Hamburg. Am Überseeboulevard und den Elbarkaden stehen viele Flächen leer. Klage über „ein Gastrokonzept neben dem anderen“.
Ein Einkaufsviertel mit gigantischen Ausmaßen, nämlich mit mehr als 200 Läden, Gastronomie und Entertainment, entsteht im südlichen Überseequartier. Es geht voran in der HafenCity, bis zum Jahresende sollen die Aushubarbeiten in allen Bereichen des Baufelds abgeschlossen sein. Die Eröffnung ist für Ende 2022 geplant.
Doch besteht dafür überhaupt Bedarf? Nur einen Steinwurf von der Baugrube entfernt liegt der Überseeboulevard – hier stehen zahlreiche Flächen leer. Die Mieter der Geschäfte wechseln häufig. Gut zu laufen scheinen der Edeka-Supermarkt und die diversen Lokale, die vor allem zur Mittagszeit stark frequentiert sind. Vor Kurzem gab es Zuwachs, eine auf gesundes Essen spezialisierte Dean&David-Filiale hat eröffnet.
Schwieriges Pflaster für Einzelhändler
Aber für die Einzelhändler ist es hier schwierig. Mieter der ersten Stunde am Überseeboulevard sind Marc und Daniel Säger mit ihrem Geschäft Marc&Daniel, das rund 110 Quadratmeter Verkaufsfläche hat und im Juli 2011 eröffnet wurde: „Dieser Standort ist nach wie vor eine Herausforderung. Ich warte immer noch auf die Initialzündung des Überseequartiers“, sagt Marc Säger. Der Unternehmer, der weitere Läden in Büsum und Heiligenhafen betreibt, sagt: „Ich würde mir hier in der HafenCity mehr Frequenz wünschen, denn dadurch hat man mehr Kunden. Ich bin auch nach wie vor für eine Sonntagsöffnung, denn da sind hier viele Menschen unterwegs, und man könnte ein gutes Geschäft machen.“
Zunächst war Marc&Daniel nur auf Mode ausgerichtet. Inzwischen sei es ein Concept-Store. „Wir haben unser Sortiment um Accessoires und Papeterieprodukte sowie um andere schöne Dinge erweitert. Wir haben damit auch auf die Veränderungen im Markt reagiert“, so Säger. Dem Vernehmen nach stand der Standort schon mal auf der Kippe. „Wir haben das Glück, dass unser Vermieter uns mit der Miete nach intensiven Gesprächen entgegengekommen ist“, so Säger.
Auf Kundenfang mit Brautkleidern
Schräg gegenüber verkauft Maxine Remé Brautkleider. Glücksfang heißt ihr Geschäft, das im September 2017 eröffnete. „Ich beobachte hier die Fluktuation der Läden, und mehr Einzelhandel wäre gut für den Standort. Ich bin zufrieden, denn ich bin nicht auf Laufkundschaft angewiesen, sondern meine Kunden kommen gezielt hierher, um sich hier für ihre Hochzeit ausstatten zu lassen.“ Dienstleistung scheint auch zu funktionieren. „Wir sind zufrieden mit der Nachfrage. Haben nicht nur Kunden, die hier in der Umgebung arbeiten, sondern auch viele Touristen, die zum Beispiel mit den Kreuzfahrtschiffen hier ankommen“, berichtet Muhammed Simsek vom stylishen Herrenfriseursalon Eric Barbier.
Auch Mittes Bezirksamtsleiter Falko Droßmann (SPD), der selbst in der HafenCity lebt, weiß um die Leerstände und sagt: „Wir brauchen mehr Einzelhandel in der HafenCity und nicht nur ein Gastrokonzept neben dem anderen und Banken und Immobilienmakler mit ihren Filialen. Das könnten Modeanbieter sein, aber auch mal ein Weinhändler oder ein gutes Lebensmittelgeschäft.“ Droßmann weist aber noch auf eine weitere Herausforderung hin: „Das Leben ist am Abend noch nicht in der HafenCity angekommen, da ist hier wirklich wenig los. Das könnte anders sein, wenn die Gastronomie nicht vor allem durch Ketten geprägt würde, sondern wenn es auch hochwertige individuelle Konzepte gäbe, für die die Gäste aus den anderen Stadtteilen in die HafenCity kommen.“
Überseeboulevard als Treffpunkt
Claudia Weise, Quartiersmanagerin für das nördliche Überseequartier, zu dem auch der Überseeboulevard gehört, sagt: „Wir haben inzwischen erreicht, dass wir als das Herzstück der HafenCity tatsächlich den Treffpunkt bilden, der insbesondere in der Mittagszeit, den frühen Abendstunden und am Wochenende gut bis hervorragend angenommen wird.“ Weise sagt auch: „Für eine weitere Frequentierung außerhalb dieser Zeiten sind wir auf die Fertigstellung des Überseequartiers und der restlichen HafenCity angewiesen.“ 86 Prozent der Flächen im Erdgeschoss im nördlichen Überseequartier seien vermietet.
Ausgestorbene Elbarkaden
Wie ausgestorben wirken die Elbarkaden an der Hongkongstraße. Der Gebäudekomplex liegt am Magdeburger Hafen, hier hat die Greenpeace-Zentrale ihren Sitz. Auch die Wohnungen sind begehrt. Doch die Flächen im Erdgeschoss und direkt an der Promenade scheinen nicht sehr gefragt zu sein. Viel Leerstand ist hier zu verzeichnen. Gleich zwei Makler haben Fenster beklebt und preisen die freien Flächen an.
Direkt am Wasser liegt das Restaurant Strauchs Falco und daneben die Surfkitchen und das Bistro Kleine Heimat. Doch die sich anschließenden Flächen, die sich an der Promenade entlangziehen, stehen leer. „Wir würden uns natürlich wünschen, dass neue Mieter gefunden werden. Vielleicht ein Modeladen oder ein anderer Einzelhändler. Dieser Leerstand ist nicht schön“, sagt Surfkitchen- und Kleine-Heimat-Geschäftsführer Beha Mustafa. Im Sommer funktioniere vor allem die Außengastronomie gut, aber im Winter sei abends an manchen Tagen wenig los, und das Restaurant werde dann meist früh geschlossen.
„Die Nachfrage nach Flächen für Gastronomie ist groß“, sagt Branchenexperte Dirk Wichner, Leiter der Einzelhandelsvermietung bei dem Immobiliendienstleister Jones Lang LaSalle. „Aber Flächen an Einzelhändler zu vermieten ist eher schwierig.“ Der Makler weiß: „Die HafenCity ist noch im Bau. Erst wenn der Stadtteil fertig ist, hier noch mehr Menschen leben, die Frequenz steigt und auch das südliche Überseequartier realisiert ist, dann wird es auch für Einzelhändler ein lukrativer und damit interessanter Standort.“