Hamburg. Frank Böttcher erklärt, wie es um das Klima in Hamburg steht und erläutert den Einfluss von südwestlichen Wetterlagen.

Seit Monaten reden immer mehr und immer häufiger Menschen auch in Hamburg vom Klima, seinem Wandel, den möglichen Folgen und Gegenmaßnahmen. Meldungen über Hitzerekorde, austrocknende Moore und Quellen im Hamburger Raum waren in diesem Sommer die Regel. Die „Fridays for Future“-Bewegung leistet einen Beitrag zur Schärfung der Sinne für ein globales Thema mit lokaler Relevanz. Wie relevant das Thema für uns in Hamburg ist, erahnen wir durch die Berichterstattung. Aber wie steht es wirklich um das Klima in der Hansestadt? Wie hat es sich in den vergangenen 30 Jahren entwickelt? Um Antworten zu finden, habe ich die Beobachtungsdaten der Wetterstation am Hamburger Flughafen der letzten 30 Jahre (1989 bis 2018) mit den Wetterereignissen im Klimareferenzzeitraum 1961 bis 1990 verglichen, zum Teil mit überraschenden Ergebnissen.

Klima ist die Statistik des Wetters. Auch der Klimawandel ist daher eine rein mathematische Betrachtung aller Wetterereignisse. Leider fehlt uns für die Statistik ein passendes Sinnesorgan. An die Wahrnehmung des Wetters sind wir hingegen hervorragend angepasst. Unsere Haut ist mühelos in der Lage, uns mit allen Informationen zur aktuellen Temperatur, zum Wind oder Niederschlag zu versorgen. So können wir Entscheidungen treffen und uns bei Bedarf schützend anpassen. Den Friesennerz werden wir aber zukünftig seltener brauchen. Große Veränderungen beim Wetter spüren wir sofort. Den Anstieg der mittleren Tagestemperatur der letzten 30 Jahren von 8,7 °C auf 9,7 °C können wir jedoch nicht fühlen. Unser Gehirn versucht in solchen Fällen zu ermitteln, was diese Zahlen wohl für den Alltag bedeuten mögen.

Der Versuch bleibt meist ergebnislos. Und dennoch haben viele von uns das Gefühl, dass sich schon etwas geändert hat. Die hitzige Diskussion zum Klima zeigt die Notwendigkeit, sich mit hanseatisch kühlem Kopf die Fakten zum Wandel in Hamburg einmal vor Augen zu führen. Damit sich das Klima ändert, muss sich das Wetter ändern. Die wahrnehmbare Trockenheit ist Ausdruck dieser Veränderungen. In diesem Sommer ist sogar die Alsterquelle vorübergehend versiegt.

Niederschlag und Trockenheit: Tatsächlich beobachten wir in Hamburg eine Zunahme der trockenen Tage. An Elbe und Alster regnete es seit 1989 im Mittel 13 Tage weniger im Jahr als in den 30 Jahren bis 1990. Das regnerische Image Hamburgs stimmt so nicht mehr. Dabei hat sich die durchschnittliche Dauer einer Phase ohne Regen kaum verändert. Sie liegt heute wie früher bei etwa drei Tagen. Zugenommen haben jedoch die längeren Trockenphasen von mehr als zehn Tagen ohne Regen. Gab es früher 74 solche Phasen in 30 Jahren, waren es in den letzten drei Jahrzehnten 84 Ereignisse. Wie erwartet, ist die Alsterquelle nach dem langen Regen der letzten zwei Wochen wieder angesprungen: Die Menge an Regen, die monatlich im Mittel aus den Wolken auf das Quellgebiet fällt, liegt damals wie heute bei 61 Litern pro Quadratmeter. Überraschend ist jedoch, dass die Schwankung der jährlichen Niederschlagsmenge deutlich zugenommen hat.

Besonders nasse Jahre mit mehr als 1000 Litern Regen pro Quadratmeter (l/qm) stehen immer häufiger Jahren unter 650 l/qm gegenüber. Die längste Trockenphase der letzten 60 Jahre dauerte 32 Tage und endete im August 1995 mit einem kräftigen Gewitter. Dieses typische Sommerphänomen beobachten wir jetzt bereits im April. Gleichzeitig haben sowohl die Trockenphasen als auch die Tage mit starkem Regen zugenommen. So stieg die Zahl der Tage mit Niederschlägen über 10 Litern pro Qua­dratmeter von 19 auf 22 Tage im Jahr.

