Hamburg. Talkshow-Moderator holte sich für seine Kinder Rat bei Michael Schulte-Markwort. Dabei verschlug es Markus Lanz die Sprache.
Die ZDF-Talkshow Markus Lanz hat sich am Dienstagabend zu einer persönlichen Therapiesitzung für den Moderator und Vater dreier Kinder entwickelt. Zu Gast bei Lanz: Die Autorin Natascha Kampusch, Pädagogin Anne Deimel, Journalistin Corinna Milborn und: Der renommierte Hamburger Kinder- und Jugendpsychiater Professor Michael Schulte-Markwort (UKE). Mit Pädagogin Anne Deimel hatte Markus Lanz über den extremen Lehrermangel an Grundschulen und den daraus folgenden Konsequenzen für die Kinder und die Gesellschaft diskutiert. Für Professor Schulte-Markwort, Lanz' letzter Gesprächspartner in der Sendung, eine "Respektlosigkeit" gegenüber den Kindern.
Das große Thema Schulte-Markworts: respektvoller Umgang mit Kindern. Seine These: Die Haltung der Eltern gegenüber den Kindern ist wichtiger als Erziehung: "Ich bin automatisch konsequent, wenn ich bin, wie ich bin und wenn ich mein Kind so liebe, wie ich es liebe." Die Reaktion von Markus Lanz: "Sie meinen, dann merke ich, wenn das Kind mit mir den Molli macht?" Es folgte ein Schlagabtausch. Schulte-Markwort: "Das macht das Kind nicht." Lanz. "Doch, doch." Schulte Markwort: "Nein".
Lanz bringt "Tricksereien" seiner Kinder ins Gespräch
Was folgte, war eine Lehrstunde für Markus Lanz, bei der es dem ansonsten selten verlegenen Moderator auch mal die Sprache verschlug. "Jetzt mal konkret", forderte der Moderator den Kinder- und Jugendpsychiater auf und brachte Probleme mit seinen eigenen Kindern ins Gespräch: "Sie haben gesagt, Kinder tricksen uns nicht aus. Wenn ich meine Kinder ins Bett bringe, würde ich sagen: Das findet schon statt. Das ist der Versuch, nicht ins Bett zu kommen".
Das sei legitim, konterte Schulte Markwort. Das bedeute nur, dass das Kind einen anderen Wunsch habe als der Vater. Die unterschiedlichen Wünsche müssten auf Augenhöhe ausgehandelt werden. Lanz, in der Regel nicht verlegen im Umgang mit seinen Gesprächspartnern, wurde zusehends leiser. Als Schulte-Markwort Lanz schließlich vorschlug, dem einschlafunwilligen Kind seinen Wunsch an einem Abend zu gewähren, um am nächsten Tag den eigenen Wunsch nach frühem Zubettgehen vom Kind gewährt zu bekommen, reagierte Lanz mit Kopfschütteln "Nein. Nein."
"Heute bist du dran, morgen bin ich dran"
Das sei ganz gefährlich."Im Gegenteil", so Schulte Markwort. Genau dafür kämpfe er. Es sei ein guter Kompromiss zum Kind zu sagen: "Heute bist du dran, morgen bin ich dran."
Das Einschlafen sei für Kinder keine Entspannung, sondern stelle einen Kontrollverlust dar. "Deshalb brauchen sie Fürsorge dabei." Lanz so leise wie unsicher: Das Einschlafen sei ja manchmal einfach der Verlust von Sandmännchen. Schulte Markwort bleibt dabei: Wenn das Sandmännchen wichtiger ist, dann gibt es eine Angst vor dem Einschlafen. "Dann kümmere ich mich um die Angst vor dem Einschlafen."
Dann kramte Markus Lanz ein weiteres Streitthema mit den eigenen Kindern hervor: Gummistiefel. Was, wenn das Kind sich weigert, Gummistiefel anzuziehen? Obwohl es die Gummistiefel schon tausendmal anhatte? "Ja, mein Gott", so Schulte-Markwort. "Dann geht es eben ohne Gummistiefel. Dann geben Sie dem Kind Wechselsocken mit."
Eine lange Pause – Markus Lanz war sprachlos
Es folgte eine ungewöhnlich lange Pause. Lanz war sprachlos. Das Publikum lachte. "Wer sich mit dem Kind in einen Machtkampf begibt, hat verloren", sagt der UKE-Professor. Das wollte Lanz so nicht stehen lassen. "Aber wie setze ich mich durch?", fragte Lanz, scheinbar ratlos. "Indem Sie zutiefst entschlossen sind!" Lanz: "Aber dann sagt das Kind nein." "Dann bleiben Sie dabei", sagt Schulte-Markwort. Und: "Bei den Gummistiefeln müssen Sie sich nicht durchsetzen."
Und was, wenn das Kind mit dem Edding die weißen Wände anmalt? Die Antwort so einfach wie knapp: "Dann schaffen Sie entweder die Eddingstifte ab, so dass sie für das Kind nicht erreichbar sind, oder Sie haben Spaß an bunt gemalten Wänden."
Am Ende holt sich Lanz noch Ratschläge zum Thema Ernährung. Wie verhalten, wenn die Kinder süchtig nach Süßem sind? "Wenn Sie alles anbieten, alles möglich ist, wenn Sie Essen attraktiv gestalten, dann mögen Kinder auch meistens alles." Der Ratschlag: Nichts verbieten. Da ist was dran, sinnierte Lanz: "Ich durfte nie fernsehen, wir hatten keinen Fernseher. Und als wir endlich so eine alte Kiste hatten, durfte ich nicht. Zur Strafe bin ich dann direkt zum Fernsehen gegangen". Das sei die späte Rache an seiner Mutter gewesen.
"Viel gelernt" lautete Lanz' Fazit
Das Fazit des Dialogs Lanz/Schulte-Markwort: Wenn ich respektvoll mit dem Kind umgehe, antwortet es mit Respekt. "Viel gelernt", bedankte sich Markus Lanz am Ende bei Michael Schulte-Markwort. "Und das mit der Schlafenszeit diskutieren wir bei einer anderen Gelgenheit. Ich sagte Ihnen beim nächsten Mal, ob es funktioniert hat oder nicht. Und ob die Kinder bereit sind, auf meine Vorschläge einzugehen. 19 Uhr oder so."
Professor Michael Schulte-Markwort, ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und am Altonaer Kinderkrankenhaus, ist Autor und bekannt für seine Arbeiten zur Erschöpfungsdepression bei Kinder- und Jugendlichen. Eben ist das Buch "Familienjahre – Wie unser Leben mit Kindern gelingt" bei Droemer erschienen.