Hamburg. Regierungsmitglieder hätten Interesse, an wichtige Informationen zu gelangen. CDU fordert Selbstbefassung des Justizausschusses.
Hamburgs höchster Ankläger sorgt sich um die Stellung und das Ansehen der Staatsanwaltschaften. Er registriere „Vereinnahmungstendenzen“ der Justizverwaltungen, die Staatsanwaltschaft fester an die Exekutive zu binden, sagte Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich dem Abendblatt. Dahinter stecke das Interesse von Regierungspolitikern, an strategisch wichtige Informationen zu gelangen. Schließlich verfügten Anklagebehörden im Zuge von Ermittlungen häufig über „politisch hochbrisante Erkenntnisse und sind damit ein sehr wichtiges Institut zum Machterhalt“.
Solche Informationen, so Fröhlich, würden aber allein zu strafprozessualen Zwecken erhoben und nicht, damit Politiker ihr machtpolitisches Handeln daran orientieren: „Wir als Staatsanwälte haben das Gefühl, dass man uns zunehmend in unserer originären Rolle entmündigt und für justizfremde Zwecke missbraucht.“
Das Ergebnis der engen Anbindung an die Exekutive sei: „Die Staatsanwaltschaften haben in der Öffentlichkeit einen immer schlechteren Leumund. Ihnen wird vorgeworfen, sie seien Handlanger der jeweiligen Regierung, würden von ihr instrumentalisiert und müssten politische Erwartungen erfüllen. Wir wären heilfroh, wenn wir aus diesem Dunstkreis herauskämen.“ Sein Wunsch sei, so Fröhlich, die Staatsanwaltschaften vielmehr als Bestandteil der Judikative zu sehen. Zu Ende gedacht würde es bedeuten, „die Berichtspflicht aufzuheben oder jedenfalls stark einzugrenzen“.
Beamte seien weisungsgebunden
Die Staatsanwaltschaften hätten in der Gesellschaft „eine Doppelfunktion“, erläuterte Generalstaatsanwalt Jörg Fröhlich. Inhaltlich gehörten sie zur Judikative, also der richterlichen Gewalt. Andererseits sei die Staatsanwaltschaft auch Teil der Exekutive. Als Beamte seien sie den Weisungen ihres obersten Dienstherrn unterworfen, der auch die volle Dienstaufsicht über sie hat. In Hamburg ist das der Justizsenator. Zudem haben die Anklagebehörden eine sogenannte Berichtspflicht, müssen ihren Dienstherrn also über wichtige, vor allem politisch bedeutsame und öffentlichkeitswirksame Verfahren unterrichten.
Vor wenigen Tagen hatte die CDU bekannt gegeben, im Rahmen einer Justizreform Gerichten und Staatsanwaltschaften mehr Eigenständigkeit einräumen zu wollen. Dahinter stehe die Idee der justiziellen Selbstverwaltung, die in vielen Staaten Europas Praxis ist. Wie die Exekutive solle auch die Justiz nur direkt gegenüber der Legislative, also der Bürgerschaft, verantwortlich sein, lautet unter anderem eine Forderung der Partei. In diesem Zusammenhang solle auch das Weisungsrecht der Justizminister „evaluiert“ und die „Einführung der funktionellen Unabhängigkeit der Staatsanwälte“ überprüft werden, hieß es in dem CDU-Papier.
Regierungen könnten stürzen
Darauf Bezug nehmend sagte Generalstaatsanwalt Fröhlich: „Staatsanwaltschaften erhalten bei ihren Ermittlungen häufig sensible Informationen. Es könnten theoretisch fast wöchentlich Regierungen stürzen oder in Schwierigkeiten geraten. Da ist es nachvollziehbar, dass Politiker ihren Einfluss erhalten oder sogar ausbauen möchten.“
Durch die enge Anbindung der Staatsanwaltschaft an die Exekutive und die Berichtspflicht gerieten Daten aus Strafverfahren mitunter aber auch in einen „justizfernen Raum“. Regierungen könnten sich „strategisch einrichten, bekommen einen Handlungsvorsprung gegenüber Nichtregierenden. Und in einem digitalen Informationszeitalter bedeuten Informationen Macht“, erklärte Fröhlich. Tatsächlich reiche bereits die Dienstaufsicht innerhalb der Staatsanwaltschaft als hierarchische Behörde mit Abteilungsleitern, Hauptabteilungsleitern, dem Leitenden Oberstaatsanwalt und schließlich dem Generalstaatsanwalt, der über alle Ermittlungsverfahren wacht, aus.
Doppelrolle erzeuge Reibereien
„Unsere externen Kontrolleure sind die Gerichte. Wieso bedarf es dann noch zwingend einer weiteren, unbeschränkten politischen Kontrolle? Warum müssen Staatsanwaltschaften überhaupt intensiv mit den Landesjustizverwaltungen zusammenarbeiten? Das sind Vereinnahmungstendenzen, die sich leider in den vergangenen Jahren völlig etabliert haben“
Die Doppelrolle der Staatsanwaltschaft sowohl in der Exekutive als auch in der Judikative „beißt sich ganz erheblich“, meinte Fröhlich. Sie erzeuge ständig Reibereien. „Die Justizverwaltung sieht natürlich die exekutive Stellung im Vordergrund und möchte ihre Eingriffsmöglichkeit behalten. Staatsanwälte hingegen fühlen sich mit Inbrunst der Judikative verpflichtet.“
CDU fordert Selbstbefassung des Justizausschusses
Die CDU-Bürgerschaftsfraktion verlangt, den "Missbrauch der Hamburger Staatsanwaltschaft für politische Zwecke sofort zu stoppen". Die Vorwürfe des Hamburger Generalstaatsanwalts Richtung verantwortlichem Justizsenator Steffen (Grüne)wiegten schwer, sagte Richard Seelmaecker, justizpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, am Mittwoch. "Die Unabhängigkeit der Justiz in Deutschland ist ein hohes Gut und muss von uns allen verteidigt werden."
Justizsenator will sich zu Gespräch mit Generalstaatsanwalt treffen
Seelmaecker wirft Teilen des rot-grünen Senats vor zu versuchen, diese Unabhängigkeit zu hintertreiben und konkrete Versuche der Einflussnahme auf die Arbeit der Staatsanwaltschaft zu politischen Zwecken zu unternehmen. "Das ist die endgültige Bankrotterklärung des rot-grünen Senats im Bereich der Justiz", so der CDU-Politiker. "Der grüne Skandalsenator Steffen macht seinem Namen leider wieder alle Ehre." Dieser Missbrauch der Staatsanwaltschaft für politische Zwecke müsse umgehend eingestellt werden. "Eine Selbstbefassung des Justizausschusses ist dafür das mindeste, um den Vorwürfen und korrekten Fällen nachzugehen."
Justizsenator Till Steffen wollte sich nach Angaben seiner Behörde noch am Mittwoch zu einem Gespräch mit dem Generalstaatsanwalt treffen.