Hitze und Sonne: Besonders deutlich zeigt sich der Klimawandel bei den Temperaturen. Die Zahl der Hitzetage verdoppelte sich von 2,5 auf 5,2 Tage jährlich. Auf Sommertage mit Werten über 25 Grad darf man sich nun an 29 statt 20 Tagen pro Jahr einstellen. In den verglichenen Zeiträumen ist die Zahl der Hitzewellen in Hamburg mit mindestens drei Tagen in Folge über 30 Grad sogar von fünf auf 16 angestiegen. Damals wie heute dauert eine Hitzewelle im Mittel fast vier Tage. Erheblich ist die deutliche Zunahme an neuen Tagesrekorden. In einem stabilen Klima dürfte es nach weit über 100 Jahren der Wetterbeobachtung nur alle paar Jahre einen neuen Tagesrekord geben. Allein 2018 kamen 17 Tagesrekorde dazu. In diesem Jahr sind es bereits neun Wärmerekorde.

Die Entwicklung hin zu neuen Rekorden beschleunigte sich in den letzten 30 Jahren erheblich. Mit der Erwärmung kommt es zu einer Zunahme an sonnigen Wetterlagen. So ist die jährliche Sonnenscheindauer um 51 Stunden auf 1561 Stunden leicht gestiegen. Die Zahl der Tage mit mehr als zehn Stunden Sonne stieg von 47 auf 51 Tage im Jahr. An diesen Sonnentagen sind die Tagestemperaturen heute zudem im Mittel um fast zwei Grad höher als früher. An einem derart sonnigen Septembertag durfte man vor 30 Jahren im Mittel mit einer Tagestemperatur von 19,9 Grad rechnen. Heute liegt der Erwartungswert bei 22,6 Grad. Die Zunahme an südwestlichen Wetterlagen ist für einen Teil der Erwärmung mitverantwortlich. Sie bringen häufiger Warmluft zu uns, und wenn diese uns erreicht, ist sie heute im Mittel fast zwei Grad wärmer als früher.


Winter und Wind: Die steigenden Temperaturen machen auch dem Winter den Garaus. In den letzten 30 Jahren hat sich die Zeit des jährlichen Dauerfrostes von drei auf zwei Wochen verkürzt. Unter den höheren Temperaturen leidet auch die Schneewahrscheinlichkeit. In den Wintermonaten Januar und Februar ist die tägliche Schneehöhe von 3,2 auf 0,9 Zentimeter im Mittel geschmolzen.

Klimastreik in Hamburg:

