriere denkt man, dass das nicht nötig ist. Später sieht man, wie viel man daraus ziehen kann.

Was bedeutet der Preis für Sie?

Knodel: Ich freue mich natürlich, gleichzeitig würde ich mir eigentlich wünschen, dass es so einen Preis gar nicht geben muss. Aber solange es keine echte Gleichstellung gibt, ist es wichtig, auch über solche Ehrungen Öffentlichkeit und Sichtbarkeit zu schaffen.

Schumann: Ich finde das Thema Sichtbarkeit auch wichtig. Auch, um das Thema der unterbewussten Rollenzuschreibungen wieder in die Öffentlichkeit zu tragen.

Knodel: Mir ist noch wichtig zu sagen, dass das Ganze kein Frauenthema ist, sondern ein Thema für alle. Das Thema Gleichberechtigung geht alle an, und ich würde mir wünschen, dass es auch mehr Männer gibt, die sich dafür stark machen.