Klimastreik in Hamburg mit Zehntausenden Teilnehmern

Klimastreik in Hamburg: Ein Junge sitzt bei der Demo auf den Schultern seines Vaters und hält ein Schild mit der Aufschrift
Klimastreik in Hamburg: Ein Junge sitzt bei der Demo auf den Schultern seines Vaters und hält ein Schild mit der Aufschrift "I Love Snow" (Ich liebe Schnee) hoch. © Christian Charisius/dpa
"Die Erde hat Fieber" – eines von vielen Plakaten beim Hamburger Klimastreik. © Roland Magunia
Auch aus der Luft beeindruckend: 70.000 Menschen demonstrieren in Hamburg für das Klima.
Auch aus der Luft beeindruckend: 70.000 Menschen demonstrieren in Hamburg für das Klima. © citynewstv/dpa
Auch Tausende Schüler machten in Hamburg auf die Klimakrise aufmerksam.
Auch Tausende Schüler machten in Hamburg auf die Klimakrise aufmerksam. © Roland Magunia
Familie Auhagen ist gemeinsam zum Klimaprotest gekommen. „Ich möchte mir nicht in zehn, 20 oder 30 Jahren vorwerfen lassen, dass ich nichts unternommen habe
Familie Auhagen ist gemeinsam zum Klimaprotest gekommen. „Ich möchte mir nicht in zehn, 20 oder 30 Jahren vorwerfen lassen, dass ich nichts unternommen habe", sagt Volker Auhagen. Seine Frau Babette meint, es sei toll, was Fridays for Future auf die Beine gestellt habe. „Gut, dass die junge Generation so aktiv ist." Ihr neunjähriger Sohn Robert protestiert ebenfalls gegen den Klimawandel. © Insa Gall
Freitag, 11.45 Uhr: Der Jungfernstieg füllt sich mit Menschen, die für das Klima auf die Straße gehen.
Freitag, 11.45 Uhr: Der Jungfernstieg füllt sich mit Menschen, die für das Klima auf die Straße gehen. © André Zand-Vakili
Hamburg setzt ein Zeichen für besseren Klimaschutz.
Hamburg setzt ein Zeichen für besseren Klimaschutz. © Roland Magunia
Streiken fürs Klima in Hamburg.
Streiken fürs Klima in Hamburg. © Roland Magunia
Am Bahnhof Jungfernstieg war ein Durchkommen bereits am Mittag schwierig.
Am Bahnhof Jungfernstieg war ein Durchkommen bereits am Mittag schwierig. © Merle Jeßen/HA
Klimastreik in Hamburg: Die vorderste Reihe des Protestzuges.
Klimastreik in Hamburg: Die vorderste Reihe des Protestzuges. © Lucas Bayer
Teilnehmer der Demonstration füllen den Jungfernstieg. Die Demonstranten folgen dem Aufruf der Bewegung Fridays for Future und wollen für mehr Klimaschutz kämpfen.
Teilnehmer der Demonstration füllen den Jungfernstieg. Die Demonstranten folgen dem Aufruf der Bewegung Fridays for Future und wollen für mehr Klimaschutz kämpfen. © Christian Charisius/dpa
Auch Eltern mit kleinen Kindern demonstrieren in Hamburg mit.
Auch Eltern mit kleinen Kindern demonstrieren in Hamburg mit. © Simon Rieckmann/HA
Ältere Menschen, Eltern, Kinder, Jugendliche: Am Freitag gingen alle Altersgruppen in Hamburg auf die Straße.
Ältere Menschen, Eltern, Kinder, Jugendliche: Am Freitag gingen alle Altersgruppen in Hamburg auf die Straße. © Insa Gall
Tausende Klimastreik-Demonstranten strömen zum Jungfernstieg.
Tausende Klimastreik-Demonstranten strömen zum Jungfernstieg. © André Zand-Vakili
Auch Frederik Braun vom Miniatur Wunderland marschierte mit.
Auch Frederik Braun vom Miniatur Wunderland marschierte mit.
Fröhlich und friedlich: Mehr als 20.000 Demonstranten setzen sich in Hamburg für den Klimaschutz ein.
Fröhlich und friedlich: Mehr als 20.000 Demonstranten setzen sich in Hamburg für den Klimaschutz ein. © André Zand-Vakili
Klimastreik in Hamburg – mit Scientists4future.
Klimastreik in Hamburg – mit Scientists4future. © Merle Jeßen/HA
Der zweite Teil des Demozugs – angeführt von Trommlern.
Der zweite Teil des Demozugs – angeführt von Trommlern. © Lucas Bayer
Martin Dittrich (76, r.) und Michael Malsch (74) haben zusammen vier Enkel („das fünfte ist unterwegs
Martin Dittrich (76, r.) und Michael Malsch (74) haben zusammen vier Enkel („das fünfte ist unterwegs") und demonstrieren für deren Zukunft: „Toll, dass so viele Menschen gekommen sind.“ © Andreas Dey
Laut Polizei lief der große Klimastreik in Hamburg bisher völlig friedlich.
Laut Polizei lief der große Klimastreik in Hamburg bisher völlig friedlich. © Simon Rieckmann
Drei Grüne: Fraktionschef Anjes Tjarks, die künftige Altonaer Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg und Justizsenator Till Steffen (v.l.).
Drei Grüne: Fraktionschef Anjes Tjarks, die künftige Altonaer Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg und Justizsenator Till Steffen (v.l.). © Andreas Dey
Lucie und Alberto protestieren in Hamburg gegen die Brände am Amazonas.
Lucie und Alberto protestieren in Hamburg gegen die Brände am Amazonas. © Andreas Dey
Ein Auto mitten in der Hamburger Klima-Demo –  geparkt am Ballindamm/Ecke Jungfernstieg.
Ein Auto mitten in der Hamburger Klima-Demo – geparkt am Ballindamm/Ecke Jungfernstieg. © André Zand Vakili
50.000 Menschen marschierten durch Hamburg.
50.000 Menschen marschierten durch Hamburg. © Simon Rieckmann
Nicht nur Kinder und Jugendliche, auch viele Erwachsene streikten am Freitag für das Klima.
Nicht nur Kinder und Jugendliche, auch viele Erwachsene streikten am Freitag für das Klima. © Insa Gall
"Wir kämpfen für ein lebenswertes Land, nicht nur gegen die AfD, die den Klinawandel im Übrigen leugnet“, sagt Monika Dengler von Omas gegen Rechts. © Matthias Iken
Protest in der Hamburger City.
Protest in der Hamburger City. © Andreas Dey
Hamburger gehen für das Klima demonstrieren.
Hamburger gehen für das Klima demonstrieren. © Andreas Dey
Um 11.30 Uhr versammelten sich laut Polizei rund 3000 Menschen am Jungfernstieg.
Um 11.30 Uhr versammelten sich laut Polizei rund 3000 Menschen am Jungfernstieg. © Simon Rieckmann/HA
Viele Demonstranten mussten lange auf ihre Bahn warten – die dann auch noch überfüllt waren.
Viele Demonstranten mussten lange auf ihre Bahn warten – die dann auch noch überfüllt waren. © Matthias Iken
Auch Greenpeace demonstriert mit.
Auch Greenpeace demonstriert mit. © Merle Jeßen/HA
Hamburg Wasser spendiert Demonstranten Trinkwasser.
Hamburg Wasser spendiert Demonstranten Trinkwasser. © Insa Gall
Die Klima-Demonstranten mit ihren zum Teil sehr kreativen Plakaten.
Die Klima-Demonstranten mit ihren zum Teil sehr kreativen Plakaten. © Simon Rieckmann
Menschenmassen strömen beim Klimastreik in Hamburg zum Jungfernstieg.
Menschenmassen strömen beim Klimastreik in Hamburg zum Jungfernstieg. © Simon Rieckmann/HA
Bereits um 11 Uhr trafen die ersten Klimastreik-Demonstranten am Jungfernstieg ein.
Bereits um 11 Uhr trafen die ersten Klimastreik-Demonstranten am Jungfernstieg ein. © Merle Jeßen
Save my ass: Klima-Demonstranten in Hamburg.
Save my ass: Klima-Demonstranten in Hamburg. © Simon Rieckmann/HA
Die ältere Generation geht ebenfalls für das Klima auf Hamburgs Straßen.
Die ältere Generation geht ebenfalls für das Klima auf Hamburgs Straßen. © Simon Rieckmann/HA
Die Demonstranten am Jungfernstieg stehen in den Startlöchern.
Die Demonstranten am Jungfernstieg stehen in den Startlöchern. © Merle Jeßen/HA
Um 12 Uhr soll der Klimastreik losgehen.
Um 12 Uhr soll der Klimastreik losgehen. © Simon Rieckmann
Auf der Bühne vor der Europapassage wird es die Kundgebungen geben.
Auf der Bühne vor der Europapassage wird es die Kundgebungen geben. © Merle Jeßen/HA
Teilnehmer der Demo tanzen auf dem Jungfernstieg.
Teilnehmer der Demo tanzen auf dem Jungfernstieg. © dpa
Teilnehmer der Fridays for Future Demo tanzen auf dem Hamburger Jungfernstieg
Teilnehmer der Fridays for Future Demo tanzen auf dem Hamburger Jungfernstieg © Axel Heimken/dpa
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Der Luftdruck in Hamburg stieg langsam an, und die Zahl der Tage mit tiefem Luftdruck nahm im Gegenzug leicht ab. Infolgedessen ist der Mittelwind ein wenig schwächer geworden, während gleichzeitig aber die Windböen leicht zugelegt haben. Dieses ist auf die Zunahme an windigen Gewitterlagen zurückzuführen. Gerade die extremen Wetterereignisse wie Gewitterlagen und Hitzewellen haben bei uns bereits zugenommen. Es sind diese extremen Ereignisse des Klimawandels, die dann doch wieder unsere Sinnesorgane ansprechen und uns signalisieren, dass sich das Wetter in Hamburg verändert hat. Doch auch mit dem Wissen, dass der Klimawandel Hamburg längst erreicht hat, darf es in Ordnung sein, einen warmen goldenen Oktobertag ohne schlechtes Gewissen zu genießen.

Frank Böttcher, wurde 1968 in Hamburg geboren, ist Buchautor und Wetter-Moderator und sitzt im Vorstand der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft.